Wirksamkeit der Befristung von Teilzeitarbeitsverhältnissen

Gericht

BAG 7. Senat


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

12. 09. 1996


Aktenzeichen

7 AZR 790/95


Leitsatz des Gerichts

Ein vorübergehender Mehrbedarf an Arbeitskräften kann die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu erwarten ist, daß für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers nach Ablauf der Vertragszeit kein Bedarf mehr besteht. Dafür hat der Arbeitgeber eine Prognose zu Umfang und Dauer des voraussichtlichen Mehrbedarfs zu erstellen. Deren Grundlage hat er offenzulegen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung ihrer Teilzeitarbeitsverhältnisse.

Mit der Kl. zu 1) hat die Bekl. am 12. 6. 1992 eine Vereinbarung als Abrufkraft für die Dienststelle Briefabgang getroffen. Danach war das Arbeitsverhältnis jeweils für eine Dienstschicht zweckbefristet für die Krankenvertretung von Stammkräften und die Bewältigung eines überdurchschnittl. hohen Sendungsaufkommens. Nach Maßgabe der Abrufvereinbarung war die Kl. zu 1) am 23. 4. und am 12. 5. 1993 jeweils für vier Stunden und zuletzt am 14. 1. 1994 für fünf Stunden beschäftigt worden.

Daneben hatten die Kl. zu 1) und die Bekl. seit 1992 fünf befristete Arbeitsverträge vereinbart. Nach denen war die Kl. zu 1) im Briefabgang nahezu durchgängig 20 Wochenstunden beschäftigt worden. Seit Mitte 1993 war die Kl. zu 1) nach den Verträgen vom 21. 5. 1993, vom 1. 7. 1993 und zuletzt vom 6. 9. 1993 insgesamt für die Zeit vom 17. 5. 1993 bis 31. 12. 1993 tätig geworden. Im letzten Arbeitsvertrag war als Befristungsgrund ein erhöhter Personalbedarf und Weihnachtsverkehr angegeben.

Mit der Kl. zu 2) hat die Bekl. ebenfalls am 12. 6. 1992 einen Vertrag als Abrufkraft geschlossen, auf dessen Grundlage die Arbeitnehmer in den Jahren 1992 und 1993 an insgesamt acht Tagen zwischen 3,5 und 10 Wochenstunden und an weiteren neun Tagen im Januar 1994 zwischen 4 und 6 Stunden beschäftigt war. Daneben waren auch mit der Kl. zu 2) seit 1992 insgesamt vier befristete Arbeitsverträge geschlossen worden, aufgrund deren sie überwiegend 20 Stunden wöchentl. tätig war. Zuletzt war im Vertrag vom 4. 6. 1993 eine Beschäftigungszeit vom 1. 6. bis 31. 7. 1993 und daran anschließend mit Vertrag vom 6. 9. 1993 eine Beschäftigung für die Zeit vom 1. 8. bis 31. 12. 1993 vereinbart worden. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages wurde ebenfalls mit erhöhtem Personalbedarf und Weihnachtsverkehr begründet.

Die Parteien sind tarifgebunden. Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. 1. 1955 (TV Arb) in der hier maßgebl. Fassung über die Einteilung der Arbeiter lauten wie folgt:

"§ 2

(1) Die Arbeiter werden eingeteilt in

1. a) vollbeschäftigte ständige Arbeiter, b) nichtvollbeschäftigte ständige Arbeiter - sie erhalten Monatslohn -,

2. a) vollbeschäftigte nichtständige Arbeiter, b) nichtvollbeschäftigte nichtständige Arbeiter - sie erhalten Lohn nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden -.

(2) Ständige Arbeiter sind solche Arbeiter, die für einen regelmäßigen Arbeitsanfall zu dauernder Beschäftigung benötigt werden. Eine dauernde Beschäftigung i.S. des Satzes 1 ist immer dann gegeben, wenn die Beschäftigung für voraussichtl. länger als drei Monate vorgesehen ist.

(3) Nicht unter Abs. 2 fallende Arbeiter sind nichtständige Arbeiter und werden nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden entlohnt. Stellt sich bei einem solchen Arbeiter im Laufe eines Kalendermonats heraus, daß er die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt, so ist er vom Beginn des folgenden Kalendermonats an ständiger Arbeiter und erhält Monatslohn. ..."

Zur Arbeitszeit bestimmt § 5 Abs. 2 TV Arb:

"Der wöchentl. Durchschnitt der regelmäßigen Arbeitszeit ausschließl. der Pausen (Wochenarbeitszeit) für die nichtvollbeschäftigten Arbeiter wird durch den Einzelarbeitsvertrag vereinbart. ..."

