Zerrüttung der Ehe als Kündigungsgrund - Beweislast für Bestehen eines Arbeitsverhältnisses

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

09. 02. 1995


Aktenzeichen

2 AZR 389/94


Leitsatz des Gerichts

Ist ein Ehemann gleichzeitig auch der Arbeitgeber seiner Ehegattin, so kann er ihr bei Eheproblemen nur dann kündigen, wenn sich die Auseinandersetzungen innerhalb der Ehe so auf das Arbeitsverhältnis auswirken, dass der Betriebsfrieden gestört wird oder die nötige Loyalitäts- und Sorgfaltspflicht der Ehefrau nicht mehr gewährleistet sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung. Die am 15. 12. 1949 geborene Kl. gründete im November 1979 zusammen mit ihrem Ehemann die Bekl. zum Betrieb von Läden für Tabakwaren und Zeitschriften mit Lottoannahmestelle. Der Gesellschaftsanteil der Kl. betrug 5 %. Ihr Ehemann wurde zum Geschäftsführer bestellt. Von den drei Verkaufsstellen der Bekl. wurde 1988 eine geschlossen. Seit Mai 1989 betreibt die Bekl. auch ein Reisebüro. Zum 31. 12. 1990 hat die Bekl. die Filiale Köln, A-Straße, verkauft. Unter dem Datum 1. 1. 1981 schlossen die Parteien zwei schriftliche Arbeitsverträge, die sich in § 1 - Einstellung - hinsichtlich der Tätigkeitsbeschreibung unterscheiden. Während es in dem von der Kl. vorgelegten Exemplar heißt, der Arbeitnehmer werde ab 1. 1. 1981 als Geschäftsführerin eingestellt, sein Aufgabengebiet sei Verkauf - als Springerin in den einzelnen Filialen - Kontrolle der Lottoabrechnungen - Erstellen der Gehälter, er verpflichte sich ferner, jegliche andere zumutbare Tätigkeit in der Firma bzw. einer anderen Niederlassung der Firma am Ort auszuführen, lautet das von der Bekl. vorgelegte Exemplar: 1. Der Arbeitnehmer wird ab 1. 1. 1981 als Geschäftsführerin in der Filiale Köln, ... Straße, eingestellt. 2. Der Arbeitnehmer betreibt in dieser Filiale eine Lottoannahmestelle als Annahmestellenleiter. Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Lottogesellschaft und dem Annahmestellenleiter muß voll erfüllt werden.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sollte nach beiden Urkunden 30 Stunden betragen, die Vergütung 2500 DM. Für Vertragsänderungen war Schriftform vereinbart. Die vereinbarte Vergütung wurde in Höhe von 1422,75 DM netto auf das Konto des Ehemannes überwiesen. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge wurden abgeführt. Der Ehemann übergab der Kl. monatlich 2000 DM. Unstreitig hat die Kl. in der Folgezeit in dem im Einfamilienhaus der Eheleute eingerichteten Büro die Gehaltsabrechnungen für die Arbeitnehmer der Bekl. gemacht. Im übrigen ist streitig, ob und in welchem Umfang die Kl. Arbeitsleistungen für die Bekl. erbracht hat. Im September 1990 trennte sich der Ehemann von der Kl. und den Kindern und zog aus dem gemeinsamen Wohnhaus aus. Es kam zu Unterhaltsrechtsstreitigkeiten zwischen den Eheleuten und anderen eherechtlichen Auseinandersetzungen. Darüber hinaus forderte die Kl. mit einer im Dezember 1991 erhobenen Klage von der Bekl. die Bezahlung der vertraglichen Arbeitsvergütung für die Zeit vom August 1990 bis November 1991, welche ihr mit rechtskräftigem Urteil des LAG Köln vom 14. 5. 1993 (13 Sa 104/93) in Höhe des Nettobetrages von 22764 DM zugesprochen wurde. Zur Begründung verwies das LAG zunächst auf das Geständnis der Bekl. in der mündlichen Verhandlung vor dem ArbG, sie behaupte nicht, daß es sich bei dem Arbeitsvertrag um ein Scheingeschäft handele, vielmehr stehe der Kl. das vereinbarte Gehalt zu; das LAG führte weiter aus, der Anspruch der Kl. sei nicht durch Zahlung an den Ehemann der Kl. erloschen, weil für diesen Zahlungsweg durch die Trennung der Eheleute die Geschäftsgrundlage entfallen sei; daß die Kl. im fraglichen Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht haben solle, stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen, weil die Bekl. auf die Arbeitsleistung nach eigenem Vortrag weitgehend verzichtet hat. Über die Vergütungsansprüche der Kl. für die Zeit von Dezember 1991 bis Juni 1992 und von Juli 1992 bis Juni 1993 sind weitere Klagen rechtshängig. Mit Schreiben vom 3. 