Gleichbehandlung unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

17. 02. 1998


Aktenzeichen

3 AZR 783/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern eines Betriebs nach bestimmten Merkmalen. Die Gruppenbildung muß - gemessen an den mit der Regelung verfolgten Zwecken - sachlich berechtigt sein (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 78, 288 = NZA 1995, 733 = AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; Urteil vom 9. 12. 1997 - 3 AZR 355/96 zur Veröffentlichung vorgesehen).

  2. Mit Zusagen von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung kann der Arbeitgeber verschiedene Zwecke verfolgen. Die Förderung und Belohnung von Betriebstreue ist ein zulässiger Zweck. Der Arbeitgeber kann die Zusage auf solche Arbeitnehmer beschränken, die er enger an das Unternehmen binden will.

  3. Die Unterscheidung zwischen Mitarbeitern mit leitenden Aufgaben und sonstigen Mitarbeitern ist sachlich berechtigt (Bestätigung von BAGE 53, 309 = NZA 1987, 449 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung).

  4. Der Arbeitgeber darf auch Mitarbeiter im Außendienst durch Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung enger an das Unternehmen binden. Für diese Bevorzugung gibt es gute Gründe.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. will festgestellt haben, daß ihr eine unverfallbare Anwartschaft auf Zahlung einer Betriebsrente zusteht. Sie fordert Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern des Betriebs. Die im Oktober 1936 geborene Kl. ist seit 1. 1. 1972 bei der Bekl. als Chemielaborantin/Sachbearbeiterin beschäftigt. Sie verdiente zuletzt monatlich 6308 DM brutto. Die Bekl. stellt Phytopharmaka (Arzneimittel auf pflanzlicher Basis) her und vertreibt diese. Sie beschäftigt etwa 170 Arbeitnehmer. Einem Teil ihrer Arbeitnehmer, nämlich den Mitarbeitern im Außendienst (etwa 50 Ärztebesuchern) sowie leitenden Angestellten und Abteilungsleitern im Innendienst (etwa 10 Mitarbeitern) versprach die Bekl. eine Altersversorgung. Neben diesen beiden Gruppen erhalten auch noch fünf weitere Arbeitnehmer eine solche Altersversorgung. Die Kl. hat die Auffassung vertreten, die Bekl. habe gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Es bestehe kein sachlicher Grund, die Zusagen auf die Gruppe der Innendienstmitarbeiter in leitender Position und die Außendienstmitarbeiter zu beschränken. Im übrigen habe die Bekl. sie im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern willkürlich ausgeschlossen. Werde sie den Arbeitnehmern mit Anspruch auf eine Altersversorgung gleichgestellt, könne sie bei Vollendung des 65. Lebensjahres eine Betriebsrente von 500 DM monatlich erwarten. Die Kl. hat beantragt, festzustellen, daß ihr eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft zusteht, nach der sie bei Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf eine Betriebsrente von monatlich 500 DM erwirbt. Die Bekl. hat behauptet, für die Bevorzugung der Mitarbeiter im Außendienst und der Mitarbeiter in leitender Position gebe es sachliche Gründe; sie wolle diese Arbeitnehmergruppen an das Unternehmen binden. Der Aufwand für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter im Außendienst sei besonders groß. Es komme ihr auch auf langjährige Kontakte zu den Kunden an. Ein häufiger Mitarbeiterwechsel im Außendienst wirke sich umsatzmindernd aus. Die leitenden Mitarbeiter im Innendienst müsse sie an das Unternehmen binden, weil diese Personen maßgeblich am Erfolg des Unternehmens beteiligt seien. Außer den Angehörigen dieser beiden Gruppen habe sie nur in Einzelfällen und nur bei konkreten Anlässen eine Altersversorgung versprochen.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung und die Revision der Kl. sind ohne Erfolg geblieben.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Revision der Kl. ist nicht begründet. Es besteht keine Versorgungsverpflichtung der Bekl. aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 1 I 4 BetrAVG).

I. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Unterscheidung der Arbeitnehmer eines Betriebes nach bestimmten Merkmalen. Die Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien gerecht werden. Eine unterschiedliche Behandlung ist dann sachfremd, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Dabei richtet sich die Beurteilung nach dem Zweck der Leistung. Mit Leistungen der betrieblichen Altersversorgung kann der Arbeitgeber unterschiedliche Zwecke verfolgen. Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sollen die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer im Alter verbessern. Zugleich soll in der Regel die von den Arbeitnehmern erbrachte Betriebstreue gefördert und belohnt werden. Das unterschiedliche Interesse an der Betriebstreue ist danach ein zulässiges Differenzierungsmerkmal. Die Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung darf daher auf solche Arbeitnehmer beschränkt werden, die der Unternehmer enger an das Unternehmen binden will (BAGE 53, 309 = NZA 1987, 449 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAGE 73, 343 = NZA 1994, 125 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAGE 78, 288 (292) = NZA 1995, 733 = AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung (zu B III 2)).

II. Das LAG ist dieser Rechtsprechung gefolgt. Es hat mit überzeugender Begründung zu Recht angenommen, die Unterscheidung zwischen den Innendienstmitarbeitern einerseits und den Mitarbeitern im Außendienst sowie den leitenden Mitarbeitern andererseits sei sachlich gerechtfertigt.

1. Für die Bekl. gab es gute Gründe, gerade die Mitarbeiter im Außendienst länger an das Unternehmen zu binden. Dieses Ziel darf die Bekl. mit Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung verfolgen. Die Mitarbeiter der Bekl. im Außendienst müssen zeit- und kostenaufwendig geschult werden. Außerdem hängt der Umsatz der Bekl. von den persönlichen Kontakten der Mitarbeiter im Außendienst ab. Neben speziellem Fachwissen und der Erfahrung tragen insbesondere die persönlichen Kontakte dieser Mitarbeiter zu Ärzten und Krankenhäusern wesentlich zum Umsatz und damit zum Erfolg des Unternehmens bei. Die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigenden Gründe hat das LAG festgestellt.

Die Angriffe der Kl. gegen die rechtliche Beurteilung sind nicht begründet. Zwar mögen die Kosten für die Ausbildung der Mitarbeiter im Außendienst im Einzelfall unterschiedlich hoch sein. Es mag auch Pharmareferenten geben, für die keine höheren Ausbildungskosten anfallen. Das LAG hat aber mit Recht nicht nur auf die Ausbildungskosten, sondern auch auf die Kosten einer Weiterbildung abgestellt. Auch die Angriffe der Kl. gegen die angebliche Überbewertung der persönlichen Kontakte überzeugen den Senat nicht. Die Kl. verweist nur auf ein allgemeines Sparprogramm im Gesundheitswesen. Deshalb trete der persönliche Kontakt in den Hintergrund. Dieser Schluß ist aber nicht zwingend. Der umgekehrte Schluß liegt näher: Bei zunehmendem Kostendruck kommt es mehr denn je auf die persönlichen und vertrauensvollen Kontakte der Außendienstmitarbeiter zu den Kunden an.

Die Kl. kann sich auch nicht auf das Urteil des Senats ((BAGE) 73, 343 = NZA 1994, 125 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung) berufen. In dieser Entscheidung ging es um den Ausschluß der Außendienstmitarbeiter von Versorgungsleistungen, die alle übrigen Mitarbeiter des Unternehmens erhalten sollen. Für diesen Ausschluß gab es keine sachlichen Gründe. Das schließt nicht aus, daß ein anderer Arbeitgeber mit seinen Regelungen billigenswerte Ziele verfolgt und Arbeitnehmergruppen bevorzugt, die er enger an das Unternehmen binden will.