Die Kl. sind der Ansicht, ein die Befristung rechtfertigender Personalmehrbedarf habe nicht bestanden.

Die Kl. haben jeweils beantragt,

1. festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis über den 31. 12. 1993 hinaus fortbesteht,

2. die Bekl. zu verurteilen, sie über den 31. 12. 1993 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmerin mit einer durchschnittl. Wochenarbeitszeit von 20 Stunden weiterzubeschäftigen.

Die Bekl. hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hält die Befristung der letzten Arbeitsverträge für wirksam. Die Umstellung auf das neue Postleitzahlensystem zum 1. 7. 1993 und der ab Oktober einsetzende Weihnachtspostverkehr hätten zu einem vorübergehenden Mehrbedarf an Arbeitskräften geführt.

Das ArbG hat die Bekl. jeweils antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichteten Berufungen blieben ohne Erfolg. Die Revision der Bekl. ist unbegründet.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Arbeitsverhältnisse der Parteien haben nicht infolge Fristablaufs mit dem 31. 12. 1993 geendet. Die in den Arbeitsverträgen vom 6. 9. 1993 vereinbarten Befristungen sind nicht durch einen sachl. Grund gerechtfertigt und damit unwirksam.

I. Entgegen der Ansicht des LAG läßt sich der Anspruch der Kl. auf Feststellung eines über den 31. 12. 1993 fortbestehenden Teilzeitarbeitsverhältnisses nicht auf die Vereinbarung vom 12. 6. 1992 i. V. mit tarifvertragl. Vorschriften über den Status teilzeitbeschäftigter Arbeiter stützen.

1. Die Vereinbarung ist zwar auf unbestimmte Zeit geschlossen. Sie ermöglicht es der Bekl., die Kl. auf Abruf im Briefabgang einzusetzen. Die Bekl. ist jedoch zu einer Beschäftigung der Kl. nicht verpflichtet. Nach Nr. I Satz 1 der Vereinbarung erfolgte die Einstellung der Kl. als nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmerin i.S. des § 5 Abs. 2 TV Arb. Für diesen Personenkreis bestimmt § 5 Abs. 2 Satz 1 TV Arb, daß die Festlegung der wöchentl. Arbeitszeit einer gesonderten Vereinbarung bedarf. Durch die Bezugnahme auf diese Tarifvorschrift haben die Parteien die Arbeitspflicht nicht in der Vereinbarung selbst geregelt, sondern einer künftigen Einigung vorbehalten. Auf Grund dessen ist die Bekl. nicht berechtigt, von den Kl. eine Arbeitsleistung zu fordern. Die Kl. sind ihrerseits zur Leistung der versprochenen Dienste erst nach Annahme eines entspr. Angebots der Bekl. verpflichtet.

2. Die nach dieser Vereinbarung erforderl. Einigung der Parteien über einen tatsächl. Arbeitseinsatz wird entgegen der Ansicht des LAG nicht durch eine in § 2 Abs. 3 TV Arb angeordnete Statusumwandlung ersetzt.

a) § 2 Abs. 1 TV Arb regelt die Einteilung der voll- oder nichtvollbeschäftigten Arbeiter zur Gruppe der ständigen oder nichtständigen Arbeiter und die Art ihrer Entlohnung. Die Abs. 2 und 3 des § 2 TV Arb enthalten die Zuordnungskriterien. Danach sind ständige Arbeiter solche, die für einen regelmäßigen Arbeitsanfall zu einer voraussichtl. länger als drei Monate dauernden Beschäftigung vorgesehen sind (§ 2 Abs. 2 TV Arb). Arbeiter, deren Einsatz diese Kriterien nicht erfüllen, sind nichtständige Arbeiter (§ 2 Abs. 3 Satz 1 TV Arb). Nach der Tarifnorm ist die Zuordnung zum Kreis der ständigen bzw. nichtständigen Arbeiter von Bedeutung für die Art der Entlohnung und weitere an diesen Status knüpfende tarifvertragl. Regelungen etwa zum Arbeitsentgelt (§ 2 Abs. 1, § 6 Abs. 9, § 11 Abs. 2 und 3, § 16 Abs. 3 TV Arb), für die Arbeitsbefreiung (§ 5 Abs. 6 TV Arb) sowie zur Berechnung der Dienstzeit (§ 9a Abs. 1 TV Arb). Nach seinem Wortlaut läßt § 2 TV Arb jedoch die Art des mit dem Arbeiter abgeschlossenen Vertrages (befristet oder unbefristet) unberührt. Die Unterscheidung ständiger und nichtständiger Arbeiter bezieht sich auf einen tatsächl. Arbeitseinsatz unabhängig davon, ob sich dieser Arbeitseinsatz auf der Grundlage eines befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnisses vollzieht.

