Vertrieb einer Software, die Straftaten ermöglicht

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

04. 02. 1998


Aktenzeichen

3-12 O 207/97


Leitsatz des Gerichts

Der Vertrieb einer Software, die es ermöglicht, Manipulationen am Magnetstreifen einer Kreditkarte vorzunehmen, stellt einen wettbewerbsrechtlich unzulässigen Vorsprung durch Rechtsbruch dar.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Verfügungskl. ist Inhaberin einer ausschließlichen E-Lizenz für Deutschland. Die von ihr in Deutschland ausgegebenen E-Kreditkarten belaufen sich auf etwa 3,5 Millionen Stück. Die Verfügungsbekl. ist einer der wichtigsten Distributoren auf dem deutschsprachigen CD-Rom-Markt mit entsprechenden Softwareprogrammen. Seit dem November 1997 vertreibt die Verfügungsbekl. eine CD-Rom mit der Magnetkartensoftware "C". Nach den Angaben der Verfügungsbekl. soll die Software "C" dem Anwender die Möglichkeit verschaffen, strafrechtlich relevante Manipulationen an den Magnetstreifen von Kreditkarten vorzunehmen und die so veränderten Karten im bargeldlosen Zahlungsverkehr zu verwenden und damit rechtsmißbräuchlich einzusetzen. So ist es mit Hilfe von "C" und der entsprechenden Hardware (Kartenlesegerät) unter anderem möglich, Bank- und Kreditkarten zu lesen, sowie Zutritts- und Zugriffscodes zu generieren. Darüber hinaus soll es nach den Angaben der Verfügungsbekl. möglich sein, mit "C" das Limit von Kreditkarten heraufzusetzen, das Gültigkeitsdatum zu fälschen oder den Nutzungszyklus derart zu "frisieren", daß in kürzester Zeit mehr Geld ausgegeben werden darf. Zudem weist die Verfügungsbekl. auf die Möglichkeit hin, mit Hilfe von "C" sowie einem separat erhältlichen Magnetkartenleser Daten auf Magnetstreifen kopieren zu können. Diese Hinweise auf Manipulationsmöglichkeiten an Kreditkarten finden sich sowohl in einer allgemeinen Informationsbroschüre der Verfügungsbekl., als auch in einer der Software beiliegenden Produktbeschreibung. Daneben macht die Verfügungsbekl. sowohl in der Produktbeschreibung als auch in ihrem Informationsblatt darauf aufmerksam, daß eine mißbräuchliche Nutzung des Programms verboten ist und zur Strafverfolgung führen kann. Die Verfügungskl. hat die Verfügungsbekl. sowohl wegen des Vertriebs als auch wegen der Bewerbung der Software "C" abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert. Diesem Verlangen kam die Verfügungsbekl. nur hinsichtlich der von der Verfügungskl. beanstandeten Werbeaussagen nach. Eine Unterlassungserklärung hinsichtlich des Vertriebs des Softwareprogramms gab die Verfügungsbekl. hingegen nicht ab.

Die Verfügungskl. hat sodann die streitgegenständliche einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbekl. erwirkt. Gegen diese legte die Verfügungsbekl. ohne Erfolg Widerspruch ein.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Ein Unterlassungsanspruch der Verfügungskl. ergibt sich aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines Vorsprungs durch Rechtsbruch.

Die Verfügungsbekl. handelt wettbewerbswidrig nach § 1 UWG. Denn der Vertrieb der Software "C" stellt sowohl eine Beihilfehandlung zum Computerbetrug (§§ 263a , 27 StGB) als auch eine Beihilfehandlung zum Mißbrauch von Scheck- und Kreditkarten dar (§§ 266b , 27 StGB). Die Software "C" erlaubt es dem Anwender unter anderem, Manipulationen an Kreditkarten hinsichtlich der Gültigkeitsdauer vorzunehmen. Darüber hinaus können mit der Software "C" sowie einem separat erhältlichen Magnetkartenlesegerät Magnetstreifenkarten kopiert und deren Daten auf andere Magnetkarten übertragen werden.

