Gefahrerhöhung für Gebäude durch Gasexplosionsandrohung eines eifersüchtigen Ehemanns

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

27. 01. 1999


Aktenzeichen

IV ZR 315/97


Leitsatz des Gerichts

Droht der Ehemann der Versicherungsnehmerin eines Hauses aufgrund von Ehestreitigkeiten damit, sich mitsamt des Gebäudes in die Luft zu sprengen, so ist von einer Drohung von kurzer Dauer auszugehen. In diesem Falle muss der Versicherung keine Gefahrerhöhung gemeldet werden, solange die Ehefrau die Drohung nicht tatsächlich ernst nimmt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. macht Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung geltend, die sie bei der Bekl. genommen hat. Am 29. 8. 1995 hat sich ihr Ehemann durch eine Gasexplosion getötet, bei der das Einfamilienhaus der Kl. zerstört wurde. Ihr Ehemann bewohnte das Haus allein. Sie lebte seit dem 6. 1. 1995 von ihrem Ehemann getrennt. Am 2. 2. 1995 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Ehemann der Kl. und deren neuem Lebensgefährten. Dabei drohte der Ehemann, er werde sich und die Kl. mit dem Haus in die Luft sprengen. Er hat danach zwei Selbsttötungsversuche unternommen, indem er mit dem Pkw gegen einen Telefonmast fuhr und ein anderes Mal Tabletten einnahm. Die Kl. verlangt Zahlung von 395000 DM sowie 11850 DM Aufräumkosten und 9480 DM Mietausfall jeweils nebst Zinsen. Die Bekl. hält sich für leistungsfrei, weil die Kl. eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb erfolglos. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das BerGer. geht davon aus, daß in der Drohung des Ehemanns der Kl., das Haus in die Luft zu sprengen, eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung gelegen hatte. Zur notwendigen Kenntnis des Anzeigepflichtigen führt das BerGer. aus:

Daß die Kl. zuverlässige Kenntnis von der auch ernst zu nehmenden Drohung ihres Ehemanns erlangt habe, ergebe sich aus ihrer polizeilichen Vernehmung vom 30. 8. 1995, deren wesentlicher Inhalt aus dem Tatbestand ersichtlich sei. Im Tatbestand des Berufungsurteils heißt es, die Kl. habe angegeben: „Im Januar oder Februar dieses Jahres unternahm mein Ehemann bereits schon einen Suizidversuch. Soweit ich mich derzeit noch daran erinnern kann, nahm mich mein Mann in den Abendstunden an die Hand und wollte mich mit ins Haus nehmen. Mein Ehemann wollte uns gemeinsam mittels zweier Propangasflaschen und des Gasherds in die Luft sprengen. Er stellte mich vor die Alternative, daß ich mich entweder von meinem Lebensgefährten trenne und zu ihm zurückkomme oder er jagt uns in die Luft.“

Diese Ausführungen des BerGer. tragen seine Feststellung nicht, es habe eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung vorgelegen und die Kl. habe Kenntnis von ihr gehabt.

2. Richtig ist der rechtliche Ausgangspunkt des BerGer. Nach § 27 II VVG hat der Versicherungsnehmer eine von seinem Willen unabhängig eingetretene Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, sobald er von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt.

