Taschengeldanspruch des zuverdienenden Ehegatten

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

21. 01. 1998


Aktenzeichen

XII ZR 140/96


Leitsatz des Gerichts

Zum Taschengeldanspruch eines Ehegatten in einer Zuverdienerehe.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. hatte am 2. 12. 1976 einen vollstreckbaren Titel über 1200 DM gegen den Ehemann der Bekl. erwirkt. Einschließlich mittlerweile aufgelaufener Zinsen und Kosten beläuft sich die Forderung auf 3496,23 DM. Der Ehemann war in der Video-Verleih-Firma seiner Ehefrau, der Bekl., als Aushilfe beschäftigt. Vollstreckungsversuche des Kl. gegen den Ehemann waren erfolglos, da sein Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze lag. Daraufhin ließ der Kl. mit Pfändung und Überweisungsbeschluß vom 23. 3. 1989 den angeblichen Taschengeldanspruch des Ehemannes gegen die Bekl. einschließlich dazugehöriger Auskunftsansprüche pfänden und sich zur Einziehung bzw. Geltendmachung überweisen. Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kl. die Bekl. im Wege der Stufenklage auf Zahlung des Taschengeldes in Anspruch, das die Bekl. nach seiner Meinung ihrem Ehemann in der Zeit von Januar 1991 bis Dezember 1993 geschuldet hat. Auf ein am 7. 6. 1994 erwirktes rechtskräftiges Teilurteil hat die Bekl. Steuerbescheide für 1991 und 1992 sowie eine Bescheinigung ihres Steuerberaters über ihre Bruttoeinkünfte 1993 vorgelegt und hierzu mitgeteilt, daß ihre Firma V ab 1. 1. 1993 von der V-GmbH, deren Geschäftsführerin sie sei, übernommen worden sei. Ein Kaufpreis sei nicht geflossen. Die Bekl. hat im übrigen vorgetragen, daß das Aushilfseinkommen ihres Ehemannes monatlich ca. 700 DM netto betrage, wodurch sein Taschengeldanspruch gedeckt sei.

Das AG - FamG - hat die Bekl. antragsgemäß zur Zahlung von 3496,23 DM nebst 4% Zinsen aus 1200 DM seit 21. 3. 1989 verurteilt. Auf die Berufung der Bekl. hat das OLG das Urteil des AG abgeändert und die Zahlungsklage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das OLG ist davon ausgegangen, daß der Kl. zur Geltendmachung des Taschengeldanspruchs ungeachtet der streitigen Frage der Pfändbarkeit berechtigt sei, weil die Pfändung und Überweisung im Prozeß gegen den Drittschuldner als wirksam zu behandeln sei, solange sie - wie hier - nicht vom Vollstreckungsgericht auf Erinnerung aufgehoben sei.

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es ist zutreffend, daß sich der Drittschuldner im Rahmen der Drittschuldnerklage nicht auf Pfändungsverbote oder -beschränkungen berufen kann. Auf die streitige Frage, ob der Taschengeldanspruch überhaupt pfändbar ist, kommt es daher nicht an (OLG Hamm, FamRZ 1978, 602; 1985, 407; OLG München, FamRZ 1981, 449; OLG Celle, FamRZ 1986, 196; Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl., § 1360 a Rdnr. 8; Zöller-Stöber, ZPO, 20. Aufl., § 850 b Rdnr. 17).

2. Das OLG vertritt die Auffassung, daß ein Taschengeldanspruch des Ehemannes gegen die Bekl. nicht bestanden habe und die Pfändung daher ins Leere gegangen sei. Zwar komme ein Taschengeldanspruch nicht nur für einen erwerbslosen Ehegatten in Betracht, sondern stehe grundsätzlich auch einem verdienenden Ehegatten als eine Art Aufstockungsanspruch zu, wenn seine Eigeneinkünfte niedriger seien als das Taschengeld. Dieses errechne sich aber nach einem prozentualen Anteil (in der Regel 5% bis 7%) des anrechenbaren Einkommens des mehrverdienenden Ehegatten. Die Berechnung erfolge nicht derart, daß auch die geringeren Einkünfte des Ehegatten in eine gemeinsame Kasse einzubringen seien, aus der dann das Taschengeld zuzuteilen wäre. Der Taschengeldanspruch werde vielmehr nach der Lebenserfahrung in aller Regel so befriedigt, daß der weniger verdienende Ehegatte den auf der Grundlage des Einkommens des mehrverdienenden Ehegatten errechneten Taschengeldbetrag von seinem Verdienst einbehalte und erst dann eine Aufstockung verlangen könne, wenn damit sein Anspruch noch nicht befriedigt sei. Eine von dieser Lebenserfahrung abweichende Vereinbarung der Ehegatten sei hier nicht ersichtlich.