b) Nichts anderes gilt für die in § 2 Abs. 3 Satz 2 TV Arb geregelte Statusumwandlung. § 2 Abs. 3 Satz 2 TV Arb ordnet an, daß ein nichtständiger Arbeiter, bei dem sich im Laufe eines Kalendermonats nach Aufnahme der Beschäftigung herausstellt, daß er die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 TV Arb erfüllt, von Beginn des folgenden Kalendermonats an ständiger Arbeiter i.S. der Tarifvorschrift ist. Die Einteilung als ständiger oder nichtständiger Arbeiter steht in keinem Zusammenhang mit der Art und der Dauer des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses. Dieses Rechtsverhältnis wird dann auch von der Umwandlung nicht betroffen.

II. Das LAG hat in seiner Alternativbegründung zu Recht angenommen, daß jedenfalls die Befristung der Arbeitsverträge vom 6. 9. 1993 sachl. nicht gerechtfertigt ist.

1. Diese Verträge unterliegen der Befristungskontrolle, obwohl die Kl. nach Ablauf der Vertragszeit zuletzt am 14. 1. 1994 für die Bekl. im Briefabgang tätig waren.

a) Seit der Entscheidung vom 8. 5. 1985 (BAG 49, 73 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) geht der Senat zwar in ständiger Rechtspr. davon aus, daß bei mehreren aufeinander folgenden Arbeitsverhältnisse im Rahmen der arbeitsgerichtl. Befristungskontrolle in der Regel nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre sachl. Rechtfertigung hin zu prüfen ist. Durch den vorbehaltlosen Abschluß eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen maßgebend ist. Dieser Rechtspr. liegt die Erwägung zugrunde, daß es des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages nicht bedarf, wenn die Befristung der vorangegangenen Verträge unwirksam ist und die Parteien sich deshalb bereits in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinden. Da ein unbefristetes und ein befristetes Arbeitsverhältnis mit sonst gleichem Inhalt sich einander ausschließen, macht der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages nur dann einen Sinn, wenn die Parteien Zweifel an der Unwirksamkeit der Befristung der früheren Verträge haben und den weiteren befristeten Vertrag unter einem entspr. Vorbehalt abschließen. Daher ist auch in Fällen, in denen sich zwei Arbeitsverträge zu einer Vollzeitbeschäftigung ergänzen, auf die beiden letzten nebeneinander laufenden Verträge abzustellen (BAG Urt. vom 8. 4. 1992 - 7 AZR 135/91 - AP Nr. 146 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

b) Nach dem objektiven Erklärungswert der rechtsgeschäftl. Erklärungen spricht nichts dafür, daß die Parteien durch die Arbeitsaufnahme der Kl. im Rahmen der Vereinbarungen vom 12. 6. 1992 ihre durch Arbeitsverträge vom 6. 9. 1993 begründeten Rechtsbeziehungen auf eine neue Grundlage stellen wollten. Vielmehr haben die Kl. trotz Identität der jeweiligen Arbeitsaufgaben eine auf anderer Rechtsgrundlage geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Zudem waren sie über den konkreten Arbeitseinsatz hinaus nach der Vereinbarung nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft der Bekl. zur Verfügung zu stellen. Wie auch die bisherige Vertragspraxis der Parteien zeigt, bestanden die jeweiligen befristeten Arbeitsverhältnisse stets neben der Rahmenvereinbarung und einer darauf beruhenden einsatzbezogenen Konkretisierung.

