Befreiung von Rundfunkgebühren für Zweitgerät

Gericht

VG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

10. 07. 1997


Aktenzeichen

4 K 4105/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Wird eine Klageschrift ohne Unterschrift per Telefax online vom PC übermittelt, so kann sie der Schriftformerfordernis genügen.

  2. Eine Rundfunkgebührenbefreiung für Zweitgeräte liegt nicht vor, wenn es sich um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft handelt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. wenden sich gegen die Heranziehung der Kl. zu 1 zu Rundfunkgebühren für ein Autoradio. Die Kl. leben unverheiratet mit ihren Kindern zusammen. Der Kl. zu 2 entrichtet Rundfunkgebühren an den Bekl. Bis Juni 1996 besaßen die Kl. einen Personenkraftwagen mit Hörfunkgerät (Autoradio), dessen Halterin die Kl. zu 1 war. Nachdem der Bekl. bei einer Kontrolle am 15. 1. 1996 die Existenz dieses Autoradios seit mindestens Januar 1993 festgestellt hatte, wurde die Kl. zu 1 nach Schriftverkehr mit dem Bekl. durch Gebührenbescheid des Bekl. vom 3. 6. 1996 zu Rundfunkgebühren für die Zeit von Januar 1993 bis Februar 1996 in Höhe von 313,50 DM herangezogen. Hiergegen erhob die Kl. zu 1 Widerspruch mit der schon im vorherigen Schriftverkehr angeführten Begründung, nichteheliche Lebensgemeinschaften seien „Vertragsehen“ gleichzustellen. Ihre Lebensgemeinschaft mit dem Kl. zu 2 und den beiden Kindern sei „keine kurze Liaison“, sondern eine „richtige vierköpfige Familie“.

Nach erfolglosem Vorverfahren ging am 15. 11. 1996 beim VG ein mit Namen und Anschrift der Kl. mit dem Zusatz „Familie“ überschriebenes Telefax vom 15. 11. 1996 ein, das als „Klage“ bezeichnet ist, in dem der Klagegegenstand als „Widerspruchsbescheid des Süddeutschen Rundfunk … vom 16. 10. 1996“ bezeichnet ist, das die Kennummer des Absendegeräts trägt und in dem die Klage entsprechend der Widerspruchsbegründung begründet wird. Das Telefax endet mit der Namensangabe der Kl. Am 10. 11. 1996 ging ein gleichlautendes Schreiben mit den Unterschriften der Kl. und dem Zusatz „Telefax vorab, Original per Post folgt“ auf dem Postweg beim VG ein.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage des Kl. zu 2 ist unzulässig. Da er nicht Adressat des angefochtenen Gebührenbescheides und somit auch nicht zu deren Entrichtung verpflichtet ist, kann er nicht geltend machen, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein (§§ 113 I 1, 42 II VwGO).

Die Klage der Kl. zu 1 ist dagegen zulässig. Ihre Zulässigkeit scheitert auch nicht an der fehlenden Schriftform (§ 81 I 1 VwGO). Zwar muß auch ein durch Telefax übermitteltes Schreiben regelmäßig unterschrieben sein (vgl. BVerwGE 77, 38 = NJW 1987, 2098), doch gilt dies nur für „normale“, als Kopie eines angefertigten Schriftstückes vom Absendegerät zum Empfangsgerät übermittelte Telefaxe. Wie die Kl. mit Schreiben vom 2. 6. 1997 mitgeteilt haben, erfolgte aber die Übermittlung des Telefax vom 15. 11. 1996 online vom PC. In diesem Fall ist - ebenso wie bei Klageerhebung durch Btx-Mitteilung (dazu BVerwG, NJW 1995, 2121) - die eigenhändige Unterschrift nicht erforderlich, weil deren Beifügung bei diesem Übertragungsverfahren nur in der Form technisch möglich ist, daß die Unterschrift mittels eines Scanners in den PC eingegeben und mittels Funktionstaste in die Datei eingegeben wird. Daher genügt es bei diesem Übertragungsverfahren, daß aus den Umständen zweifelsfrei darauf geschlossen werden kann, daß das Telefax mit Wissen und Wollen der Absender gezielt in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. BSG, NJW 1997, 1254). Dies ist hier durch den Eingang kurz vor Ablauf der Klagefrist, die Angabe von Namen und Anschrift der Kl., der Bezeichnung des Bekl. und des Klageziels, der nochmaligen Namensangabe der Kl. am Ende des Telefax und der Kennung des Absendegerätes der Fall (vgl. BSG, NJW 1997, 1254, und BVerwG, NJW 1995, 2121, zu vergleichbaren ausreichenden Umständen).

