Beweisverwertung trotz unzulässiger Beweiserhebung durch Private bei Parkverstößen

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

11. 07. 1997


Aktenzeichen

1 ObOWi 282/97


Leitsatz des Gerichts

Die Feststellung von Parkverstößen durch private Firmen im Rahmen der Überwachung des ruhenden Verkehrs zur Ermittlung und Dokumentation von Ordnungswidrigkeiten ist derzeit mangels einer gesetzlichen Ermächtigung auch dann unzulässig, wenn die zuständige Gemeinde die Auswertung der festgestellten Parkverstöße und den Erlaß des Bußgeldbescheids vornimmt (Fortführung der Rechtsprechung im Beschluß vom 5. 3. 1997 - DAR 1997, 206 = NZV 1997, 276 = NStZ-RR 1997, 312).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Gemeinde B. setzte gegen den Betr. mit Bußgeldbescheid vom 4. 1. 1997 eine Geldbuße von 10 DM fest. Dem Betr. wurde vorgeworfen, am 14. 10. 1996 um 9.30 Uhr seinen PKW in der S-Straße in B. im Bereich eines eingeschränkten Halteverbots für eine Zone - Zeichen 290/292 - ohne eine von außen gut sichtbare Parkscheibe bis zu 30 Minuten geparkt zu haben. Auf den Einspruch des Betr. stellte das AG Kempten (Allgäu) - Zweigstelle Sonthofen - mit Urteil vom 20. 2. 1997 das Verfahren ein, da ein Verfahrenshindernis vorliege. Nach Auffassung des AG stellt der Bußgeldbescheid der Gemeinde B. vom 4. 1. 1997 keine tragfähige Grundlage für eine gerichtliche Sachentscheidung dar, da er an einem schwerwiegenden Mangel leide. Die Tatsache, daß die Gemeinde B. sich bei der Feststellung und Verfolgung der dem Betr. zur Last gelegten Verkehrsordnungswidrigkeit eines Privaten bedient habe, verstoße gegen das „staatliche Gewaltmonopol", das seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip finde (Art. 20 III GG).

Die Rechtsbeschwerde der StA, deren Zulassung sie beantragte und mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügte, hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, gegen den in förmlicher Hinsicht keine Bedenken bestehen, ist stattzugeben, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts geboten erscheint (§ 80 I Nr. 1, II Nr. 2 und IV 1 OWiG).

2. Das somit zulässige Rechtsmittel ist begründet. Das AG hat das Verfahren rechtsfehlerhaft durch Prozeßurteil eingestellt.

a) Zutreffend hat das AG ausgeführt, daß die Gemeinde B. mangels gesetzlicher Ermächtigung nicht befugt war, eine private Firma mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs zu beauftragen, auch wenn die Gemeinde selbst die Auswertung der festgestellten Parkverstöße sowie den Erlaß der Bußgeldbescheide vornahm. Dies hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 5. 3. 1997 zwar bislang nur für Maßnahmen der Geschwindigkeitsüberwachung entschieden (BayObLG, DAR 1997, 206), doch müssen diese Erwägungen in gleichem Umfang für die Beauftragung privater Firmen bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs gelten. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Gründe des oben erwähnten Senatsbeschlusses Bezug genommen. Lediglich ergänzend sei noch auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:

Die Tätigkeit von Angestellten privater Unternehmen zur Verfolgung von Parkverstößen beschränkt sich nicht nur auf eine generelle, d.h. allgemein Gefahren abwehrende Verkehrsüberwachung, sondern besitzt bereits individuellen Eingriffscharakter und stellt damit den Beginn staatlicher Verfolgung dar. Kriterium des Eingreifens des privaten Ermittlers ist ausschließlich die Rechtswidrigkeit der Parksituation. Private Unternehmer treffen anstelle der allein zuständigen Gemeinde die maßgeblichen Feststellungen, letztlich sogar bis zur Erteilung des Verwarnungsgeldangebotes. Dies setzt voraus, daß private Ermittler das Halten bzw. Parken eines Fahrzeuges zuvor als nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht zu ahnenden Sachverhalt beurteilt haben. Damit greift die Tätigkeit privater Firmen unmittelbar in die Ermessensausübung der Verfolgungsbehörde ein mit der Folge, daß die Handhabung des Opportunitätsgrundsatzes jedenfalls bis zur Erteilung des Verwarnungsgeldangebotes auf Privatpersonen übergegangen ist, was gesetzeswidrig ist (KG, DAR 1996, 504). Nach alledem ist die systematische Überwachung des ruhenden Verkehrs durch beauftragte Privatunternehmer als Übernahme von Funktionen der Ermittlung und Verfolgung, also als funktionell originäre Staatsaufgaben, und nicht nur als technische Verwaltungshilfe zu werten.

