Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

01. 08. 1995


Aktenzeichen

9 AZR 884/93


Leitsatz des Gerichts

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen ist unverbindlich, wenn es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient und das berufliche Fortkommen des Handlungsgehilfen unbillig erschwert. Das trifft zu, wenn der Arbeitgeber mit dem Wettbewerbsverbot das Ziel verfolgt, jede Stärkung der Konkurrenz durch den Arbeitsplatzwechsel zu verhindern, ohne daß die Gefahr der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen oder des Einbruchs in den Kundenstamm zu besorgen ist (Weiterführung von BAG, AP Nr. 2 zu § 74a HGB).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Nach Ablauf des vereinbarten befristeten Wettbewerbsverbots streiten die Parteien noch darüber, ob sich die von der früheren Arbeitgeberin erhobene Unterlassungsklage erledigt hat. Die Kl. stellt sog. Kombi-Dämpfer, die als Gargeräte in Großküchen verwendet werden, her und vertreibt sie. Sie ist auf diesem Gebiet Marktführerin in Deutschland. Der Bekl. ist gelernter Koch. Er war vom 1. 10. 1988 bis 31. 3. 1992 bei der Kl. als Kundenberater und Küchenchef in Norddeutschland tätig. Er wurde auf Messen zur Gerätevorführung eingesetzt. Ferner oblag ihm die Beratung und Betreuung von Köchen in Groß- und Gewerbeküchen, die Unterstützung der Verkäufer des Fachhandels sowie im Einzelfall auch die Anbahnung von Geschäften und der Abschluß von Kaufverträgen. Zuletzt bezog er bei der Kl. ein monatliches Gehalt in Höhe von 6250 DM brutto. Das in § 12 des Anstellungsvertrags vereinbarte Wettbewerbsverbot hat folgenden Wortlaut:

§ 12. Wettbewerbsverbot. Der Mitarbeiter wird für die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Dienstvertrages nicht für ein Unternehmen tätig werden, das auch in Arbeitsgebieten der R und der damit verbundenen Ltätig ist sowie auf diesen Arbeitsgebieten keine Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen und keine Beteiligung an einem Konkurrenz-Unternehmen unmittelbar oder mittelbar erwerben, die einen Einfluß auf die Geschäftsführung ermöglicht. Für die Dauer des Wettbewerbsverbots zahlt R dem Mitarbeiter unter entsprechender Berücksichtigung der Anrechnungsregelung des § 74c HGB eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen Vergütung. R kann vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, daß R mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. Dieses Wettbewerbs-Verbot tritt erst in Kraft, wenn das Arbeitsverhältnis über den 30. 6. 1989 hinaus ungekündigt bestehen bleibt.

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eigener Kündigung des Bekl. Er übernahm anschließend eine Position als Verkaufsleiter für die gesamte Bundesrepublik bei der Z. Das Unternehmen stellt Großküchen, darunter auch Heißluft-Dämpfer, her und vertreibt sie auch in der Bundesrepublik. Nach vergeblicher außergerichtlicher Aufforderung hat die Kl. am 16. 4. 1992 Unterlassungsklage erhoben. Sie hat beantragt, den Bekl. zu verurteilen, (1) bis zum Ablauf des 31. 3. 1994 Wettbewerb zum Nachteil der Kl. zu unterlassen, insbesondere die Mitwirkung bei Vertrieb, Verkaufsförderung, anwendungstechnischer Beratung und Produktentwicklung von Heißluft-Dämpfern für Großküchen; (2) die Tätigkeit für die Firma Z auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und/oder für deren Zweigniederlassung, M.-Straße, F., einzustellen.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung der Kl. zurückgewiesen. Mit der vom LAG zugelassenen Revision hat die Kl. zunächst ihre Sachanträge weiterverfolgt und nach Ablauf des Wettbewerbsverbots die Erledigung der Hauptsache erklärt. Der Bekl. hat der Erledigung widersprochen. Die Kl. hat darauf beantragt festzustellen, daß die Hauptsache erledigt ist. Dieser Antrag hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Erklärung der Erledigung der Hauptsache ist vor dem RevGer. zulässig (BAG, AP Nr. 12 zu § 91a ZPO; Schumann, Anm. zu BAG, AP Nr. 8 zu § 554a ZPO). Die einseitige Erledigungserklärung der Kl. geht jedoch ins Leere; denn die Klage war bereits vor Ablauf des Wettbewerbsverbots unbegründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGHZ 37, 137 (142) = NJW 1962, 1723; BGHZ 91, 126 (127) = NJW 1984, 1901; BGH, NJW 1992, 2235 (2236)) und des BAG (BAGE 19, 342 (345) = NJW 1967, 2226 L = AP Nr. 13 zu § 91a ZPO; BAGE 45, 325 (330) = NVwZ 1985, 142 = AP Nr. 1 zu § 10 BAT (zu 3); BAGE 53, 97 (99) = NZA 1987, 250 = AP Nr. 20 zu § 75 BPersVG (zu I)) hat die Feststellung der Erledigung der Hauptsache eines Rechtsstreits und die im Zusammenhang damit ergehende Kostenentscheidung nicht nur den Eintritt eines erledigenden Ereignisses zur Voraussetzung, sondern weiter auch, daß die Klage im Zeitpunkt dieses Eintritts zulässig und begründet war. War die Klage bereits im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unbegründet, so ist eine einseitige Erledigungserklärung nicht möglich. Die Klage ist dann abzuweisen, ohne daß es der Prüfung eines besonderen Rechtsschutzinteresses für die der Erledigungserklärung widersprechende Partei bedarf (BGH, NJW 1992, 2235 (2236); BAGE 19, 342 (345) = NJW 1967, 2226 L = AP Nr. 13 zu § 91a ZPO). Der Widerspruch des Bekl. ist deshalb unbegründet.

