Ballungsraumzulage - Widerruf

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

25. 07. 1996


Aktenzeichen

6 AZR 774/95


Leitsatz des Gerichts

Ist den Mitarbeitern einer Gemeinde eine höhere Grundvergütung als sog. "Ballungsraumzulage" unter Bezugnahme auf die Tarifbestimmung des § 27 Abschn. C BAT zugesagt, so wird sie gemäß dem Tarifwortlaut "im Rahmen der dafür verfügbaren Mittel" gewährt. Sind die Mittel aufgrund einer Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans nicht mehr verfügbar, kann die Zahlung eingestellt werden. Die vollständige Zahlungseinstellung gegenüber allen bisher begünstigten Mitarbeitern unterliegt nicht der betrieblichen Mitbestimmung.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. verlangt von der Bekl. die Weiterzahlung einer Zulage. Der Kl. ist bei der Bekl. seit dem 14. 4. 1975 als Angestellter beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den Vorschriften des BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Durch § 1 Nr. 1 des 65. Änderungstarifvertrags zum BAT vom 30. 10. 1990 wurde dem § 27 BAT ein Abschnitt (angefügt, der folgenden Wortlaut hat: (Vgl. vorstehende Entscheidung, dies gilt auch für den weiteren Sachverhalt). Auf Grund der geänderten Richtlinien erhielt der Kl. seit dem 1. 7. 1993 eine monatliche Ballungsraumzulage von nur noch 7,71 DM brutto. Durch Beschluß des Magistrats vom 29. 4. 1994 strich die Bekl. mit Wirkung zu 1. 7. 1994 allen Bediensteten, auch dem Kl., die verbliebene Ballungsraumzulage. die Stadtverordnetenversammlung der Bekl. hatte dem zugestimmt. Der Kl. hat Weitergewährung der Zulage für die Zeit vom 1. 7. 1993 bis zum 31. 12. 1995 verlangt.

Der Kl. hat unter Zusammenrechnung der unstreitigen Beträge von 1107,48 DM brutto (für die Zeit vom 1. 7. 1993 bis zum 30. 6. 1994) und von 1800 DM brutto (für die Zeit vom 1. 7. 1994 bis zum 31. 12.1995) beantragt, die bekl. Stadt zu verurteilen, an ihn 2907,48 DM brutto zu zahlen.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das LAG durch Teilurteil das Urteil des ArbG teilweise abgeändert und der Klage in Höhe des den Zeitraum vom 1. 7. 1993 bis zum 30. 6. 1994 betreffenden Betrags von 1107,48 DM brutto stattgegeben. Die Revision der Bekl. gegen dieses Teilurteil war Gegenstand des Revisionsverfahrens 6 AZR 179/95 (folgende Entscheidung). Durch Schlußurteil hat das LAG auch dem weiteren Klagebegehren entsprochen und die Bekl. verurteilt, an den Kl. 1100 DM brutto und monatlich je 100 DM brutto für die Zeit von Juni 1995 bis Dezember 1995, fällig am 15. eines jeden Monats, zu zahlen. Die vom LAG gegen das Schlußurteil zugelassene Revision der Bekl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das LAG hat angenommen, die Klage sei im Umfang des Schlußurteils begründet. Der Kl. habe gegen die Bekl. einen vertraglichen Anspruch auf Weitergewährung der Ballungsraumzulage. Der von der Bekl. mit Wirkung zum 1. 7. 1994 ausgesprochene vollständige Widerruf der Ballungsraumzulage sei unwirksam, weil dieser vertraglich zwischen den Parteien nicht vereinbart worden sei. Die Bekl. könne sich auch nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit und die Personalsituation der Bekl. seien nicht Geschäftsgrundlage für die Gewährung der Ballungsraumzulage gewesen. Auch sei die Geschäftsgrundlage nicht weggefallen.

Diesen Ausführungen des LAG vermag der Senat nicht zu folgen.

II. Die Klage ist, soweit sie Gegenstand dieses Revisionsverfahren ist, unbegründet.

Der Kl. hat keinen Anspruch auf Weitergewährung der Ballungsraumzulage über den 1. 7. 1994 hinaus.

1. Dem Kl. war die Zulage durch Gesamtzusage versprochen worden. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein heutiges Urteil gleichen Rubrums in der Sache (NZA 1997, 620 nachfolgende Entscheidung (zu I 1)) Bezug.

2. Die Bekl. durfte die Zahlung der Ballungsraumzulage mit Wirkung zum 1. 7. 1994 einstellen. Entgegen der Auffassung des BerGer. war die Bekl. dazu berechtigt, weil von diesem Zeitpunkt an keine Haushaltsmittel für diesen Zweck mehr verfügbar waren und den Mitarbeitern die Zulage nur im Rahmen der verfügbaren Mittel zugesagt war.

a) Zwar ist dem LAG darin zu folgen, daß die Bekl. sich einen "Widerruf" in den Richtlinien 91 nicht vorbehalten hatte und der in den Richtlinien 93 nachträglich ausdrücklich erklärte Widerrufsvorbehalt dem Kl. gegenüber nicht wirkte.