Nimmt der Anwender von "C" solche Manipulationen an seiner eigenen Scheck- oder Kreditkarte vor und setzt diese sodann im Zahlungsverkehr ein, liegt ein Mißbrauch von Scheck- und Kreditkarten i.S. des § 266b StGB vor. Werden solche Manipulationen vom Anwender an einer fremden Scheck- oder Kreditkarte vorgenommen und die manipulierte Karte sodann zur Zahlung verwendet, ist der Straftatbestand des Computerbetrugs gem. § 263a StGB erfüllt. Zu diesen drohenden Straftaten leistet derjenige Beihilfe der dem Täter das Tatwerkzeug beschafft (vgl. OLG Karlsruhe, MD 1994, 287).

Nach Ansicht des Gerichts sind die von der Verfügungsbekl. angegebenen legalen Nutzungsmöglichkeiten von "C" lediglich als "Spielereien" zu bewerten. Sie sind für die meisten Kunden uninteressant und deshalb auch nicht kaufentscheidend. So kann sich der Inhaber einer Scheck- oder Kreditkarte regelmäßig bei seiner Bank oder einer sonstigen Beratungsstelle über den Schutz der eigenen Karte erkundigen. Auch wird dem Kunden der Kreditrahmen seiner Kreditkarte regelmäßig nach deren Ausstellung vom Kreditkarteninstitut mitgeteilt. Der Anschaffung der Software "C" bedarf es für den Erhalt dieser Informationen nicht. Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Nutzung der Software "C" die Anschaffung eines Kartenlesegerätes erforderlich macht. Diese Anschaffung verursacht für den Anwender zusätzliche Kosten, die nach Ansicht des Gerichts in keinerlei vernünftigen Verhältnis zu den legalen Nutzungsmöglichkeiten von "C" stehen.

Angesichts dessen erscheint es dem Gericht als fernliegend, daß die Software "C" vom Anwender ausschließlich für legale Zweke erworben und verwendet wird. Vielmehr steht zu befürchten, daß die Software "C" vom Anwender hauptsächlich zur Durchführung von Manipulationen und Mißbräuchen angeschafft und genutzt wird. Nur bei diesen Anwendern ist die Bereitschaft vorhanden, weitere 1000 DM für den Kauf eines Kartenlese- und Kodiergerätes auszugeben. Diese Umstände sind der Verfügungsbekl. in vollem Umfang bekannt und werden von ihr zur Vermarktung von "C" entsprechend ausgenutzt. Denn die Verfügungsbekl. stellt die strafbaren Nutzungsmöglichkeiten von "C" als das wesentliche Verkaufsargument in den Vordergrund. Sie zielt dabei ganz offensichtlich auf eine Käufergruppe, welche die Hinweise auf die Strafbarkeit der illegalen Nutzungsmöglichkeiten nicht beachtet.

Für das Gericht ergeben sich auch keine Zweifel am Vorsatz der Verfügungsbekl. Hinsichtlich des Vorsatzes ist lediglich zu verlangen, daß der Gehilfe die Handlung des Täters fördern und damit zur Tatbestandsverwirklichung beitragen will. Dabei genügt bedingter Vorsatz, der dann gegeben ist, wenn der Gehilfe nach den ihm bekannten Umständen nicht auf ein Ausbleiben der Tatbestandsverwirklichung vertrauen darf (vgl. KG, GRUR 1989, 920).

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Denn die Verfügungsbekl. mußte beim Verkauf bzw. Inverkehrbringen der Software "C" damit rechnen, daß ein Teil der Käufer die Warnhinweise mißachten und sich möglicherweise strafbar machen würde. So stellt die Verfügungsbekl. in ihrem Informationsblatt und in der der CD-Rom beiliegenden Produktbeschreibung wiederholt auf die verschiedenen Manipulationsmöglichkeiten ab. Die Verfügungsbekl. führt hierzu mehrfach und ganz eindeutig aus: "Es stimmt: Eine gehörige Portion krimineller Energie, "C", ein PC und ein Kartenlesegerät reichen aus, und die Kopiererei kann beginnen. Theoretisch ebenfalls möglich ist es, mit "C" das Limit der eigenen Kreditkarte heraufzusetzen, das Gültigkeitsdatum zu verändern oder den Nutzungszyklus derart zu frisieren, daß in kürzester Zeit mehr Geld ausgegeben werden darf".