2. Die unterschiedliche Behandlung der Mitarbeiter im Innendienst einerseits und der Mitarbeiter in leitender Position andererseits ist ebenfalls sachlich berechtigt. Die besondere Bedeutung der Mitarbeiter in leitender Position für den Unternehmenserfolg liegt auf der Hand. Diese Mitarbeiter verfügen über Fachwissen und Erfahrung, die nicht so leicht ersetzt werden können.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LAG hatte die Bekl. leitenden Mitarbeitern bis zur zweiten Führungsebene Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt. Diese hierarchisch abgegrenzte Gruppe von Arbeitnehmern unterscheidet sich in ihrer Leitungsfunktion und der sich daraus ergebenden Bedeutung für das Unternehmen von den übrigen Mitarbeitern im Innendienst. Eine Versorgungsordnung, die Arbeitnehmer in gehobenen Positionen begünstigt, andere Arbeitnehmer von Leistungen der Altersversorgung aber ausschließt, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (BAGE 53, 309)313) = NZA 1987, 449 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung (zu B 2)).

III. Eine Gleichbehandlung mit fünf anderen Arbeitnehmern, denen die Bekl. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt hatte, obwohl sie weder zur Gruppe der Mitarbeiter im Außendienst noch zur Gruppe der leitenden Mitarbeiter im Innendienst gehören, ist nicht geboten.

1. Bei den Zusagen auf Leistungen an diese fünf Arbeitnehmer handelt es sich um Zusagen in besonderen Einzelfällen. Auf solche Einzelfälle können sich andere Arbeitnehmer zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen (vgl. BAGE 71, 29 (37) = NZA 1993, 215 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung (zu B I 2b (3)); BAG, NZA 1993, 171 = AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 80, 354 = NZA 1996, 829 = AP Nr. 134 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

2. Im übrigen hatte die Bekl. für die Bevorzugung einzelner Arbeitnehmer einleuchtende Gründe. Zwei Arbeitnehmern versprach die Bekl. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beim Umzug im Jahre 1954, um sich deren spezifische Fachkenntnisse weiter zu sichern. Ähnlich lag der Fall bei den Arbeitnehmerinnen, die die Bekl. wegen deren besonderer Erfahrungen auf dem Gebiet der Arzneimittelzulassung zum Abschluß eines Arbeitsvertrages gewinnen wollte. Die Zusage einer Unterstützung an denjenigen Arbeitnehmer, der einen monatlichen Betrag von 34 DM von einer Unterstützungskasse erhält, kommt ohnehin nicht in Betracht. Mit diesem Arbeitnehmer will die Kl. nicht gleichgestellt werden.

3. Soweit die Kl. erstmals in der Revisionsschrift behauptet, über die bisher im Rechtsstreit erörterten Fälle hinaus gebe es drei weitere Mitarbeiter im Innendienst, denen die Bekl. Leistungen der Altersversorgung versprochen habe, sind die Behauptungen unbeachtlich. Mit diesem Vorbringen kann die Kl. in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden (§ 561 ZPO).

IV. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, sich auf die Gründe für die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer zu berufen. Zwar muß er den Arbeitnehmern die nicht ohne weiteres erkennbaren Gründe für eine Ungleichbehandlung spätestens dann mitteilen, wenn ein von der Vergünstigung ausgeschlossener Arbeitnehmer Gleichbehandlung verlangt (BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 73, 343 = NZA 1994, 125 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Im vorliegenden Fall waren die Gründe für die Bevorzugung der Mitarbeiter im Außendienst und der Mitarbeiter in leitenden Stellungen im Innendienst für die Kl. von Anfang an ohne weiteres erkennbar. Das gilt sowohl für die Bevorzugung der leitenden Mitarbeiter im Innendienst als auch für die Begünstigung der Mitarbeiter im Außendienst. Wenn ein Unternehmen Mitarbeiter im Außendienst begünstigt, geschieht dies in der Regel nur wegen der besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie wegen der erwünschten Beständigkeit der persönlichen Kontakte zu Kunden des Unternehmens. Im übrigen hat die Bekl. die Gründe für die Zusagen an einzelne Arbeitnehmer in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem ArbG offengelegt. Das folgt aus dem Urteil des ArbG. Es hat sich mit den von der Bekl. vorgebrachten Gründen auseinandergesetzt.

Vorinstanzen

LAG Hessen, 8 Sa 2142/94, 24.07.1996

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BetrAVG § 1 Gleichbehandlung