Der Ehemann der Bekl. habe daher nur dann einen Aufstockungsanspruch, wenn sein Einkommen hinter dem ihm zustehenden Taschengeld zurückgeblieben sei. Daran fehlte es. Der Kl. habe das monatliche Nettoeinkommen der Bekl. nach deren Angaben für 1991 mit durchschnittlich monatlich 5122 DM angenommen, woraus sich ein Taschengeld in Höhe von höchstens 7% = 358 DM errechne, das bereits durch den Eigenverdienst des Ehemannes von monatlich rund 700 DM netto gedeckt sei. Für 1992 und 1993 gelte Entsprechendes. Soweit der Kl. ein tatsächlich höheres Einkommen des Ehemannes der Bekl. als 700 DM monatlich behaupte, stehe dies der Annahme eines Aufstockungsanspruchs erst recht entgegen. Auch aus dem vom Kl. behaupteten Veräußerungserlös der Video-Firma der Bekl. lasse sich kein anderes Ergebnis ableiten. Ein pfändbarer Taschengeldanspruch des Ehemannes würde sich bei seinem Eigeneinkommen von 700 DM nur ergeben, wenn das durchschnittliche Monatseinkommen der Bekl. 14 000 DM netto übersteige. Dafür, daß der Bekl. aus der Übernahme ihrer Firma durch die GmbH ein entsprechend hohes Einkommen zugeflossen wäre, habe der Kl. keine Anhaltspunkte vorgetragen.

Soweit der Kl. schließlich abweichend von seinem bisherigen Prozeßvortrag in der Berufungsverhandlung die Behauptung aufgestellt habe, bei dem Eigeneinkommen des Ehemannes handele es sich in Wahrheit um Unterhalts- und Taschengeldzahlungen der Bekl., die sie ihm nach dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 23. 3. 1989 nicht mehr mit befreiender Wirkung habe leisten können, sei dies nicht schlüssig dargetan. Denn die Einordnung der 700 DM als Arbeitseinkommen sei bisher unstreitig gewesen; der Kl. habe sogar vorgetragen, daß der Ehemann der wirtschaftliche Inhaber des Video-Verleihs gewesen sei und daraus ein höheres Einkommen erzielt habe. Damit lasse sich sein jetziger Vortrag nicht vereinbaren.

3. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Der Senat teilt den Ausgangspunkt des OLG, daß ein Taschengeldanspruch nicht nur dem erwerbslosen Ehegatten zusteht, sondern auch für den zuverdienenden Ehegatten in Betracht kommen kann (vgl. auch Wendl-Scholz, Das UnterhaltsR in der familienrichterlichen Praxis, 3. Aufl., § 3 Rdnrn. 43 u. 58). Keine Bedenken bestehen ferner gegen die Annahme, daß er nur dann besteht, wenn das dem weniger verdienenden Ehegatten zustehende Taschengeld höher ist als sein Eigeneinkommen.

a) Das Taschengeld ist Bestandteil des Familienunterhalts nach §§ 1360 , 1360 a BGB. Nach diesen Vorschriften sind Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 S. 1 BGB). Der angemessene Unterhalt umfaßt alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Haushaltskosten zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen Kinder zu befriedigen (§ 1360 a I BGB). Dazu gehören u. a. Kosten für Wohnung, Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung, kulturelle Bedürfnisse, Kranken- und Altersversorgung, Urlaub usw., die in der Regel in Form des Naturalunterhalts gewährt werden. Außerdem hat jeder der Ehegatten Anspruch auf einen angemessenen Teil des Gesamteinkommens als Taschengeld, d. h. auf einen Geldbetrag, der ihm die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse nach eigenem Gutdünken und freier Wahl unabhängig von einer Mitsprache des anderen Ehegatten ermöglichen soll (OLG München, FamRZ 1981, 449 [450]; Gernhuber-Coester-Waltjen, FamR, 4. Aufl., § 21 I Nr. 15 = S. 235; Palandt-Diederichsen, BGB, 57. Aufl., § 1360 a Rdnr. 4; Haumer, FamRZ 1996, 193).