4. 1992, der Kl. zugegangen am 7. 4. 1992, hat die Bekl. der Kl. die Kündigung „des Arbeitsvertrags“ zum 30. 9. 1992 erklärt. Die Kl. hat sich mit ihrer am 28. 4. 1992 beim ArbG Köln eingegangenen Klage gegen diese Kündigung gewandt. Sie hat vorgetragen, die Bekl. beschäftige nach Angaben ihres Ehemannes in den Unterhaltsstreitigkeiten ca. 14 Mitarbeiter. Auf das Arbeitsverhältnis sei also das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Kündigung sei danach sozialwidrig. Ihr Arbeitsplatz sei nicht weggefallen, vielmehr habe die Bekl. eine Arbeitnehmerin neu eingestellt, die ihre, der Kl., Aufgaben übernommen habe. Gegenüber ihren sonstigen Arbeitsleistungen für die Bekl. sei die Tätigkeit in der veräußerten Filiale Köln, A-Straße, als unbedeutend anzusehen. Arbeitsleistungen habe sie bis zur Erteilung eines Hausverbots für die Ladenlokale S-Weg am 17. 11. 1992 erbracht. Auch berechtige der Umstand, daß sie die ihr zustehende Vergütung eingeklagt habe, die Bekl. nicht zur Kündigung. Die Kl. hat beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Bekl. vom 3. 4. 1992 nicht aufgelöst ist, sondern über den 30. 9. 1992 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbestanden hat. Die Bekl. hat geltend gemacht, mit dem Verkauf der Filiale Köln, A-Straße, sei der Arbeitsplatz der Kl. ersatzlos weggefallen. Im Kündigungszeitpunkt seien Frau Mals Verkäuferin und sieben Aushilfen beschäftigt gewesen. Von der Einstellung einer Ersatzkraft für die Kl. könne keine Rede sein: Frau H sei lediglich als Teilzeitkraft eingestellt worden, nachdem der Ehemann der Kl. und Geschäftsführer der Bekl. seine Haupttätigkeit in das Reisebüro verlegt habe; diese Arbeitnehmerin übe keine Tätigkeit aus, welche früher der Kl. oblegen habe, schon gar nicht vom zeitlichen Umfang her. Die Kündigung sei auch aufgrund der treuwidrigen und mutwilligen Zahlungsklage der Kl. gerechtfertigt. Im übrigen sei der Arbeitsvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden, nämlich aus steuerlichen Gründen, um die für den Familienunterhalt benötigten höheren Einnahmen gegenüber dem Finanzamt als zusätzliche Betriebsausgaben darzustellen. Der Arbeitsvertrag sei nie wirklich durchgeführt worden, die Kl. sei nie in den Betriebsbereich der Bekl. eingegliedert gewesen. Soweit sie in einzelnen Filialen selten und nur stundenweise Arbeitsleistungen erbracht habe, sei sie gesondert und unmittelbar bar aus der Kasse bezahlt worden. Mit der Trennung der Eheleute sei auch die Geschäftsgrundlage für die Fortsetzung des Arbeitsvertrages entfallen. Nach dem Auszug ihres Ehemannes aus dem gemeinsamen Einfamilienhaus habe die Kl. keine Tätigkeit mehr für die Bekl. entfaltet. Sie habe zunächst auch keine Gehaltsansprüche geltend gemacht, sondern erstmals mit Schreiben ihrer Anwältin vom 11. 12. 1990 darauf hinweisen lassen, daß seit August 1990 kein Gehalt bezahlt worden sei. Dieses Thema habe sie dann aber erst durch ihren vierten Anwalt mit der Klage vom 10. 11. 1991 wieder aufgreifen lassen.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das LAG das Urteil des ArbG abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das LAG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: (Wird ausgeführt.)