2. Die Befristung der Arbeitsverträge vom 6. 9. 1993 bedurfte zu ihrer Wirksamkeit eines Sachgrundes. Durch sie konnten die Kl. dem Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen entzogen werden. Zwar bestanden die letztl. für die Befristungskontrolle maßgebenden Arbeitsverhältnisse nur vier Monate, während der Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG erst bei einem ohne Unterbrechung für mehr als sechs Monate bestehenden Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber einsetzt. Auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG sind jedoch die Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen rechtl. und sachl. Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht (BAG Urt. vom 10. 5. 1989, BAG 62, 48, 53 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG1969 Wartezeit [IIc aa der Gründe]; BAG Urt. vom 4. 4. 1990, BAG 65, 86, 94 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [A II 2 der Gründe]). Ein enger sachl. Zusammenhang liegt schon deswegen vor, weil die Kl. mit gleichbleibenden Aufgaben und sonstigen gleichbleibenden Arbeitsbedingungen bereits aufgrund befristeter Arbeitsverträge vom 1. 7. 1993 für die Zeit vom 7. 6. bis 31. 7. 1993 (Kl. zu 1) und vom 4. 6. 1993 für die Zeit vom 1. 6. bis 31. 7. 1993 (Kl. zu 2) bei der Bekl. tätig waren. Demzufolge waren sie bis zum Ablauf des letzten befristeten Arbeitsvertrages mehr als sechs Monate bei der Bekl. ununterbrochen beschäftigt. Ob zur Berechnung der Sechs-Monats-Frist auch die früheren Beschäftigungszeiten bei der Bekl. aufgrund der Vereinbarungen vom 12. 6. 1992 heranzuziehen sind, bedarf keiner Entscheidung.

3. Die Befristung der Arbeitsverträge vom 6. 9. 1993 ist unwirksam. Die Bekl. hat einen vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Kl. nicht dargelegt.

a) Nach der Rechtspr. des BAG kann ein zusätzl., aber vorübergehender Arbeitskräftebedarf die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (Urt. vom 14. 1. 1982, BAG 37, 305, 317f. = AP Nr. 65 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [B III 2a der Gründe], m.w.N.). Dafür muß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit zu erwarten sein, daß für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht. Dafür ist eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Eine bloße Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs reicht für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht aus (Urt. vom 13. 5. 1982, BAG 39, 38 = AP Nr. 68 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Urt. vom 10. 6. 1992 - 7 AZR 346/91 - EzA § 620 BGB Nr. 116; Urt. vom 31. 3. 1993 - 7 AZR 536/92 - (nicht veröffentlicht)).

Die Wirksamkeit einer Befristung wegen eines vorübergehenden Mehrbedarfs setzt zudem voraus, daß der Arbeitnehmer gerade zur Deckung dieses Mehrbedarfs eingestellt wird. Der Arbeitgeber darf einen zeitweiligen Mehrbedarf an Arbeitskräften nicht zum Anlaß nehmen, beliebig viele Arbeitnehmer einzustellen. Vielmehr muß sich die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer im Rahmen des vorübergehenden Mehrbedarfs halten und darf diesen nicht überschreiten (BAG Urt. vom 18. 4. 1986 - 7 AZR 583/84 - (nicht veröffentlicht); BAG Urt. vom 15. 11. 1989 - 7 AZR 529/88 - (nicht veröffentlicht)).

b) Die Bekl. hat zwar Ereignisse genannt, die für sich gesehen einen Mehrbedarf an Arbeitskräften begründen können. Sie hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die Grundlage einer hinreichend sicheren Prognose sein konnten. Zur Begründung eines nur vorübergehend gestiegenen Mehrbedarfs hat die Bekl. auf einen mit der Umstellung auf das neue Postleitzahlensystem zum 1. 7. 1993 verbundenen erhöhten Anlernbedarf bei den Verteilerkräften verwiesen. Dazu trägt sie im wesentl. vor, als Folge der im Juli 1993 erfolgten Umstellung der Verteilfachschränke auf das neue Postleitzahlensystem sei die Verteilleistung zunächst um 40 % gesunken, jedoch bis zum Jahresende kontinuierl. angestiegen. Schon diese Angaben lassen nicht erkennen, welcher Mehrbedarf an Verteilkräften durch die Umstellung auf das fünfstellige Postleitzahlensystem entstanden ist. Es fehlt auch an Anhaltspunkten dafür, wieviele zusätzl. Verteilkräfte im Zusammenhang mit der Änderung des Postleitzahlensystems befristet oder unbefristet eingestellt worden sind oder ob ggf. dem zusätzl. Bedarf durch eine Umverteilung der Arbeit innerhalb der Stammbelegschaft oder durch vorübergehende Abordnungen Rechnung getragen worden ist. Auch zum konkreten Wegfall des Mehrbedarfs enthält der Vortrag keine Angaben. Die Bekl. hat aber anhand konkreter Tatsachen darzulegen, weshalb nach Ablauf des Befristungszeitraums keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung der Kl. besteht. Erweist sich ihre Prognose zum Fehlen eines Weiterbeschäftigungsbedarfs als unzutreffend, muß sie jedenfalls diejenigen tatsächl. Umstände benennen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine gegenteilige Prognose rechtfertigen konnten. Daran fehlt es. Die Bekl. nennt nicht einmal Berechnungsgrößen, anhand derer sie einen konkreten vorübergehend erhöhten Personalbedarf im Verteilerbereich ermittelt haben will. Auch ihrer Behauptung, während einer Einarbeitungsphase habe die gesunkene Verteilleistung nur durch den Einsatz zusätzl. Kräfte kompensiert werden können, läßt weder den voraussichtl. Umfang noch die voraussichtl. Dauer des Mehrbedarfs erkennen.