Der Familienunterhalt richtet sich nach den die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen und dem jeweiligen Lebenszuschnitt der Ehegatten. Als Bestandteil dieses Familienunterhalts richtet sich der Taschengeldanspruch der Höhe nach ebenfalls nach den im Einzelfall gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung der Ehegatten. Dabei wird in der Rechtsprechung üblicherweise eine Quote von 5% bis 7% des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens angenommen (vgl. Wacke, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 1360 a Rdnr. 6 Fußn. 16 m. w. Nachw.). Ein Taschengeldanspruch scheidet aus, wenn das Familieneinkommen nur zur Deckung des notwendigen Bedarfs der Familienmitglieder ausreicht (OLG Hamm, FamRZ 1986, 357; NJW-RR 1989, 516 = FamRZ 1989, 617; Wacke, in: MünchKomm, § 1360 a Rdnr. 6; Palandt-Diederichsen, § 1360 a Rdnr. 4; Soergel-Lange, § 1360 a Rdnr. 8).

b) Der Auffassung des OLG, daß der Taschengeldanspruch nach der Lebenserfahrung in der Weise befriedigt werde, daß der weniger verdienende Ehegatte das auf der Grundlage des Mehreinkommens des anderen Ehegatten berechnete Taschengeld von seinem Verdienst einbehalte und nur dann einen Anspruch habe, wenn sein Eigenverdienst zur Befriedigung nicht ausreiche, ist im Ergebnis zuzustimmen (so auch KG, FamRZ 1979, 428; NJW-RR 1992, 707; Palandt-Diederichsen, § 1360 a Rdnr. 4; Wendl-Scholz, § 3 Rdnr. 58; Derleder, JurBüro 1994, 195 f. [197]; Rolland, in: FamK, 1993, § 1360 a Rdnr. 5). Allerdings kommt es dabei nicht darauf an, was die Ehegatten über seine Ausgestaltung und Handhabung vereinbart haben, da es nicht von ihrem jeweiligen Willen im Einzelfall abhängen kann, ob ein Taschengeldanspruch besteht oder nicht. Der Taschengeldanspruch ist ein Baranspruch, der aus dem Gesetz folgt und in seinem Bestehen nicht von einem Organisationsakt oder einer Vereinbarung der Ehegatten abhängig ist (so zutr. Büttner, FamRZ 1994, 1433 [1439]). Auch das BVerfG hat bei der Frage, ob ein Taschengeldanspruch materiellrechtlich besteht und gegebenenfalls zur Befriedigung von Gläubigern herangezogen werden kann, auf die materielle Rechtslage abgestellt, nicht aber darauf, wie die Ehegatten den Taschengeldanspruch im Einzelfall handhaben (BVerfGE 68, 256 = NJW 1985, 1211 = FamRZ 1985, 143 [146]; BVerfG, FamRZ 1986, 773; vgl. auch Senat, NJW 1986, 1869 = LM § 1603 BGB Nr. 31 = FamRZ 1986, 668 [669]).

Entscheidend ist vielmehr, daß der Taschengeldanspruch, obwohl er Teil des Familienunterhalts ist, ebenso wie der Anspruch auf Trennungs- oder Nachehelichenunterhalt ein auf Geld gerichteter Zahlungsanspruch gegen den anderen, mehr verdienenden Ehegatten ist. Vergleichbar mit dem Barunterhaltsanspruch eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, der seinen eheangemessenen Unterhaltsbedarf ganz oder zum Teil durch seinen Eigenverdienst decken kann und insoweit keinen Zahlungsanspruch mehr gegen den anderen Ehegatten hat, wird auch der Taschengeldbedarf durch den Eigenverdienst des Gläubigerehegatten ganz oder teilweise gedeckt, so daß insoweit kein weiterer Zahlungsanspruch gegen den Schuldnerehegatten besteht.

c) Danach besteht im vorliegenden Fall für den Ehemann kein Taschengeldanspruch mehr gegen die Bekl., den der Kl. aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des AG gegen die Bekl. geltend machen könnte (§§ 1360 , 1360 a BGB, §§ 829 III , 835 I , III 1 ZPO). Denn bei dem vom Kl. als Mittelwert für die Jahre 1991 und 1992 angenommenen, von der Bekl. nicht bestrittenen monatlichen Nettoeinkommen von 5122 DM und dem Eigeneinkommen des Ehemannes von 700 DM beläuft sich das Taschengeld selbst nach der vom OLG hier angenommenen Quote von 7% auf rund 407 DM monatlich, das der Ehemann durch seinen Eigenverdienst decken kann. Dies wäre erst recht bei einem höheren Eigeneinkommen des Ehemannes der Fall. Auch im übrigen sind die Ausführungen des OLG rechtlich nicht zu bestanden.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB §§ 1360, 1360 a