2. Die Kl. war nicht berechtigt, von dem Bekl. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Einstellung jeder Tätigkeit für die Z auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowie die Unterlassung jeder Mitwirkung bei Vertrieb, Verkaufsförderung, anwendungstechnischer Beratung und Produktentwicklung von Heißluft-Dämpfern für Großküchen zu verlangen. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot der Parteien war nämlich unverbindlich (§ 74a I HGB).

a) Nach § 74a I 1 HGB ist das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen unverbindlich, soweit es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch in den Kunden- oder Lieferantenkreis verhindern soll. Das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt nicht (BAG, AP Nr. 2 zu § 74a HGB (zu III 2); BAG, AP Nr. 21 zu § 133f GewO). Das Schrifttum hat sich dieser Auffassung angeschlossen (Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 68; Grunsky, Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl., S. 92; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rdnr. 196; a.A. Duden, Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 74a HGB). Auch der erkennende Senat folgt der Rechtsprechung des 3. Senats. Die im Gesetzestext enthaltene Gegenüberstellung des berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers mit der unbilligen Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers zeigt, daß § 74a I HGB mehr als ein Willkürverbot umfaßt. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist deshalb nur dann verbindlich, wenn ein höherrangiges Interesse des Arbeitgebers besteht.

b) Das LAG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß während der Beschäftigung des Bekl. kein schutzwürdiges Vertriebskonzept der Kl. bestanden habe, das ein Verbot für jede Tätigkeit bei der nur auf einem Teilgebiet konkurrierenden Z rechtfertige. Dem ist entgegen den Angriffen der Revision zu folgen. Die Kl. ist ihrer Erklärungspflicht nach § 138 II ZPO nicht hinreichend nachgekommen. Nachdem der Bekl. bestritten hatte, daß das Vertriebskonzept der Kl. überhaupt Geschäftsgeheimnisse enthalte, hätte die Kl. sich dazu rechtzeitig mit substantiiertem Tatsachenvortrag erklären müssen. Das ist nicht geschehen. Zwar braucht der Arbeitgeber das zu schützende Geschäftsgeheimnis nicht zu offenbaren, muß es jedoch so deutlich beschreiben, daß zu ersehen ist, was durch das Wettbewerbsverbot geschützt werden soll (vgl. BAG, NZA 1989, 860 = NJW 1989, 3237 = AP Nr. 7 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis). Demgegenüber hat sich die Kl. nur pauschal erklärt. Sie hat keine einlassungsfähigen, nachvollziehbaren Tatsachen dargelegt, inwieweit ihr bereits durch Präsentationen und Veröffentlichungen bekannt gemachtes Vertriebskonzept auch schutzwürdige, nicht allgemein zugängliche Teilstrategien enthält.

