Tatsächliche Vermutung für Darlehensgewährung - kurzfristige Liebesbeziehung

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

23. 10. 1997


Aktenzeichen

11 U 1279/96


Leitsatz des Gerichts

Von einer tatsächlichen Vermutung einer Darlehensgewährung kann ausgegangen werden, wenn bei einer noch jungen Beziehung ein Partner das überzogene Bankkonto des anderen ausgleicht und ein Vorgang der Schenkung nicht eindeutig nachgewiesen werden kann.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kl. - über die unstreitigen, derzeit noch nicht zur Rückzahlung fälligen 10000 DM gemäß Vereinbarung vom 20. 9. 1995 hinaus - Geldbeträge mindestens in Höhe von 22380 DM der Bekl. in einer zur Rückzahlung verpflichtenden Form zugewandt hat. Hierbei handelt es sich um die Einzahlung von 20000 DM auf das überzogene Geschäfts- und Privatkonto der Bekl. bei der Volksbank W. sowie die im Mai 1995 erfolgte Miet- und Gehaltszahlung in Höhe von insgesamt 2380 DM. Der Senat hat dahinstehen lassen, ob es sich insoweit um Darlehen handelte oder der Kl., was nach dem Sachverhalt ebenfalls denkbar ist, als Beauftragter oder Geschäftsführer ohne Auftrag für die Bekl. tätig wurde.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Denn ebenso wie ein Darlehen gem. § 607 BGB zurückzugewähren ist, sind die einem Beauftragten oder Geschäftsführer ohne Auftrag entstandenen notwendigen Aufwendungen gem. §§ 662 , 670 und 683 , 670 BGB zu ersetzen.

1. Der Ausgleich des überzogenen Kontos bei der Volksbank W. stellt keine unentgeltliche Zuwendung an die Bekl. dar. Zwar hat der Kl. nicht den Nachweis erbracht, daß es sich hierbei - wie von ihm behauptet - um ein Darlehen handelte. Jedoch besteht hierfür eine tatsächliche Vermutung, welche die Bekl. nicht zu entkräften vermochte. Allerdings hat grundsätzlich der auf Rückzahlung eines Darlehens Klagende zu beweisen, daß die Hingabe des Geldes als Darlehen erfolgt ist; dies gilt insbesondere, wenn der Bekl. - wie hier - das Vorliegen einer Schenkung behauptet (ganz h.M., vgl. Baumgärtel-Laumen, Hdb. d. Beweislast im PrivatR, 2. Aufl., § 607 Rdnr. 4 m.w. Nachw.). Auch besteht bei einer Kapitalüberlassung keine gesetzliche Vermutung für eine darlehensweise Hingabe (Baumgärtel-Laumen, § 607 Rdnr. 4 m.w. Nachw.). Dies schließt indes nicht aus, daß sich aus den Umständen des Einzelfalls Beweisanzeichen oder sogar eine tatsächliche Vermutung für ein Darlehen, insbesondere für eine durch schlüssiges Verhalten erklärte Darlehensvereinbarung ergeben. So ist es anerkannt, daß bei Tilgung von Geschäftsschulden unter Eheleuten eine tatsächliche Vermutung für den stillschweigenden Abschluß eines Darlehensvertrags spricht (Staudinger-Hopt, BGB, 12. Aufl., § 607 Rdnr. 52; Baumgärtel-Laumen, § 607 Rdnr. 6; OLG Schleswig, FamRZ 1988, 165 [166]; vgl. auch BGH, WM 1965, 920 [922]). Bei Verlobten soll auch die Begleichung persönlicher Verbindlichkeiten, die mit der beabsichtigten Eheschließung nicht in Zusammenhang stehen, als stillschweigende Darlehensgewährung anzusehen sein (Baumgärtel-Laumen, § 607 Rdnr. 7; LG Mannheim, Die Justiz 1963, 61). Umsomehr muß dies gelten, wenn jemand - wie hier - im Rahmen einer erst seit zwei Monaten bestehenden Liebesbeziehung das nicht unerheblich überzogene Privat- und Geschäftskonto des in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Partners ausgleicht. Dieser kann redlicherweise nicht davon ausgehen, daß eine solche Zuwendung auf Dauer bei ihm verbleiben soll. Vielmehr spricht alles dafür, daß ihm lediglich aus einer momentanen Notlage herausgeholfen und dies zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen werden soll. Dieser für eine Darlehensgewährung sprechende Grundsatz gilt gleichermaßen für die Abgrenzung einer Schenkung von einem Auftrag oder einer auftragslosen Geschäftsführung, weil die Interessenlage insoweit vergleichbar ist.

Die hiernach für eine Darlehensgewährung, Auftrag oder auftragslose Geschäftsführung sprechende tatsächliche Vermutung ist nicht widerlegt.

Allein die Tatsache, daß der Kl., obwohl als Bankangestellter in solchen Fragen geschult, sich von der Bekl. - anders als bei dem späteren Darlehen vom 20. 9. 1995 - keinen urkundlichen Nachweis hat unterschreiben lassen, genügt nicht, diese Vermutung zu entkräften. Es ist durchaus lebensnah, daß der Kl. der Bekl. zunächst vertraute und nicht durch das Verlangen nach einer schriftlichen Darlehensbestätigung eine atmosphärische Störung in die im Aufbau begriffene persönliche Beziehung hineintragen wollte. Auch die zugestandenermaßen großzügigen anderweitigen Geschenke besagen nicht, daß sämtliche Zuwendungen des Kl. an die Bekl. unentgeltlich sein sollten. Insoweit bedarf es daher keiner Vernehmung der von der Bekl. zu diesen Geschenken und den hierbei vom Kl. gemachten Äußerungen benannten Zeugen.

2. Daß die Miet- und Gehaltszahlung der Bekl. nicht schenkweise zugewandt war, folgt bereits daraus, daß auch die Bekl. selbst ausweislich ihrer Angaben bei der Parteivernehmung davon ausging, diese vom Kl. verauslagten Beträge an diesen zurückzahlen zu müssen.

Rechtsgebiete

Bürgschafts- und Darlehensrecht; Schenkungsrecht

Normen

BGB §§ 607, 662, 670, 683