Bedeutung mietvertraglicher Verlängerungsautomatik

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

29. 04. 2002


Aktenzeichen

II ZR 330/00 (KG)


Leitsatz des Gerichts

Enthält ein Mietvertrag die Bestimmung, das Mietverhältnis, das zu einem festgelegten Zeitpunkt ende, verlängere sich jeweils um ein Jahr, wenn eine der Parteien dem nicht (fristgerecht) widerspreche, so wird der ursprüngliche Mietvertrag fortgesetzt, wenn ein solcher Widerspruch nicht erfolgt, nicht aber ein neuer Vertrag geschlossen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Am 15. 1. 1976 vermietete der Kl. einer oHG, deren Gesellschafter damals H und seine Ehefrau E waren, Gewerberäume. Der Mietvertrag bestimmt: „Das Mietverhältnis beginnt am 1. 4. 1976. … Das Mietverhältnis endet am 31. 3. 1996. Es verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn eine der Parteien nicht spätestens sechs Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspricht. …“. H verstarb 1993. Mit Wirkung vom 10. 5. 1993 trat der Bekl. als Gesellschafter in das Unternehmen ein, was am 7. 3. 1995 in das Handelsregister eingetragen wurde. Am 31. 3. 1995 kam als neue, persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH hinzu, der Bekl. und E wurden Kommanditisten. Die nunmehrige KG, deren am 13. 6. 1995 erfolgte Eintragung ins Handelsregister im Juni/Juli 1995 bekannt gemacht wurde, setzte das Mietverhältnis über den 31. 3. 1996 hinaus fort. Obwohl sie schon Anfang 1996 in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, räumte die KG das Mietobjekt erst Ende März 1998, nachdem der Kl. das Mietverhältnis am 28. 1. 1998 fristlos gekündigt hatte. Am 1. 4. 1998 wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Es verblieb ein Mietrückstand von insgesamt 227913,48 DM. Davon entfielen 16344,22 DM auf den März 1996 und 211569,26 DM auf den Zeitraum August 1996 bis März 1998. Mit seiner Klage begehrte der Kl. vom Bekl., den Rückstand zu zahlen.

Das LG hat der Klage stattgegeben, das BerGer. hat nur 16344,22 DM, also den Mietrückstand aus der Zeit vor der Verlängerung des Mietvertrags, zugesprochen. Die Revision des Kl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Bekl. schuldet dem Kl. die gesamten Mietrückstände in Höhe von 227913,48 DM (§§ 128 , 160 I HGB).

I. Dem BerGer., dem darin zuzustimmen ist, dass die Klageforderung nach der neuen Rechtslage zu beurteilen ist (Art. 35 S. 1 EGHGB), hat eine Nachhaftung des Bekl. gem. § 160 HGB n.F., das heißt i.d.F. des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes 1994, für Rückstände aus der Zeit von August 1996 bis März 1998 unter Berufung auf frühere Entscheidungen des RG und des BGH verneint, weil für die Mietparteien kein rechtlicher Zwang bestand, das Mietverhältnis über den 31. 3. 1996 hinaus fortzusetzen. Da sowohl der Vermieter als auch die Mieterin frei entscheiden konnten, ob sie das Mietverhältnis am 31. 3. 1996 auslaufen lassen sollten oder nicht, stelle sich die „Verlängerung“ des Vertrags als Abschluss eines neuen Mietvertrags dar. Diese Rechtsauffassung greift die Revision mit Erfolg an.

II. Der Anspruch des Kl. auf Zahlung der Miete für den fraglichen Zeitraum war bereits vor dem Ausscheiden des Bekl. aus der Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter i.S. des § 160 HGB n.F. begründet.

1. Nach dieser Vorschrift (Abs. 1 und 3) haftet ein aus der oHG ausgeschiedener oder in die Stellung eines Kommanditisten zurückgetretener Gesellschafter noch für die Dauer von fünf Jahren für die bis zu seinem Ausscheiden oder Zurücktreten begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die Frist beginnt mit dem Ende des Tages zu laufen, an dem das Ausscheiden oder Zurücktreten in die Kommanditistenstellung in das Handelsregister eingetragen wird.

Im vorliegenden Fall wurde der Mietvertrag am 15. 1. 1976 geschlossen und sah die Möglichkeit, ihn zu beenden, erstmals zum 31. 3. 1996 vor. Da hiervon in der Folge keine der Parteien Gebrauch machte, endete der Vertrag erst Ende Januar 1998 (dazu unter 2), wobei die darüber hinausgehende Nutzung des Mietobjekts durch die KG bis Ende 1998 weitere Mietzinsansprüche des Kl. auslöste. Für diese Ansprüche haftet der Bekl. Sein Wechsel in die Kommanditistenstellung wurde am 13. 6. 1995 in das Handelsregister eingetragen, so dass die fünfjährige Frist erst am 13. 6. 2000 endete.