Es bedarf keines Eingehens auf die von der Revision in Bezug genommenen Angaben aus dem Schriftsatz vom 17. 8. 1993. Die Verfahrensrüge der Kl. ist unbegründet. Nach § 67 II 1 ArbGG hätte die Kl. ihren neuen Sachvortrag in der Berufungsbegründung vorbringen müssen. Die Entscheidung des LAG, ein Zulassungsgrund nach § 67 II 2 ArbGG sei nicht gegeben, kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden. Das RevGer. ist bei der Überprüfung, ob das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des LAG die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hat, nach § 561 II ZPO an die tatsächlichen Feststellungen gebunden (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 67 Rdnr. 32). Im Streitfall ist festgestellt, daß der Bekl. für den Fall der Zulassung des verspäteten Vortrags der Kl. in der Berufungsverhandlung Schriftsatznachlaß beantragt hat. Die weitere Verfahrensrüge der Kl., das LAG habe § 286 LAG verletzt, ist ebenfalls unbegründet. In der von der Revision in Bezug genommenen Berufungsbegründungsschrift ist kein substantiierter Tatsachenvortrag enthalten. Dort wird nur pauschal ausgeführt, das Vertriebskonzept enthalte eine Reihe von Geschäftsgeheimnissen.

c) Mit dem LAG ist auch davon auszugehen, daß ein schutzwürdiges Interesse der Kl. nicht mit einer Gefahr für den Kundenstamm der Kl. begründet werden kann. Das LAG hat für das RevGer. bindend festgestellt (§ 561 ZPO), daß der Bekl. überwiegend als Koch in der Präsentation und Beratung für die Kl., aber nur selten in der Vertragsanbahnung tätig war. Der gelegentliche Kontakt mit Interessenten und Käufern reicht unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles nicht aus, um die ernsthafte Gefahr eines Einbruchs in den Kundenstamm zu begründen. Das LAG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kauf eines Gar-Dämpfers für die Endabnehmer regelmäßig eine einmalige Investition darstelle. Eine Kundenabwerbung aus diesem Kreis sei für die Dauer des Verbots nicht zu besorgen. Soweit der Bekl. mit Fachhändlern hauptsächlich bei der Gerätevorführung auf Hausmessen in Kontakt gekommen ist, hat die Kl. entgegen § 138 II ZPO sich nicht mit der Angabe konkreter Tatsachen erklärt. Das wäre aber erforderlich gewesen. Denn der Bekl. hatte vorgetragen, seine Kenntnis sei nicht über die allgemein bekannten Namen und Anschriften der Fachhändler hinausgegangen.

Die Revision verkennt auch, daß an das von ihr in Anspruch genommene spartenübergreifende Wettbewerbsverbot erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Der Bekl. war nämlich bei der Kl. nur im Vertrieb des Heißluft-Dämpfers tätig. Demgegenüber betreut er bei der Z den Verkaufsbereich Großküchen. Soweit die Revision einen Verstoß gegen § 286 ZPO rügt, entspricht die Rüge nicht den Anforderungen des § 554 III Nr. 3b ZPO. Es fehlt die Angabe, aufgrund welchen Vortrags das LAG zu welcher anderen Tatsachenfeststellung hätte gelangen müssen (vgl. BAG, NZA 1992, 894 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972 (zu II 2 a); BAGE52, 56 = NZA 1993, 181 = AP Nr. 32 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

d) Ein schutzwürdiges Interesse der Kl. besteht auch nicht wegen der Gefahr einer Verwertung von technischen Betriebsgeheimnissen. Das LAG hat festgestellt, daß der Bekl. als Kundenberater und Küchenchef kein für die Konkurrenz verwertbares technisches Detailwissen erworben habe. Diese Feststellung ist von der Revision nicht angegriffen worden. Sie ist deshalb nach § 561 ZPO bindend.

II. Entgegen der Ansicht der Revision kann das RevGer. in der Sache selbst entscheiden (§ 565 III ZPO). Der geltend gemachte absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO liegt nicht vor. Die gerügte unvollständige Begründung des LAG ist jedenfalls nicht so lückenhaft, daß aus ihr nicht zu erkennen ist, welche rechtlichen Erwägungen und welche tatsächlichen Feststellungen für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren (vgl.BAG, AP Nr. 9 zu § 551 ZPO).

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

HGB § 74a; ZPO § 91a