Mithörender als Zeuge nicht zugelassen

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

02. 10. 2003


Aktenzeichen

6 U 74/03


Leitsatz des Gerichts

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (hier: Recht am gesprochenen Wort) schützt eine Prozesspartei auch davor, dass die andere Prozesspartei ohne Kenntnis der Gegenseite einen Dritten dadurch in ein Telefongespräch mit einbezieht, dass diesem nur das Mithören der von ihr geäußerten Worte ermöglicht wird. Schon in diesem Fall wird der einen Prozesspartei die Möglichkeit genommen, sich im Hinblick auf die eigenen Kommunikationsinteressen situationsangemessen zu verhalten.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Vergütung von Frachtleistungen. Die Frachtleistungen erbrachte die Klägerin für die X. Int. Transport GmbH (im Folgenden X.-GmbH), deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin die Beklagte war. Die X.-GmbH meldete im Juni 2002 Insolvenz an.

Die Parteien streiten allein darum, ob die Beklagte im Rahmen eines Telefonats mit dem Geschäftsführer der Klägerin am 14.1.2002 die persönliche Haftung für Frachtansprüche der Klägerin übernommen hat. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Beweisaufnahme eine Schuldmitübernahme durch die Beklagte nicht bewiesen habe.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I.1. ...

Nach der durchgeführten Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin sowie der Beklagten ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagte ein solches Garantieversprechen abgegeben hat. Als Ergebnis der persönlichen Anhörung steht fest, dass der Geschäftsführer der Klägerin vor dem Hintergrund der ihm bekannt gewordenen Schwierigkeiten der X.-GmbH die Beklagte angerufen und mit der Einstellung der Transporte gedroht hat. Daraufhin hat die Beklagte ihm ggü. erklärt, dass sie sich für die Frachten persönlich verbürge, er sich keine Sorgen machen müsse und sie ihren „Kopf” dafür hinhalte, dass die Forderungen der Beklagten bezahlt werden. Die Annahme dieses Garantieversprechens liegt spätestens in der Weiterleistung der Klägerin.

Von den eben geschilderten Zusagen der Beklagten ist der Senat einmal aufgrund der glaubhaften Aussage des Geschäftsführers der Klägerin überzeugt. Denn auch die Beklagte hat eingeräumt, dass am 14.1.2002 unstr. ein Telefongespräch vor dem Hintergrund der Drohung der Klägerin stattgefunden hat, sie werde ihre Leistungen für die X.-GmbH einstellen, wenn die Beklagten nicht selbst die Zahlungen der Frachten garantiere. Soweit die Beklagte angegeben hat, sie habe ggü. dem Geschäftsführer der Klägerin lediglich zum Ausdruck gebracht, sie werde sich für den Ausgleich der Forderungen der Klägerin durch die X.-GmbH einsetzen, überzeugt dies in keiner Weise. Bereits der wirtschaftliche Hintergrund spricht für die Angaben des Geschäftsführers der Klägerin. So war er bereits in einem anderen Fall mit hohen Forderungen ausgefallen, weil ein ehemaliger Geschäftspartner, ebenfalls eine GmbH, Insolvenz anmelden musste. Es erscheint plausibel, dass sich der Geschäftsführer der Klägerin in diesem Fall durch eine persönliche Garantie der Beklagten absichern wollte, zumal er davon ausging, dass diese aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie stammt. Plausibel belegt ist der Inhalt des Gesprächs zudem durch die seitens des Geschäftsführers der Klägerin zeitnah gefertigte Telefonnotiz vom 14.1.2002, die von allen Parteien im Termin der mündlichen Verhandlung eingesehen wurde. Der Senat ist auch deshalb von dem Inhalt des Telefongesprächs vom 14.1.2002, wie ihn der Geschäftsführer der Klägerin geschildert hat, überzeugt, weil die Beklagte das Telefax des Geschäftsführers der Klägerin vom 16.1.2002 (Anl. K 2) widerspruchslos hingenommen hat. Denn bereits in diesem Telefax schildert der Geschäftsführer der Klägerin den Inhalt des geführten Telefonats dahin, die Beklagte habe sich „verbürgt”. Es erscheint dem Senat in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Beklagte, die als Gesellschafterin und Geschäftsführerin bedeutender Unternehmen tätig war, diesem Schreiben nicht widersprochen hätte, wenn der dort geschilderte Inhalt nicht zutreffend gewesen wäre. Schließlich spricht das damalige wirtschaftliche Umfeld für die Angaben des Geschäftsführers der Klägerin. Demnach war die Beklagte seinerzeit bemüht, im internationalen Raum Gesellschafter u.a. für die X.-GmbH zu finden. Es ist nachvollziehbar, dass eine Einstellung der Leistungen der Klägerin diese Bemühungen seinerzeit zumindest beeinträchtigt hätte, so dass die Beklagte auch ein starkes eigenes Interesse daran hatte, weitere Leistungen der Klägerin für die X.-GmbH sicherzustellen.

2. Auf der Grundlage des Garantieversprechens ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin das positive Interesse zu leisten (so BGH v. 18.6.2001 – II ZR 248/99, ...).

Dies sind die unstr. Frachten i.H.v. 34.811,14 Euro. ...

3. Soweit der Beklagtenvertreter im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seinen Beweisantritt aus dem Schriftsatz vom 20.1.2003 aufrechterhalten hat, ist dem nicht nachzugehen. Denn vor dem Hintergrund der Rspr. des BVerfG wäre eine Verwertung dieser Zeugenaussage ebenso unzulässig, wie die Verwertung der Aussage des Zeugen G. durch das LG unzulässig war. Denn nach der Rspr. des BVerfG umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch den Schutz davor, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des anderen eine dritte Person als Zuhörer in das Gespräch mit einbezieht oder die unmittelbare Kommunikationsteilhabe durch den Dritten gestattet (so BVerfG v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, NJW 2002, 3619; ebenso BGH NJW 2003, 1727).

Hiervon werden nicht nur die Fälle erfasst, in denen der andere Kommunikationspartner auf seiner Seite eine dritte Person sowohl die eigenen Worte als auch die der anderen Seite mithören lässt. Vielmehr ist der Dritte schon dann in einer das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzenden Weise in das Gespräch als Zuhörer mit einbezogen, wenn er nur auf einer Seite die von dieser Seite gesprochenen Worte wahrnehmen kann, ohne das hierfür die Erlaubnis der anderen Seite vorliegt. Denn auch in diesem Fall nimmt der Dritte Kommunikationsinhalte unmittelbar wahr, ohne dass sich der Kommunikationspartner auf der anderen Seite angemessen verhalten und insb. dafür sorgen kann, seinerseits Beweismittel zu erlangen (hierzu BVerfG v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, NJW 2002, 3619, unter II 1 a.E.). ...

Vorinstanzen

LG Hamburg, 321 O 306/02, 27.2.2003

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht

Normen

GG Art. 2 Abs. 1; ZPO § 286