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Insbesondere beruht das angegriffene Urteil auf einer Verkennung der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.

1. Das LAG hat die Reichweite des Feststellungsantrags nicht geklärt. Daraus, daß die Antragsbegründung von Anfang an bis in die Revision ausschließlich die Frage behandelt, ob die Kündigung vom 3. 4. 1992 wirksam ist, läßt sich allerdings schließen, daß der Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4 , 7 KSchG umfassen soll (vgl. BAG, NZA 1994, 860 = AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969; BAG, Urt. v. 26. 5. 1994 - 8 AZR 248/93, unveröff.). Dies hat der Prozeßbevollmächtigte der Kl. in der mündlichen Verhandlung vom 12. 1. 1995 auch klargestellt. Es bedarf somit keines besonderen Feststellungsinteresses i.S. von § 256 I ZPO für einen weitergehenden Antrag.

2. Zutreffend ist die Annahme des LAG, die Rechtskraft des Urteils vom 14. 5. 1993 (13 Sa 104/93) zwinge nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses der Parteien auch im vorliegenden Rechtsstreit. Die Rechtskraft erfaßt nur die Entscheidung über den im jeweiligen Rechtsstreit erhobenen Anspruch (§ 322 I ZPO). Die Beurteilung vorgreiflicher Rechtsverhältnisse erwächst dagegen nur dann in Rechtskraft, wenn sie Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 II ZPO war (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 322 Rdnrn. 28f.).

3. Der Kl. ist zuzugeben, daß sich ein Geständnis i.S. von § 288 ZPO auch auf präjudizielle Rechtsverhältnisse beziehen kann (vgl. Thomas/Putzo, § 288 Rdnr. 1). Gleichwohl muß für den vorliegenden Rechtsstreit nicht als zugestanden erachtet werden, daß die Arbeitsverträge der Parteien vom 1. 1. 1981 nicht zum Schein abgeschlossen wurden. Ein Geständnis i.S. von § 288 ZPO bindet, wie sich bereits dem Wortlaut der Norm eindeutig entnehmen läßt, nur im jeweiligen Prozeß. Anderenfalls wäre auch die ausdrückliche Regelung der Bindung der Berufungsinstanz (§ 532 ZPO) überflüssig. Die Bekl. konnte sich deshalb im vorliegenden Verfahren ohne Bindung an ein etwaiges gegenteiliges Geständnis im Verfahren vor dem ArbG Köln (11a Ca 8546/91) darauf berufen, bei den Arbeitsverträgen vom 1. 1. 1981 habe es sich mit der Nichtigkeitsfolge um bloße Scheingeschäfte i.S. von § 117 I BGB gehandelt.

4. Das LAG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses i.S. von § 1 I KSchG bei der Kl. liegt (vgl. Becker, in: KR, 3. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 75 m.w. Nachw.). Das LAG hat jedoch verkannt, daß die Kl. bereits durch Vorlage des Arbeitsvertrags vom 1. 1. 1981, dessen Abschuß die Bekl. nicht in Zweifel gezogen hat, ihrer Darlegungs- und Beweislast genügt hat. Unstreitig hat die Kl. die Gehaltsabrechnungen für die Bekl. gemacht. Der schriftliche Arbeitsvertrag, der die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 125 Rdnr. 15 m.w. Nachw.), belegt, daß die Kl. insoweit nicht nur als Gesellschafterin oder als Ehefrau des Geschäftsführers des Bekl., sondern weisungsgebunden als Arbeitnehmerin der Bekl. tätig war. Die rechtliche Einordnung der Tätigkeit der Kl. für die Bekl. richtet sich nämlich in erster Linie nach dem erklärten Parteiwillen (vgl. BAGE 22, 236 = NJW 1970, 829 = AP Nr. 14 zu § 528 ZPO; BAG, NJW 1974, 380 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis; Schaub, ArbeitsR-Hdb., 7. Aufl., S. 183f.; Becker, in: KR, 3. Aufl., Rdnr. 34 m.w.Nachw.). Zudem wurde auch die vereinbarte Vergütung abgerechnet und - wenn auch auf das Konto des Ehemannes der Kl. - tatsächlich bezahlt.

