Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Übersendung von Telefonsexrechnungen

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

17. 12. 1998


Aktenzeichen

3 U 148/98


Leitsatz des Gerichts

Ein Unternehmen, das Telefonsex anbietet, handelt rechts- und sittenwidrig, wenn es wiederholt einem Unternehmen, dessen Mitarbeiter Telefonsex in Anspruch nimmt, Rechnungen und Mahnungen zusendet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. handelt mit Weinen, Sekt und Champagner. Die Bekl. zu 1 betreibt „telefonische Sonderdienste“, bei denen es unter der Bezeichnung „Partyline“ um Telefonsex geht. Die Kl. erhielt von der Bekl. zu 1 zwei Mahnungen über 120 DM und 37,50 DM. Auf ihre Bitte um Rechnungskopien und Einzelnachweise übersandte die Bekl. zu 1 ihr zwei Rechnungen über 110 DM und 27,50 DM, jeweils für Gespräche mit der „Partyline“. Die Rechnungen und Mahnungen enthalten als Kunden-Nummer die Durchwahlnummer einer Nebenstelle der Telefonanlage der Kl. Auf der Rückseite der Rechnungen heißt es u.a.: Sicherheit im System! Das TBS-System kann nicht missbraucht werden. Der Anruf wurde von dem Sonderdienst entgegengenommen, den Sie angerufen haben. Es gibt zwei Möglichkeiten: 1. Call-back: Sie haben Ihre Nummer eingegeben, wonach der Anschluss getrennt wurde. TBS-Kommunikation hat die eingegebene Nummer, in diesem Fall Ihre Nummer, zurückgerufen. Hiernach ist von ihrem Telefon die 1 eingegeben worden um das Gespräch zu akzeptieren. Deshalb kann der Anruf wirklich nur ausschließlich von Ihrem Apparat geführt worden sein. 2. Überprüfung der Nummer: Wenn Sie als Kunde bereits bei den TBS-Sonderdiensten registriert sind oder einen digitalen Anschluss besitzen, wird Ihre Nummer automatisch registriert und Sie bekommen keinen Callback, sondern werden direkt mit unseren Serviceleistungen verbunden.“ Die Kl. bekam von der Bekl. zu 1 zwei erneute Mahnungen über 130 DM und 47,50 DM. Sie mahnte die Bekl. zu 1 daraufhin ab und erwirkte gegen die Bekl. eine einstweilige Verfügung. Am 19. 3. 1998 erhielt die Kl. eine weitere Rechnung der Bekl. zu 1, die ihr 33,75 DM für ein Gespräch am 6. 3. 1998 mit der „Partyline“ berechnete. Als Kunden-Nummer ist die Nummer einer anderen Nebenstelle der Kl. genannt. Die Kl. sieht in der Übersendung von Rechnungen und/oder Mahnungen für die telefonischen Sonderdienste der Bekl. zu 1, denen kein Vertragsverhältnis zu Grunde liegt, eine Wettbewerbs-, rechts- und sittenwidrige Belästigung.

Durch Urteil hat das LG der Klage auf Unterlassung der Übersendung von Rechnungen oder Mahnungen, denen kein Vertragsverhältnis zu Grunde liegt, stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Klagantrag ist, soweit es um den Passus „denen kein Vertragsverhältnis zu Grunde liegt“ dahin zu verstehen, dass die Übersendung von Rechnungen und/oder Mahnungen gemeint ist, denen kein Vertragsverhältnis gerade zur Kl. zu Grunde liegt, während es ohne Bedeutung ist, ob ein Vertragsverhältnis zwischen der Bekl. zu 1 und dem tatsächlichen Anrufer zu Stande kommt oder nicht. (Wird ausgeführt.)

Die Klage ist begründet. Der Kl. steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 I, 826 BGB zu. Grundsätzlich kann es allerdings niemandem verwehrt werden vermeintliche Ansprüche auf dem dafür vorgesehenen Wege überprüfen zu lassen. Dazu gehört - als notwendige Vorstufe vor einer gerichtlichen Geltendmachung - die Versendung von Rechnungen und Abmahnungen. Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die zur Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs in die Gewerbebetriebe der Kl. (§ 823 I BGB) und zu einer sittenwidrigen Belästigung der Kl. führen (§ 826 BGB).

1. Den Rechnungen und Mahnungen liegt kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zu Grunde. Verträge sind allenfalls zwischen dem tatsächlichen Anrufer und der Bekl. zu 1 zu Stande gekommen. Der Anrufer hat nicht mit Vertretungsmacht für die Kl. gehandelt. Das ist angesichts des Inhalts der Gespräche von vornherein ausgeschlossen. Die Annahme einer Anscheinsvollmacht scheidet ebenfalls aus.

Die Bekl. verweisen zu Unrecht auf die Vertragsgestaltung zwischen der Deutschen Telekom und den Inhabern der Telefonanschlüsse. Insoweit bestehen Verträge, die eine Regelung dahin enthalten, dass die Inhaber alle Gespräche bezahlen müssen, die von ihrem Anschluss aus getätigt werden. Hier jedoch kommt erst durch jeden einzelnen Anruf ein Vertrag zu Stande.

2. Die Rechts- und die Sittenwidrigkeit werden durch die folgenden besonderen Umstände begründet:

Die Rechnungen und Mahnungen sind an ein gewerbliches Unternehmen gerichtet, bei dem auch aus der Sicht der Bekl. zu 1 von vornherein anzunehmen ist, dass es nicht mit Gesprächen ihrer Mitarbeiter über Telefonsex einverstanden ist. Die Bekl. zu 1 weiß daher oder kann ohne weiteres erkennen, dass ihr keine Ansprüche gegen die Kl. zustehen. Dagegen besteht im Bereich der Kl. die Gefahr, dass die Rechnungen ungeprüft bezahlt werden. Bei dem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrag geht es nunmehr um weitere Rechnungen und Abmahnungen der Bekl. zu 1 gegenüber der Kl., nachdem diese sich ausdrücklich gegen solche Schreiben verwahrt hat. Das hat die Bekl. zu 1 zu beachten.

3. Da es sich nicht nur um einen einmaligen Vorgang handelt und alle genannten Voraussetzungen daher gegeben sind, hat die Bekl. rechts- und sittenwidrig gehandelt. Daher besteht - mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterwerfungserklärung - Wiederholungsgefahr.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 823 I, 826