Darlegungs- und Beweislast bei Telefonrechnung

Gericht

LG Ulm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 01. 1999


Aktenzeichen

1 S 244/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Aufgrund seiner überlegenen Sachkunde hat ein Teledienstunternehmen (§ 2 Nr. 6 Verordnung über den Datenschutz für Unternehmen, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen - UDSV) den Kunden bei Abschluß eines Vertrags über Telekommunikationsverbindungen deutlich darauf hinzuweisen, daß ihm wegen § 6 IV UDSV Beweisnachteile bei Streitigkeiten über Telefonrechnungen entstehen können, wenn der Kunde die sofortige Löschung seiner Daten mit Übersendung der Entgeltrechnung gem. § 6 II Nr. 1a UDSV verlangt.

  2. Im Streit um die Richtigkeit einer Telefonrechnung entbindet § 6 IV UDSV das Unternehmen jedoch nicht von der Darlegungs- und Beweispflicht dafür, daß die von ihm verwendete automatische Gebührenerfassung verläßlich arbeitet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Richtigkeit einer Entgeltrechnung im Rahmen eines am 30. 5. 1995 abgeschlossenen Telefondienstvertrags. Im Telefondienstvertrag bestand für den Kunden die Möglichkeit, gemäß den Alternativen des § 6 II Nr. 1a - c UDSV zu wählen, ob spätestens mit Versendung der Entgeltrechnung die Verbindungsdaten vollständig gelöscht, unter Verkürzung der Zielrufnummer um die letzten drei Ziffern gespeichert oder vollständig gespeichert werden sollten. Der Kunde wählte im Antrag auf Abschluß des Vertrags durch Anbringen eines Kreuzchens im Antragsformular die Alternative vollständige Löschung sofort nach Rechnungsversand. Bei Abschluß des Vertrags wurde der Kunde nicht über die beweisrechtlichen Auswirkungen der drei unterschiedlich wählbaren Varianten aufgeklärt.

Klage und Berufung der Kl. hatten keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Kl. hat keinen Anspruch auf die Verbindungsentgelte aus den streitgegenständlichen Rechnungen vom 18. 9. 1998 und 17. 10. 1998. Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (vgl. LG München I, NJW-RR 1996, 893) können einem Telefonkunden Beweisnachteile entstehen, wenn er bei Abschluß eines Vertrags über Telekommunikationsdienstleistungen verlangt, daß seine Daten, die insbesondere auch Beginn und Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und Uhrzeit betreffen (vgl. § 5 I Nr. 2 UDSV), gelöscht werden. Nach dem klaren Wortlaut von § 6 IV UDSV ist ein Unternehmen, das Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, von der Pflicht zur Vorlage dieser Daten zu Beweiszwecken für die Richtigkeit der Entgeltrechnung frei, wenn der Kunde wünscht, daß die Daten spätestens mit Versendung der Rechnung gelöscht werden. Insoweit weicht § 6 IV UDSV eindeutig und unmißverständlich von dem tragenden Gesichtspunkt der Zivilprozeßordnung ab, daß derjenige, der einen Anspruch geltend macht, diesen auch zu beweisen hat. Wählt der Kunde bei Abschluß des Vertrags die Alternative der vollständigen Löschung seiner personenbezogenen Daten mit Versendung der Entgeltrechnung gem. § 6 II Nr. 1a UDSV, kann das Unternehmen die vom Kunden getätigten Verbindungen nicht näher konkretisieren und darlegen, da diese Verbindungsdaten gelöscht sind. § 6 II Nr. 1a-c UDSV verpflichtet das Unternehmen, den Kunden unter den dort genannten Alternativen wählen zu lassen. Wählt der Kunde die Alternative der sofortigen Löschung spätestens mit Versendung der Rechnung, darf ein Telekommunikationsunternehmen die Verbindungsdaten nicht weiter speichern.

Lediglich wenn Anhaltspunkte für Störungen und Mißbrauch von Telekommunikationseinrichtungen bestehen, erlaubt § 7 UDSV die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Verbindungsdaten zur Aufdeckung eines strafbaren Mißbrauchs von Fernmeldeanlagen bzw. der mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Telekommunikationsdienstleistungen.

Vorliegend streiten die Parteien über Verbindungsentgelte vom 11. 8. 1997 bis zum 9. 9. 1997 aus der Rechnung vom 18. 9. 1997. Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Inanspruchnahme während der bisherigen Vertragsdauer bestanden für die Kl. nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht. Damit war der Kl. auch versagt, die Verbindungsdaten weiter zu speichern.