Für ihre Behauptung, bei den Arbeitsverträgen vom 1. 1. 1981 habe es sich um Scheingeschäfte i.S. von § 117 I BGB gehandelt, liegt die Darlegungs- und Beweislast bei der Bekl. (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 117 Rdnr. 9 m.w. Nachw.). Gleichfalls wäre die Kl. ggf. darlegungs- und beweispflichtig für den Einwand, die Arbeitsverträge seien nicht abredegemäß durchgeführt worden, vielmehr sei die Kl. entgegen diesen Verträgen für die Bekl. lediglich aufgrund ihrer Gesellschafterstellung bzw. aufgrund ihrer eherechtlichen Verpflichtung zur Mitarbeit im Geschäft ihres Gatten (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 54. Aufl., § 1353 Rdnr. 10 und § 1356 Rdnr. 6 m.w. Nachw.) und nur in geringem Umfang tätig geworden. Bis zum Beweis des Gegenteils sprechen die vorgelegten Arbeitsverträge dafür, daß die Kl. für die Bekl. in einem Arbeitsverhältnis tätig war.

5. Selbst wenn man die Beweiskraft der vorgelegten Arbeitsverträge außer acht ließe, würde die Aufklärungsrüge der Revision durchgreifen: Das LAG durfte die Behauptungen der Kl. zur Erbringung vertragsgemäßer Arbeitsleistungen nicht als im zeitlichen Umfang unzureichend substantiiert ansehen und ihre Beweisangebote als nicht ausreichend spezifiziert unberücksichtigt lassen, ohne der Kl. gem. § 139 I ZPO Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen und die Zuordnung der Beweisangebote zu erläutern.

6. Die Klärung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Kündigung jedenfalls sozial gerechtfertigt wäre.

a) Auch die Hilfsbegründung des LAG hält den Angriffen der Revision nicht stand. Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Scheitern einer Ehe können zwar das für die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten, hier zwischen der Kl. und dem Geschäftsführer der Bekl., notwendige Vertrauen zerstören. Je nach den Umständen des Einzelfalles können daraus Gründe im Verhalten des Arbeitnehmer oder in seiner Person erwachsen, die eine Kündigung sozial rechtfertigen. Das LAG hat jedoch zum einen die gebotene Interessenabwägung nicht vorgenommen und zudem verkannt, daß eine zerrüttete Ehe nicht in jedem Fall Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Eheleuten bzw. auf das Arbeitsverhältnis zwischen einem der Ehegatten und dem Unternehmen, in dem der andere Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, haben muß. Nur wenn sich die ehelichen Auseinandersetzungen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles dergestalt auf das Arbeitsverhältnis auswirken, daß der Arbeitgeber Gründe zu der Annahme hat, der Arbeitnehmer werde seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Sorgfalt und Loyalität erfüllen bzw. es werde im Arbeitsverhältnis zu einer Fortsetzung der ehelichen Streitigkeiten und damit zu einer Störung des Betriebsfriedens kommen, kann eine Kündigung gem. § 1 II KSchG sozial gerechtfertigt sein. Ohne konkrete nachteilige Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis ist die Zerrüttung bzw. das Scheitern der Ehe für die Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ohne Aussagekraft (so zutreffend ArbG Berlin, EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 4; ArbG Siegburg, NJW-RR 1987, 73 = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

Vorliegend hat die Bekl. tatsächliche Umstände der genannten Art nicht vorgetragen. Die vorgelegten Schriftsätze zu den ehe- und familienrechtlichen Auseinandersetzungen sind durch sachliche, nicht übertrieben emotionale Argumentation gekennzeichnet und lassen Kompromißbereitschaft erkennen. Der Umstand, daß die Kl. die ihrer Ansicht nach berechtigten Gehaltsrückstände eingeklagt hat, kann schon wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB die Kündigung nicht begründen, zumal Art und Umfang der Tätigkeit der Kl. für die Bekl. bislang ungeklärt sind, die materielle Berechtigung der Ansprüche also - von der rechtskräftigen Zuerkennung eines Teils einmal ganz abgesehen - möglich erscheint. Würde die Wahrnehmung berechtigter Interessen, d.h. die Geltendmachung (möglicherweise) berechtigter Ansprüche als eine die Kündigung rechtfertigende Belastung des Arbeitsverhältnisses angesehen, könnte der Arbeitgeber den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers jederzeit problemlos dadurch unterlaufen, daß er seine Arbeitgeberpflichten verletzt und damit den Arbeitnehmer entweder zum Rechtsverzicht oder zur Schaffung eines Kündigungsgrundes zwingt.

