Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

22. 01. 1997


Aktenzeichen

11 C 10/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren nach der Gebührenverordnung vom 28. 9. 1989 (BGBl I, 1809) - FlusAAGV - verstößt nicht gegen Bundesrecht (wie Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage - BVerwG, NVwZ-RR 1997, 648 (in diesen Heft)).

  2. Die Erhebung einer Pauschalgebühr für Luftfahrtzeuge mit einer zulässigen Starthöchstmasse bis zu 2000 kg nach § 2 II FlusAAGV ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht zwischen Sicht- und Instrumentenflug unterscheidet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren für die Monate Oktober 1990 und April 1991. Der Kl. ist Eigentümer und Halter eines Flugzeuges mit einer zulässigen Starthöchstmasse unter 2000 kg. Mit Bescheid vom 20. 11. 1990 setzte die Bundesanstalt für Flugsicherung Gebühren für zwei Starts im Monat Oktober 1990 vom Flughafen D. in Höhe von 24 DM, mit Bescheid vom 22. 5. 1991 für drei Starts im Monat April 1991 in Höhe von 36 DM fest. Gegen beide Bescheide legte der Kl. Widerspruch mit der Begründung ein, die Erhebung von Gebühren sei unzulässig. Insbesondere die Gebühr für Flugzeuge bis 2000 kg sei im Verhältnis zu größeren Flugzeugen unverhältnismäßig hoch. Widerspruch, Klage, Berufung und Revision des Kl. blieben ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs greift nicht durch. Ein solcher Verstoß kann in Betracht kommen, wenn das Urteil entscheidungserheblich auf einen Gesichtspunkt gestützt wird, mit dem die Bet. nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht rechnen mußten und zu dem sie vorher nicht Stellung nehmen konnten. Haben im gerichtlichen Verfahren rechtliche Erwägungen hingegen bereits eine Rolle gespielt, bedarf es nach der Rechtsprechung des BVerwG keines (erneuten) Hinweises des BerGer., auf welche Gesichtspunkte es voraussichtlich seine Entscheidung stützen werde und wie es eine bestimmte Norm auszulegen gedenke, zumal sich die genaue Begründung des Urteils und die dafür maßgeblichen Erwägungen oftmals erst aus der Beratung des Gerichts nach der mündlichen Verhandlung ergeben (vgl. etwa BVerwG, Buchholz 310 § 86 III VwGO Nr. 38 und BVerwG, Buchholz 11 Art. 103 I GG Nr. 42). Da die Rechtmäßigkeit sowohl der Gebührenberechnungsformel des § 2 I FlusAAGV als auch die der Pauschalgebühr des § 2 II FlusAAGV bereits im erstinstanzlichen Verfahren erörtert worden sind, liegt ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht vor.

2. Das Berufungsurteil hält auch im übrigen einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

Der erkennende Senat hat in seinem heutigen Urteil im Verfahren 11 C 12/95 (NVwZ-RR 1997, 648 (in diesem Heft)) aus den dort im einzelnen dargelegten Gründen entschieden, daß die Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren-Verordnung - FlusAAGV - vom 28. 9. 1989 (BGBl I, 1809) von der Rechtsverordnungsermächtigung des § 32 I 1 Nr. 14 i.V. mit Nr. 13 S. 2 bis 4 LuftVG gedeckt und mit dem Grundgesetz vereinbar ist und daß insbesondere die Gebührenbemessungsformel des § 2 I FlusAAGV für Flugzeuge mit einer zulässigen Starthöchstmasse über 2000 kg weder gegen das Äquivalenzprinzip noch gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit als spezielle Ausformung des Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG verstößt. Entschieden ist darin ferner, daß die Festsetzung von 2000 kg zulässiger Starthöchstmasse als Richtzahl für ansteigende Gebühren nach Maßgabe des § 2 I FlusAAGV nicht willkürlich ist.

Auch die hier von der damaligen Bundesanstalt für Flugsicherung erhobene, vom Kl. beanstandete Einheitsgebühr des § 2 II FlusAAGV für Flugzeuge bis zu 2000 kg zulässiger Starthöchstmasse - in Höhe von 12 DM pro Abflug - ist mit Bundesrecht vereinbar. Das BerGer. hat in seinem Urteil festgestellt, daß der Verordnungsgeber die Flüge der Flugzeuge bis 2000 kg deswegen pauschal mit einer reduzierten Einheitsgebühr belegt hat, weil er davon ausgegangen ist, daß die größte Zahl der Flüge in dieser Gewichtsklasse nur die Flugplatzkontrolle, nicht auch die Radarkontrolle in Anspruch nimmt und damit ein durchschnittlicher Aufwand von nur 40 % der sonstigen Dienstleistungseinheiten entsteht; eine Benachteiligung der Sichtflüge in dieser Gruppe gegenüber dem Instrumentenflug scheidet bereits deshalb aus. Das Vorbringen der Revision, es gebe auch in der Gruppe bis 2000 kg zahlreiche Flugzeuge, die für Instrumentenflugregeln ausgestattet seien, begründet keinen Verstoß gegen Bundesrecht.

Denn nach der Rechtsprechung des BVerwG hat der Verordnungsgeber in den Grenzen des Willkürverbots eine weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der Kriterien auch für eine Pauschalgebühr. Ob er die vernünftigste, zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, unterliegt nicht der verwaltungsgerichtlichen Prüfung. Pauschalierungen und Typisierungen können auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in Betracht kommen und sind erst dann von der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers nicht mehr gedeckt und verstoßen gegen den Gleichheitssatz, wenn ein einleuchtender Grund für eine vorhandene oder fehlende Differenzierung nicht mehr erkennbar ist und die getroffene Regelung willkürlich erscheint (vgl. BVerwGE 80, 36 (42) = NVwZ 1989, 456 = NZV 1989, 165; BVerwG, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 = NVwZ-RR 1995, 594 = DÖV 1995, 826 = DWW 1995, 289).

Dafür gibt es hier keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Auffassung der Revision, die Gebührenerhebung sei auch deshalb unzulässig, weil sie ausschließlich vom Instrumentenflugverkehr der großen Flugzeuge veranlaßt sei, läßt außer Betracht, daß nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des BerGer. die Flugsicherung auch für die Flugzeuge bis zu 2000 kg bereitgehalten wird und (auch) diese die Dienste der Flugsicherung aus Gründen der eigenen Sicherheit und der Sicherheit des Luftverkehrs insgesamt in Anspruch nehmen. Damit erbringt die Flugsicherung für einen speziellen, von der Allgemeinheit deutlich abgrenzbaren Personenkreis eine besondere Leistung, für die die An- und Abflug-Gebühr eine zulässige Gegenleistung darstellt (vgl. hierzu Senat, NVwZ-RR 1997, 648 (in diesem Heft)).

Die Rüge des Kl., die Flugsicherung treibe überzogenen Aufwand und verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip, bezieht sich mit ihren allgemeinen Darlegungen nicht auf die hier streitigen Erhebungsmonate Oktober 1990 und April 1991, sondern auf die erst nach der Änderung des Art. 87d I 2 GG "privatisierte" Flugsicherung.

Es bedarf daher keiner Entscheidung, welche Anforderungen an die hinreichende Darlegung eines Verstoßes gegen das Kostendeckungsprinzip wegen überhöhten Verwaltungsaufwands zu stellen wären.

Rechtsgebiete

Verwaltungsrecht

Normen

LuftVG § 32 I 1 Nr. 14; FlusAAGV § 2 II