Dasselbe gilt, soweit sich die Bekl. auf einen erhöhten Personalbedarf im Codierungsbereich beruft. Zwar meint sie, aufgrund der Einrichtungen zweier zusätzl. Codierplätze im September 1993 habe sie davon ausgehen können, in diesem Bereich nach dem 31. 12. 1993 keine zusätzl. Arbeitskräfte mehr zu benötigen. Daran wird nicht ersichtl., welcher vorübergehende Mehrbedarf an Arbeitskräften tatsächl. bestanden hat. Die Bekl. legt auch nicht dar, in welchem Umfang sie einem zusätzl. Bedarf durch Neueinstellungen Rechnung getragen hat.

Auch der behauptete Mehrbedarf zur Bewältigung eines erhöhten Sendungsaufkommens zu Weihnachten 1993 ist nicht geeignet, die Befristung der Arbeitsverhältnisse der Kl. zu rechtfertigen. Die Bekl. nennt keine tatsächl. Umstände, aus denen sich ergibt, wieviele Arbeitskräfte für die Bewältigung eines bis Dezember steigenden Postaufkommens voraussichtl. ausreichend sind. Dazu hätte es nahegelegen, zunächst den für die Bewältigung eines durchschnittl. Sendungsaufkommens notwendigen Personalbedarf vorzutragen. Die Bekl. hätte dann die voraussichtl. Entwicklung des Sendungsaufkommens für die Zeit bis Dezember aufzeigen und anhand dessen einen zusätzl. Personalbedarf ermitteln müssen. Insgesamt hat sich die Bekl. darauf beschränkt, einen Bedarf an zusätzl. Arbeitskräften aufgrund unterschiedl. tatsächl. Ereignisse vorzutragen. Konkrete Umstände, die eine tragfähige Prognose über Umfang und Dauer des Mehrbedarfs erlauben, zeigt sie nicht auf.

4. Ohne Erfolg rügt die Revision eine Verkennung der Grundsätze zur Verteilung der Darlegungslast durch das LAG.

Zum Sachgrund eines vorübergehenden Mehrbedarfs gilt nach ständiger Rechtspr. des BAG eine abgestufte Darlegungslast. Behauptet der Arbeitnehmer einen dauerhaften Bedarf des Arbeitgebers an seiner Arbeitsleistung, ist der Arbeitgeber gehalten, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die eine entspr. Prognose über Umfang und Dauer des voraussichtl. Mehrbedarfs zulassen. Dazu sind die Grundlagen dieses Wahrscheinlichkeitsurt. auszuweisen (BAG Urt. vom 10. 6. 1992, EzA § 620 BGB Nr. 116 [III 2a der Gründe]). Diese Prognose hat sich auch darauf zu beziehen, ob im Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Bedarf mehr an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers besteht. Wird die Prognose des Arbeitgebers durch die spätere Entwicklung bestätigt, besteht eine ausreichende Vermutung dafür, daß sie hinreichend fundiert erstellt worden ist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, Tatsachen vorzutragen, nach denen zumindest im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses diese Prognose nicht gerechtfertigt war. Hat sich die Prognose nicht bestätigt, muß der Arbeitgeber die ihm bei Vertragsab- schluß bekannten Tatsachen vorbringen, die ihm jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, daß nach Ablauf der Befristung kein konkreter Bedarf mehr an der Arbeitsleistung des eingestellten Arbeitnehmers besteht.

Im Hinblick darauf durfte sich die Bekl. nicht darauf beschränken, ledigl. das Ergebnis ihrer Überlegungen mitzuteilen. Vielmehr war sie gehalten, ihre konkreten Erkenntnisquellen offenzulegen.

Vorinstanzen

LAG Bremen

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag; KSchG 1969 § 1 Abs. 1 und Abs. 2; Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) vom 6. Januar 1955 i.d.F. vom 7. Mai 1992 § 2, § 5 Abs. 2