a) Die Annahme, es habe eine Gefahrerhöhung vorgelegen, setzt einen Gefährdungsvorgang voraus, der einen neuen Zustand erhöhter Gefahr schafft, wobei dieser mindestens von der Dauer sein muß, daß er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (BGHZ 7, 311 [317] = NJW 1952, 1291 = LM § 23 VVG Nr. 4; vgl. auch Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 23 Rdnr. 11 m.w. Nachw. zur Rspr.). Hierzu stellt das BerGer. nur fest, die Drohung des Ehemanns der Kl., das versicherte Gebäude in die Luft zu sprengen, beinhalte eine Gefahrerhöhung. Das reicht aber nicht aus. Es ist nicht selbstverständlich, daß die Drohung des Ehemanns einen neuen Zustand erhöhter Gefahr für das Gebäude geschaffen hat. Die Drohung richtete sich primär gegen die Ehefrau. Ob es dem Ehemann in diesem Zusammenhang auch darauf ankam, das Gebäude zu zerstören, ist nicht sicher. Aus der vom BerGer. in Bezug genommenen Aussage der Kl. vor der Polizei vom 30. 8. 1995 ergibt sich, daß der Ehemann später, im März oder April mit seinem Pkw und im August 1995 mit Tabletten Selbsttötungsversuche unternommen hatte, die Sprengung des Gebäudes als Mittel der Selbsttötung also keine Rolle spielte. Zumindest ergeben sich daraus auch Zweifel, ob eine etwa erhöhte Gefahr für das Gebäude von so langer Dauer war, daß sie einen neuen Gefahrverlauf bildete. Der Anlaß des Streits, auf den sich die Aussage der Kl. vor der Polizei bezieht, deutet eher auf eine nur kurze Dauer. Die tätliche Auseinandersetzung fand zwischen dem Ehemann der Kl. und deren neuem Lebensgefährten statt. Es kam zu Körperverletzungen. Eine aus diesem Anlaß geäußerte Drohung, sich und die Kl. mit dem Haus in die Luft zu sprengen, dürfte, jedenfalls soweit sich daraus eine Gefahr für das Haus ergeben sollte, im allgemeinen nur von vorübergehender Natur sein.

b) Auch für die von § 27 II VVG geforderte Kenntnis des Versicherungsnehmers fehlt es an hinreichenden Feststellungen. Dabei ist positive Kenntnis erforderlich; Kennenmüssen reicht nicht aus (vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, § 23 Rdnr. 43 m.w. Nachw.). Steht schon der objektive Tatbestand einer länger andauernden Gefahrerhöhung für das Gebäude nicht fest - wie o. ausgeführt wurde -, fehlt es auch an hinreichenden äußeren Tatsachen, die den Schluß auf die innere Tatsache der Kenntnis zulassen. Vor allem ist nicht festgestellt, ob die Kl. aus ihrer Sicht die Drohung ihres Ehemanns nicht als nur einmalig aufgefaßt hat. Dann aber hatte sie keine Kenntnis von einer etwaigen länger andauernden Gefahrerhöhung. Denn eine solche brauchte sie nicht anzunehmen, nachdem sie dem Verlangen ihres Ehemanns, sich von ihrem Lebensgefährten zu trennen, nicht nachgab, und ihr Ehemann unmittelbar danach nichts mehr unternahm.

Kenntnis von einer Erhöhung der Gefahr für das versicherte Risiko hatte die Kl. auch dann nicht, wenn sie die Drohung ihres Ehemanns, sie beide mit dem Haus in die Luft zu sprengen, nicht ernst genommen hatte, wie sie vorgetragen hat. Gegenteiliges hat das BerGer. nicht festgestellt. Seine Formulierung im Berufungsurteil von der „ernst zu nehmenden Drohung“ deutet vielmehr darauf hin, daß das BerGer. sich damit begnügte, die Kl. habe die Drohung ihres Ehemanns ernst nehmen müssen. Dies reicht zur Feststellung einer positiven Kenntnis der Kl. von einer Gefahrerhöhung aber nicht aus. Entscheidend ist, ob die Kl. die Drohung auch tatsächlich ernst genommen hat. Eine positive Kenntnis hatte die Kl. auch nur, wenn sie wußte, daß die Drohung ihres Ehemanns den Charakter einer Gefahrerhöhung für das versicherte Risiko hatte (vgl. BGH, NJW 1969, 464 unter II 1b = VersR 1969, 177). Das ist auch deshalb zweifelhaft, weil im Verständnis der Kl. von den Äußerungen ihres Ehemanns die ehelichen Auseinandersetzungen im Vordergrund standen. Ob die Kl. unter diesen Umständen auch eine Erhöhung der Gefahr für das Haus erkannte, hätte der Feststellung bedurft.

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Normen

VVG § 27; VGB