Gästebuch eines Rechtsanwalts im Internet

Gericht

OLG Nürnberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

23. 03. 1999


Aktenzeichen

3 U 3977/98


Leitsatz des Gerichts

Die Einrichtung eines Gästebuchs innerhalb der Internet-Homepage eines Rechtsanwalts stellt eine unerlaubte Werbung i.S. von § 43b BRAO dar, wenn es für beliebige, also auch auf die berufliche Tätigkeit des Anwalts bezogene Äußerungen von „Besuchern„ benutzt werden kann.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Rechtsanwälte, deren Kanzleien ihren Sitz im Bezirk des LG Nürnberg-Fürth haben. Die Kl. nehmen den Bekl. wegen unzulässiger Werbung auf Unterlassung in Anspruch. Der Bekl. präsentierte seine Kanzlei über eine Homepage im Internet. Bis zum 16. 6. 1998 bestand diese Homepage aus ca. 150 Dateien, zu der auch ein sogenanntes Gästebuch gehörte. Innerhalb dieses „Gästebuchs„ befand sich ein Eingabefeld, das auch nach Auffassung des Bekl. die Funktion hatte, von Internet-Benutzern für allgemeine Mitteilungen wie z.B. „für Lob und Kritik hinsichtlich der inhaltlichen und formalen Gestaltung der Homepage„ benutzt zu werden. Entsprechend der Funktion des Internets stand jedem Internet-Nutzer das Eingabefeld zur Benutzung frei, sei es zur Eintragung oder zum Abrufen, also zum Lesen solcher Eintragungen. Wegen der Einrichtung der Hompage kam es zu drei einstweiligen Verfügungen gegen den Bekl., der im Hinblick darauf seine komplette Internet-Präsentation mit Ausnahme einer Seite aus dem Internet entfernte. In ihr führte er aus, daß die Homepage „vorläufig bis zu rechtskräftigen Entscheidungen der Gerichte vollständig aus dem Netz„ genommen werde.

Die Kl. haben wegen des „Gästebuchs„ gegen den Bekl. am 18. 2. 1998 eine Beschlußverfügung des LG Nürnberg-Fürth erwirkt, in der dem Bekl. untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet in Verbindung mit der Präsentation seiner Person als Rechtsanwalt und seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt ein Gästebuch zu führen. Diese Beschlußverfügung hat das LG Nürnberg-Fürth mit Endurteil vom 20. 5. 1998 (NJW 1999, 1409) bestätigt. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Bekl. vor dem OLG Nürnberg in der Sitzung vom 20. 10. 1998 zurückgenommen. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verfolgen die Kl. ihren Unterlassungsanspruch weiter. Mit Endurteil vom 21. 10. 1998 hat das LG Nürnberg-Fürth den Bekl. antragsgemäß verurteilt.

Gegen dieses Endurteil hat der Bekl. Berufung eingelegt, die jedoch erfolglos blieb.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

. . . Das LG hat zu Recht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zugesprochen. Zur Vermeidung von Wiederholungen schließt sich der Senat den hierfür gegebenen Begründungen des LG an. Sie werden durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet. Dieses gibt allenfalls zu folgenden ergänzenden Erwägungen Anlaß:

Das Unterhalten einer Homepage mit ca. 150 Dateien stellt Werbung i.S. von § 43b BRAO dar, was auch der Bekl. nicht verkennt. Diese Situation ist nicht vergleichbar mit einer nicht hervorgehobenen Eintragung in ein Telefon- oder Faxverzeichnis, für die die Voraussetzungen einer werbenden Maßnahme abgelehnt werden mögen (Henssler-Prütting, BRAO, 1997, § 43b Rdnrn. 18f.). Die Homepage ist vielmehr darauf angelegt, umfassend das Leistungsangebot des Bekl. und seine Leistungsfähigkeit darzustellen. Sie bedient sich damit reklamehafter Anpreisung (vgl. hierzu Hartung-Holl, Anwaltliche BerufsO, 1997, § 6 Rdnr. 150) und ist objektiv geeignet, Internet-Nutzer zu beeinflußen, die Leistungen des Bekl. als Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Da die Frage nach dem Vorliegen „Werbung„ nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist, ist nur auf die objektive Wirkung der Homepage abzustellen und nicht darauf, welche Vorstellungen bzw. Absichten der Bekl. mit der Installierung der Homepage verbindet (vgl. BGH, NJW 1992, 45; Henssler-Prütting, § 43b Rdnrn. 18f.; Feuerich-Braun, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rdnr. 4).

Das Gästebuch ist Teil der Homepage. Zwar mag sie bis zu ihrer Nutzung durch einen „Gast„ als elektronisches Medium „inhaltslos„ sein, wie der Bekl. meint. Sie wird aber durch die Eintragungen im Eingabefeld und durch das Abrufen der Eintragungen im Eingabefeld mit Inhalten gefüllt, was schließlich auch den alleinigen Sinn und Zweck des Vorhaltens eines Gästebuchs durch den Bekl. darstellt. Damit ist das Gästebuch Teil der Werbung, wie sie von der Einrichtung einer Home-page ausgeht.