Der Vorsatz der Verfügungsbekl. wird nach Ansicht des Gerichts nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Verfügungsbekl. in ihrer Produktbeschreibung und ihrem Informationsblatt vor einer mißbräuchlichen Nutzung des Programms und einer möglichen Strafverfolgung warnt. Denn diese ergänzenden Hinweise können den Aufforderungscharakter der zuvor abgedruckten (Manipulations-)Hinweise nicht beseitigen. Zum einen befinden sich die Hinweise auf die Strafbarkeit jeweils erst am Ende des Textes, in dem zuvor umfassend die Manipulationsmöglichkeiten beschrieben werden. Zum anderen geht das erkennende Gericht davon aus, daß der flüchtige Leser die Hinweise oftmals überhaupt nicht wahrnehmen wird.

Dahinstehen kann, ob sich die Verfügungsbekl. tatsächlich der Beihilfe strafbar gemacht hat. Denn auch in der haupttatlosen Beihilfehandlung liegt bereits ein Rechtsbruch i.S. des UWG, da die Verfügungsbekl. aufgrund ihrer eindeutigen Hinweise mit dem strafbaren Einsatz der Software "C" durch den jeweiligen Erwerber rechnen mußte und nach Überzeugung des erkennenden Gerichts auch gerechnet hat (vgl. OLG Karlsruhe, MD 1994, 287).

Für die Entscheidung des Gerichts ist es ohne Bedeutung, daß es auch mit anderen Programmen, wie etwa "H-T" von M möglich ist, beschriebene Magnetkarten zu kopieren. Im Gegensatz zur Verfügungsbekl. stellt die Firma M bei der Vermarktung von "Windows 95" die legalen Nutzungsmöglichkeiten ihrer Software ganz eindeutig in den Vordergrund. Ein Hinweis darauf, daß es mit dem Programm "H-T" möglich ist, strafbare Manipulationen an Eurocheque- oder Kreditkarten vorzunehmen, findet sich nach Kenntnis des Gerichts weder in der Werbung noch in Handbüchern oder sonstigen Produktbeschreibungen.

Bei der Entscheidung darüber, ob eine wettbewerbswidrige Handlung i.S. des § 1 UWG vorliegt, kommt es nicht allein auf die Fähigkeit einer Software an, Magnetkarten zu kopieren, sondern insbesondere auf die Frage, in welcher Art und Weise der Produzent/Vertreiber der Software mit diesen strafbaren Nutzungsmöglichkeiten wirbt und ob die Vornahme strafbarer Manipulationen von diesem gewollt ist. In diesem Punkt unterscheidet sich das Werbe- und Vertriebsverhalten der Verfügungsbekl. doch ganz wesentlich von dem Werbeverhalten der Firma M. Das gleiche gilt im Ergebnis auch für den (Gehilfen-)Vorsatz, welchen das Gericht bei der Firma M nicht zu erkennen vermag.

Darüber hinaus läßt sich nach Ansicht des Gerichts auch der Vertrieb von Farbkopierern nicht mit dem Vertrieb der Software "C" vergleichen. Denn auch bei diesen steht, im Gegensatz zur Software der Verfügungsbekl. der legale Verwendungszweck unzweideutig im Vordergrund. In beinahe allen Fällen ist davon auszugehen, daß die legale Nutzung des Farbkopierers der alleinige Grund für dessen Anschaffung und Betrieb ist.

Auch die Sequestrierung der Software "C" ist berechtigt. Denn es muß nach Ansicht des Gerichts damit gerechnet werden, daß die Software "C" trotz des Unterlassungsgebotes weiter angeboten und verkauft wird. Bei der Software "C" handelt es sich um eine Neuerscheinung, die sich auf dem CD-Rom-Markt großer Beliebtheit erfreut, so daß mit deren Vertrieb erhebliche Umsätze erzielt werden können. Die Verfügungsbekl. weist selbst darauf hin, daß sich "C" in den "Top 20" der Softwareprogramme auf Platz drei befindet. Angesichts dessen erscheint es für das erkennende Gericht als unwahrscheinlich, daß die Verfügungsbekl. dem Unterlassungsgebot des Gerichts Folge leistet und auf erhebliche Umsatz- und Gewinnmöglichkeiten verzichtet. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung des weiteren zu berücksichtigen, daß schon der Verkauf einiger weniger CD-Roms der Software "C" die Gefahr der Vereitelung des Beseitigungsanspruchs der Verfügungskl. begründet, da es ohne technische Probleme möglich ist, verlustfreie Kopien der Software "C" anzufertigen.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

UWG § 1