b) Das Scheitern der Ehe der Kl. vermag die Kündigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) zu rechtfertigen. Die Kündigungsvorschriften des § 1 KSchG gehen insoweit vor und verdrängen das genannte Rechtsinstitut (vgl. Wolf, in: KR, 3. Aufl., Grunds. Rdnr. 208 m.w. Nachw.).

c) Die Kündigung ist ebensowenig durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S. von § 1 II KSchG bedingt, jedenfalls lassen sich solche Erfordernisse dem Vortrag der Bekl. nicht entnehmen. Die Argumentation der Bekl., mit dem Verkauf der Filiale in der A-Straße sei der Arbeitsplatz der Kl. weggefallen, ist unschlüssig, wenn sie zugleich behauptet, die Kl. habe dort niemals gearbeitet. Zudem ist ungeklärt, ob und in welchem Umfang der von der Kl. vorgelegte Arbeitsvertrag durchgeführt wurde. Wenn man, was revisionsrechtlich zu unterstellen ist, davon ausgeht, daß die Kl. in erheblichem Umfang für alle Betriebsstätten der Bekl. tätig war, so würde zudem der Verkauf der Filiale in der A-Straße keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Im gegenwärtigen Stand des Verfahrens stellt sich deshalb auch nicht die Frage, ob die Kündigung gem. § 613a IV 1 BGB unwirksam sein könnte und ob die Kl. dies in einem Rechtsstreit mit der Bekl. geltend machen könnte (vgl. zur Passivlegitimation des Veräußerers des Betriebes bzw. des Betriebsteils BAGE 43, 13 = NJW 1984, 627 = AP Nr. 34 zu § 613a BGB und BAGE 47,13 = NZA 1985, 493 = NJW 1986, 91 = AP Nr. 39 zu § 613a BGB).

7. Träfe der Sachvortrag der Bekl. zu, die Kl. habe von Anfang an mit einem Zeitaufwand von nur ca. 45 Minuten im Monat in dem im Einfamilienhaus der Eheleute untergebrachten Büro der Bekl. lediglich die Gehaltsabrechnungen getätigt und sei für ganz seltene stundenweise Einsätze in den Filialen gesondert bar vergütet worden, so spräche dies hinsichtlich der Arbeitsverträge vom 1. 1. 1981 für das Vorliegen nichtiger Scheingeschäfte i.S. von § 117 I BGB. Das LAG wird die entsprechenden Behauptungen der Bekl. ebenso aufzuklären haben wie die von der Bekl. angesichts des Vorbringens der Kl. in der Revisionsinstanz näher zu erläuternde, ebenfalls für bloße Scheingeschäfte sprechende Behauptung, aus der gewählten Vertragsgestaltung hätten die Eheleute steuer- und abgabenrechtlichen Vorteile gezogen.

Sollte das LAG danach zu der Feststellung kommen, bei den Arbeitsverträgen vom 1. 1. 1981 habe es sich um Scheingeschäfte gehandelt und auch faktisch sei die Kl. nicht als Arbeitnehmerin der Bekl. tätig geworden oder sollte die gebotene weitere Aufklärung ergeben, daß die als wirksam anzusehenden Arbeitsverträge von den Parteien bei der tatsächlichen Durchführung einverständlich in Richtung einer bloßen Mitarbeit der Kl. in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin bzw. als Ehefrau des Geschäftsführers der Bekl. oder in Richtung auf ein freies Dienstverhältnis geändert wurden, könnte es bei der Klageabweisung bleiben. Anderenfalls wäre unter Beachtung der oben zu II 6 dargelegten Grundsätze erneut zu prüfen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

KSchG § 1; BGB §§ 117 I, 612a; ZPO §§ 139 I, 256, 288, 322 I