b) Das dargelegte Beweiserhebungsverbot führt jedoch nicht zu einem Mangel des Bußgeldbescheids dahingehend, daß dieser unwirksam wäre mit der Folge, daß eine Prozeßvoraussetzung für das anhängige Verfahren nicht gegeben wäre. Soweit das AG sich in diesem Zusammenhang auf eine angebliche Verletzung des Rechtsstaatsprinzips beruft, übersieht es, daß sich aus diesem Prinzip grundsätzlich kein Verfahrenshindernis für die Einleitung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens herleiten läßt (vgl. BGHSt 32, 345 (350ff.) = NJW 1984, 2300; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., Einl. Rdnr. 147f.). Eine Verfahrenseinstellung nach § 260 III StPO, § 46 I OWiG war daher nicht gerechtfertigt; vielmehr hätte das AG eine Sachentscheidung treffen müssen. ...

Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen: Das unter 2a) dargelegte Beweiserhebungsverbot führt nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr bedarf es im Einzelfall neben der Feststellung eines gravierenden Verfahrensverstoßes einer Abwägung zwischen der Beeinträchtigung der Individualinteressen des Betroffenen einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an der Durchsetzung der Vekehrsvorschriften andererseits (BayObLG, DAR 1997, 206).

Die sonach gebotene Abwägung rechtfertigt im vorliegenden Fall kein Verwertungsverbot. Die Einwirkung auf seine allgemeine Handlungsfreiheit durch die von einer Privatfirma statt der zuständigen Gemeinde durchgeführte Parküberwachung war hier für den Betr. nicht gravierend. Mit Ausnahme der Tatbestandsfeststellung erfolgten die übrigen Ermittlungsmaßnahmen, wie die Auswertung des Verkehrsverstoßes und die Ermittlung des Täters, durch die zuständige Gemeinde. Hinzu kommt, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Parkverstoß in gleicher Weise festgestellt worden wäre, wenn ein Angestellter der Verwaltungsbehörde tätig geworden wäre. Dem sonach nur wenig beeinträchtigten Individualinteresse des Betr. steht umgekehrt im konkreten Konfliktfall ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Durchsetzung der Verkehrsordnung gegenüber. Die Einschränkung der Parkdauer dient dazu, der Bevölkerung eine genügende Anzahl von Parkplätzen für zeitlich begrenzte Erledigungen zur Verfügung zu stellen. Es stellt ein legitimes Interesse dar, Dauerparker aus dem Innenbereich der Gemeinden fernzuhalten. Die Einhaltung von Halte- und Parkvorschriften muß nachhaltig überwacht und durchgesetzt werden, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu gewährleisten und die Verkehrsdisziplin zum Schutz aller Bürger aufrechtzuerhalten. Im vorliegenden Fall ist es daher nicht gerechtfertigt, den unter 2a) dargestellten Verfahrensverstoß durch ein Beweisverwertungsverbot zu sanktionieren. Soweit das KG (DAR 1996, 504 (506)) zu einem anderen Ergebnis kommt, ist die dortige sog. Berliner Parkraumbewirtschaftungskonzeption mit dem hier zur Entscheidung stehenden Fall in tatsächlicher Hinsicht nicht vergleichbar.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht

Normen

GG Art. 33 IV; OWiG § 47; StVG § 26 I; StVO § 13 II