2. In der Praxis sind Mietverträge über Grundstücke und Räume auf bestimmte Zeit mit Verlängerungsklausel häufig anzutreffen. Diese Verträge verlängern sich automatisch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, wenn sie nicht zum vereinbarten Vertragsende gekündigt werden. Unterbleibt die Kündigung, so wird das Mietverhältnis mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt. Die Identität des damit in die Zukunft verlängerten Vertrags bleibt erhalten (Blank, in: Schmidt-Futterer, MietR, 7. Aufl., § 564 Rdnr. 12; Derleder, in: AK-BGB, § 564 Rdnr. 2; Voelskow, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 564 Rdnr. 6; Gelhaar, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 564 Rdnr. 6; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 564 Rdnr. 7; a.A. Karsten Schmidt, GesellschaftsR, 3. Aufl., S. 1484). Die befristete Kündigung beendet den Vertrag erst zum vertraglich oder gesetzlich bestimmten Zeitpunkt. Dies hat zur Folge, dass das Mietverhältnis bis dahin unverändert weiter besteht und es daher während dieses Zeitraums noch dem Einfluss vertraglicher Vereinbarungen über seinen Inhalt und gegebenenfalls über seine (weitere) Fortdauer unterworfen ist (BGHZ 139, 123 [127] = NJW 1998, 2664 = NZM 1998, 628 = LM H. 12/1998 § 564 BGB Nr. 11).

Im vorliegenden Fall war die Verlängerung zwar nicht vom Ausbleiben einer Kündigung abhängig, sondern vom Ausbleiben eines Widerspruchs gegen die Verlängerung. Für die rechtliche Beurteilung, ob der Vertrag fortdauert, kann diesem lediglich terminologischen Unterschied jedoch keine Bedeutung beigemessen werden.

3. Der Gesetzgeber hat mit § 160 n.F. HGB nicht lediglich eine zeitliche Obergrenze festgelegt. Er hat vielmehr eine umfassende Regelung des Problems der Nachhaftungsbegrenzung vorgenommen und dabei die Rechtsprechung zum alten Recht gesehen und berücksichtigt. Er wollte auch die Dauerschuldverhältnisse einbezogen wissen. Damit hat der Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit für alle Verbindlichkeiten einheitlich den Weg einer klar festgelegten Ausschlussfrist gewählt. Mit diesem Weg hat er zugleich die Interessen der Beteiligten in einer Weise berücksichtigt und ausgeglichen, die zwar fraglos gewisse Härten mit sich bringt, aber letztlich für keinen der jeweils Beteiligten als unzumutbar anzusehen ist (so auch Senat, BGHZ 142, 324 [331] = NJW 2000, 208 = NZG 2000, 135 = LM H. 3/2000 § 160 HGB Nr. 2 = WM 1999, 2406 [2408], das das BerGer. aber nicht für einschlägig hält, da es im vorliegenden Fall um ein befristetes Schuldverhältnis mit Verlängerungsmöglichkeit gehe).

Sinn dieser Regelung ist es in erster Linie zu vermeiden, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter zu lange Zeit mit einer Haftung für Verbindlichkeiten belastet wird, obwohl er wegen seines Ausscheidens weder weiteren Einfluss auf die Gesellschaft nehmen noch von den Gegenleistungen und sonstigen Erträgen profitieren kann. Sinn ist es aber zugleich, einen Ausgleich zwischen diesem Anliegen und den Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu schaffen. Allein schon im Hinblick auf diese Zweckrichtung sind Dauerschuldverhältnisse ohne Differenzierung nach gewissem oder ungewissem Verlauf in der Zukunft als Verbindlichkeiten i.S. von § 160 I HGB anzusehen. Bei Dauerschuldverhältnissen ist die Rechtsgrundlage für die einzelnen Schuldverpflichtungen bereits im Vertrag selber angelegt mit der Folge, dass diese Schuldverpflichtungen mit dem Vertragsschluss als entstanden anzusehen sind, auch wenn einzelne Verpflichtungen erst später fällig werden (Senat, BGHZ 142, 324 = NJW 2000, 208 = NZG 2000, 135 m.w. Nachw.).

4. Handelt es sich bei einem Mietvertrag mit Verlängerungsklausel um die Fortsetzung des alten Vertrags, wenn die Kündigung nicht erfolgt oder ein Widerspruch gegen die Verlängerung unterbleibt, so liegt nichts anderes vor als ein Dauerschuldverhältnis mit für die Zukunft ungewissem Verlauf.

Rechtsgebiete

Mietrecht