Die Klage der Kl. zu 1 ist aber unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt sie daher nicht in ihren Rechten (§ 113 I 1 VwGO).

Es ist in der Rechtsprechung des VGH Mannheim (Beschl. v. 4. 8. 1994 - 2 S 919-94; ebenso schon VG Stuttgart, Urt. v. 27. 1. 1994 - 16 K 2798-93, das der Entscheidung des VGH Mannheim zugrunde liegt) erklärt, daß ein Zusammenleben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft nicht die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 5 I 1 Nr. 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RfgebStV) erfüllt. Diese Auffassung wird neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift damit begründet, daß der Gesetzgeber es zum Ausdruck gebracht hätte, wenn er die Zweitgerätefreiheit auch auf den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft hätte ausdehnen wollen, weil bei der Unterzeichnung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages das Phänomen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bekannt war, und daß eine solche Regelung auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Denn eine Gleichbehandlung von Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Ehegatten gebietet namentlich der allgemeine Gleichheitssatz nicht (vgl. BVerwGE 72, 1 = NJW 1986, 738). Denn der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit an die eigenverantwortliche Entscheidung von Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, (noch) keine Ehe miteinander eingehen zu wollen, subventionsrechtlich - also auch hier bei der Einräumung von Vergünstigungen - andere Folgen knüpfen als an eine Ehe mit ihren bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft fehlenden Rechten und Pflichten der Ehegatten (BVerwGE 72, 1 = NJW 1986,738, und VGH Mannheim, Beschl. v. 4. 8. 1994 - 2 S 919-94).

Diese überzeugend begründete Rechtsauffassung macht sich das erkennende Gericht aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu eigen. Die von der Kl. zu 1 dagegen angeführten Argumente verfangen nicht. Vorliegend geht es darum, ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, gebührenrechtliche Vorteile, die er Ehegatten einräumt, auch Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften (mögen sie auch Kinder haben) einzuräumen. Bei dem von den Kl. angeführten Erziehungsgeld geht es demgegenüber darum, nicht miteinander verheirateten Eltern, die gegenüber ihren Kindern unterhaltspflichtig sind, keine Vorteile gegenüber Ehegatten zu verschaffen. Das sind miteinander nicht vergleichbare Problemkreise.

Ob der Kl. zu 2 die Kl. zu 1 und die gemeinsamen Kinder überwiegend unterhält (worüber auch Schriftverkehr zwischen den Bet. stattfand), ist für die Entscheidung unerheblich. Dies kann allenfalls nach § 5 I 2 RfgebStV relevant werden. Hiernach besteht eine Rundfunkgebührenpflicht im Rahmen des Satzes 1 für Zweitgeräte auch dann nicht, wenn sie von Personen zum Empfang bereit gehalten werden, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben und deren Einkommen den einfachen Sozialhilferegelsatz nicht übersteigt. Daß letzteres bei der Kl. zu 1 der Fall sei, hat sie nicht behauptet, obwohl sie durch Schreiben des Bekl. vom 23. 7. 1996 hierauf hingewiesen wurde, das sie nach ihrem Schreiben vom 13. 10. 1996 auch erhalten hat.

Rechtsgebiete

Verwaltungsrecht

Normen

GG Art. 3 I; VwGO § 81; RfgebStV § 5 I