Das Gästebuch hat auch nach der Vorstellungen des Bekl. die Aufgabe, ein Forum für allgemeine Mitteilungen jedem beliebigen Dritten, der über einen Internet-Anschluß verfügt, zu bieten. Dabei versteht sich von selbst, daß sich Lob und Kritik, wie sie auch vom Bekl. erwartet werden, nicht nur auf die inhaltliche und formale Gestaltung der Homepage beziehen werden. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, daß entsprechend den Gepflogenheiten von Gästen im Umgang mit den althergebrachten, also nicht der virtuellen, sondern der realen Gästebücher, z.B. in Hotels, Lob und Kritik an der beruflichen Leistung des Gästebuch-„Auflegers„, vorliegend eines Rechtsanwalts, geübt wird, wobei in der Regel das erwartete Lob im Vordergrund stehen wird. Die Äußerungen der Gästebuch-Nutzer macht sich der Bekl. durch das von ihm veranlaßte Vorhalten des Gästebuchs zu eigen und verschafft durch die Anwendungsmöglichkeiten des Internets einem beliebig großen Interessentenkreis den Zugang zu ihnen. Das Gästebuch eröffnet somit die Möglichkeit, anerkennende Äußerungen auch und gerade über die berufliche Tätigkeit des Bekl. zu verbreiten. Damit sind die Grenzen einer nach Form und Inhalt sachlichen Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit eines Anwalts überschritten, ohne daß es darauf ankäme, welcher Wahrheitsgehalt den jeweiligen Äußerungen zukommt (vgl. Baumbach-Hefermehl, WettbewerbsR, 20. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 84). Damit stellt das Vorhalten des Gästebuchs unerlaubte Werbung i.S. von § 43b BRAO dar. Sie ist dem Bekl. gem. § 1 UWG zu untersagen (vgl. Baumbach-Hefermehl, § 1 UWG Rdnr. 682a).

Diese Wertung hat, was der Bekl. ausweislich seiner Äußerungen im Termin vor dem Senat noch immer nicht erkennt, nichts mit der Frage zu tun, ob Rechtsanwälten der Zugang zum Internet gestattet sei. Auch wenn die Wirkung von Werbung je nach gewähltem Medium unterschiedlich sein mag, ist die Beurteilung der Berufswidrigkeit einer Werbung nicht von dem benutzten Medium abhängig. So bedarf es nach Auffassung des Senats keiner Erörterung, daß - natürlich - der Anwaltschaft der Anschluß an das erst in den letzten Jahren etablierte Medium „Internet„ gestattet ist (ebenso Koch, AnwBl 1997, 421; vgl. auch Henssler-Prütting, § 43b Rdnr. 36). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß damit jegliche Gestaltung der Homepages der Prüfung nach ihrer standesrechtlichen Zulässigkeit entzogen wäre. Denn die Zulassung eines bestimmten Mediums als Träger für eine Werbung sagt nichts darüber aus, ob die in diesem Medium konkret betriebene Werbung gegen § 43b BRAO verstößt.

Der Bekl. kann nicht damit gehört werden, daß er nicht in Anspruch genommen werden könne, weil der Inhalt der ins Gästebuch „geschriebenen„ Äußerungen nicht von ihm beeinflußt werden könne. Zwar kann vom Grundsatz her einem Anwalt nicht abverlangt werden, daß er positive Äußerungen Dritter über seine berufliche Leistungen unterbindet, insbesondere dann nicht, wenn diese ohne sein Zutun und ohne sein Wissen erfolgen (Henssler-Prütting, § 43b, Rdnr. 51; Hartung-Holl, § 6 Rdnr. 148). Dies wäre schon tatsächlich kaum erreichbar. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Rechtsanwalt an dem Zustandekommen solcher werbenden Äußerungen mitwirkt. Gemäß § 6 IV BO darf er nicht daran mitwirken, daß Dritte für ihn Werbung betreiben, die ihm selbst verboten wäre. Er selbst dürfte im Hinblick auf § 43b BRAO seine beruflichen Leistungen nicht lobend herausstellen. Dadurch aber, daß er ein Gästebuch zur Verfügung stellt, wirkt er daran mit, daß Dritte für ihn in unerlaubter Weise Werbung betreiben. Auf den Umstand, daß er auf den jeweiligen Inhalt keinen Einfluß nimmt, kommt es somit nicht an. Das Bereitstellen des Diskussionsforums „Gästebuch„ stellt eine Mitwirkungshandlung nach § 6 IV BO dar. Vom LG ist Begehungsgefahr zu Recht angenommen worden, zumal der Bekl. ausweislich seiner jetzt noch eingerichteten Web-Seite die in Angriff genommene Gestaltung seiner Homepage nur vorläufig, nämlich bis zum Abschluß der gerichtlichen Auseinandersetzungen aus dem Netz genommen hat.

Soweit der Bekl. mit seiner Berufung einwendet, daß das LG nicht hinreichend berücksichtigt habe, daß er die Benutzer des Gästebuchs auffordere, keine Einträge vorzunehmen, die mehr als einen Namensbestandteil enthalten oder mit E-mail-Homepage-Adressen versehen sind, so bezieht sich dies auf den klägerischen Vorwurf, wonach das Gästebuch auch eine Werbung um Erteilung eines Auftrags im Einzelfall darstelle. Diese Auffassung hat jedoch das LG nicht geteilt und entsprechend hierauf seine Verurteilung auch nicht gestützt. Der Einwand ist damit zu Unrecht erhoben.

Dies gilt auch für das Berufungsvorbringen, daß das LG nicht auf europäische Standesregeln eingegangen wäre. Europäische Standesrichtlinien, die § 43b BRAO, also innerstaatlich gesetztem Recht, vorgingen, existieren nicht. Sie werden auch vom Bekl. nicht benannt. Zudem hat der Streitfall keinen europarechtlichen Bezug.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

BRAO § 43b; UWG § 1