§ 6 IV UDSV entbindet das Telekommunikationsunternehmen aber nicht im Streit um die Richtigkeit von Telefonrechnungen, substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß es über Aufzeichnungsvorrichtungen verfügt, nach denen die automatische Gebührenerfassung richtig arbeitet. Für einen Dienstanbieter im Rahmen der Mobilfunknetze gibt es nach der Rechtsprechung keinen Anscheinsbeweis dafür, daß dessen automatische Gebühreneinrichtung richtig arbeitet und damit die Gebührenforderungen richtig sind (vgl. LG Berlin, NJW-RR 1996, 895). Entgegen der Ansicht der Kl. gibt es nach der Rechtsprechung zudem keinen Anscheinsbeweis für die Richtigkeit einer gestellten Telefonrechnung. In der Rechtsprechung wird lediglich ein Anscheinsbeweis für die Richtigkeit auf technischen Aufzeichnungen beruhender Telefonrechnungen der Telekom für das normale Telefonnetz bejaht, sofern nicht im Einzelfall ein atypischer Geschehensablauf vorliegt (vgl. OLG Celle, NJW-RR 1997, 568; LG Wuppertal, NJW-RR 1997, 701; LG Weiden, NJW-RR 1995, 1278; LG Essen, NJW 1994, 2365; LG Aachen, NJW 1995, 2364). Offen ist die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang sich auch Dienstanbieter für Mobilfunknetze auf einen solchen Anscheinsbeweis berufen können und nach welchen Kriterien sich die Annahme eines feststehenden typischen Geschehensablaufs bejahendenfalls richtet. Dazu gibt es noch keine gesicherte Rechtsprechung (vgl. OLG Celle, NJW-RR 1997, 568).

Aber auch wenn die Kl. nachweisen könnte, daß die von ihr verwendeten Aufzeichnungsgeräte zur Ermittlung der Verbindungsentgelte ordnungsgemäß arbeiten, kann sie mit ihrer Berufung im Ergebnis nicht durchdringen. Nach Auffassung der Kammer hat der Dienstanbieter über Telekommunikationseinrichtungen beim Vertragsschluß eine deutliche Hinweispflicht, die hier verletzt wurde. Der Dienstanbieter muß den Kunden, der die Wahl zur vollständigen Löschung seiner Verbindungsdaten gem. § 6 II Nr. 1a, IV UDSV beabsichtigt, deutlich und vor Vertragsschluß davor warnen, daß ihm Beweisnachteile bei Streitigkeiten über die Telefonrechnungen entstehen können.

Eine solche Hinweispflicht ergibt sich bereits aus der überlegenen Sachkunde des Dienstanbieters gegenüber dem Kunden. Dem Kunden wird in aller Regel nicht bekannt sein, daß für ihn beim Streit über die Telefonrechnungen - bei Wahl dieser Alternative - Beweisnachteile entstehen können. Zur Ausübung des freien Wahlrechts des Kunden ist deshalb unabdinglich über die beweisrechtlich möglichen Folgen ausreichend aufzuklären.

Wird der Kunde im Antrag darüber nicht belehrt, liegt nach Auffassung der Kammer kein „Verlangen“ des Kunden gem. § 6 IV UDSV vor. Im übrigen kann eine solche Hinweispflicht des Unternehmens auch aus den vertraglichen Nebenpflichten hergeleitet werden. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, daß der Kunde unaufgefordert über die entscheidungserheblichen Umstände, die dem Vertragspartner aufgrund seiner Sachkunde bekannt sind, zu informieren ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl. [1998], § 276 Rdnr. 119, § 242 Rdnr. 37).

Vorliegend wurde der Bekl. im Antragsformular nicht deutlich darüber belehrt, daß ihm Beweisnachteile bei Streitigkeiten über die Telefonrechnungen entstehen können. Die Kl. kann sich deshalb nicht darauf berufen, daß sie nicht zur näheren Substantiierung ihrer Telefonrechnung in der Lage ist, da die Daten gelöscht sind. Damit bleibt die Kl., selbst wenn sie beweisen würde, daß ihre technischen Aufzeichnungsgeräte richtig und korrekt arbeiten, beweisfällig.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht; Datenschutzrecht

Normen

UDSV § 6 IV; ZPO § 286