Die Bekl. hat aber in den Richtlinien 91 (Ziff. 1 Abs. 2) zum Ausdruck gebracht, daß "... von den Gestaltungsmöglichkeiten ... der zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Regelungen über Zulagen zur Deckung des Personalbedarfs abschließend Gebrauch gemacht" und "der ... tarifvertraglichen Ausgangslage entsprechend" die Ballungsraumzulage bis zum 31. 12. 1995 gezahlt werden soll. Daraus folgt, daß die Bekl. den Mitarbeitern keine günstigere Rechtsstellung verschaffen wollte, als sie in § 27 Abschnitt C BAT vorgesehen ist. Dort ist aber bestimmt, daß die Vorweggewährung der höheren, an Stelle der zustehenden Grundvergütung nur "im Rahmen der verfügbaren Mittel" zulässig ist. Dieser im Tariftext enthaltene Vorbehalt ist durch die Bezugnahme in den Richtlinien 91 Inhalt der Geamtzusage gemacht worden.

b) Zwar weist das LAG zutreffend darauf hin, daß es unerheblich ist, ob der Haushaltsplan einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die ihren Arbeitnehmern Leistungen zugesagt hat, die zur Erfüllung dieser Ansprüche erforderlichen Mittel vorsieht (§ 96 II HessGO). Hier liegt der Fall jedoch anders. Die Bekl. hat durch die ausdrücklichen Hinweise auf die tariflichen Regelungen in den Richtlinien 91 die Verfügbarkeit von Finanzmitteln zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht, ob überhaupt und, wenn ja, in welchem Umfang und für welche Dauer des vorgesehenen Zeitraums bis längstens zum 31. 12. 1995 den Mitarbeitern die Ballungsraumzulage gewährt wird. Die Gewährung der Ballungsraumzulage stand damit unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln.

c) Ab dem 1. 7. 1994 standen für die Zahlung von Ballungsraumzulagen keine Haushaltsmittel mehr zur Verfügung. Dem Kl. stand der Anspruch somit von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zu.

Die Streichung der Zulage ab dem 1. 7. 1994 war mit Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung erfolgt. Damit hatte das für die Ausübung der Haushaltshoheit der Bekl. zuständige Gemeindeorgan (vgl. § 97 HessGO) entschieden, daß für die Zahlung der Ballungsraumzulage keine Mittel mehr zur Verfügung standen. Dadurch war die zum Inhalt der Gesamtzusage gewordene tarifliche Voraussetzung für den Anspruch entfallen. Die Wirksamkeit des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung scheitert nicht daran, daß nach § 94 I HessGO die Haushaltssatzung für das gesamte laufende Haushaltsjahr gilt und nach § 98 I HessGO nur durch bis zum Ablauf des Haushaltsjahrs zu beschließende Nachtragssatzung geändert werden kann. Diese das Verfahren bei zusätzlichem Finanzbedarf regelnden Bestimmungen (vgl. § 98 II HessGO) hindern die für die Ausübung der Haushaltshoheit zuständige Gemeindevertretung nicht, auf gesetzlich oder tariflich nicht gebotene Ausgaben im laufenden Haushaltsjahr zu verzichten und sie durch Beschluß der Verfügung des für die Ausführung des Gemeindehaushalts zuständigen Gemeindeorgans zu entziehen, wenn wie hier, in der Verpflichtungserklärung gegenüber dem Leistungsempfänger die Zahlung unter den Vorbehalt der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln gestellt wurde.

3. Zu Recht hat das LAG erkannt, daß die Zahlungseinstellung ab dem 1. 7. 1994 nicht der Zustimmung des Gesamtpersonalrats bedurfte.

Nach der durch den Beschluß des Großen Senats des BAG vom 3. 12. 1991 (BAGE 69, 134 = NZA 1992, 749 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG1972 Lohngestaltung) begründeten st. Rspr. des BAG unterliegt der Widerruf von Leistungen nur dann der betrieblichen Mitbestimmung, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Der Widerruf ist dann mitbestimmungsfrei, wenn durch ihn das Leistungsvolumen völlig aufgezehrt wird. So verhält es sich vorliegend. Für die Bekl. bestand kein Regelungsspielraum mehr, da nach der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung über den 1. 7. 1994 hinaus kein Zulagenvolumen mehr vorhanden war, das verteilt werden konnte.

Vorinstanzen

LAG Hessen, 9 Sa 485/94, 13.06.1995

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BAT § 27 Abschn. C; HessGO §§ 94 I, 96 II, 97, 98 II