Hinweispflicht auf niedrigeren Reisepreis bei Wahl eines alternativen Abflugorts
Gericht
AG Bad Homburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
06. 06. 1997
Aktenzeichen
2 C 431/97-19
Könnte der Reisende durch Wahl eines anderen, aber von seinem Wohnort ähnlich weit entfernten Abflug- und Ankunftsort 381 DM der Reisekosten einsparen, so muss er vom Reisebüro darauf hingewiesen werden. Andernfalls haftet der Veranstalter für diesen von seinem Erfüllungsgehilfen verursachten Schaden.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl., wohnhaft in Würzburg, buchte bei der Bekl. für sich und ihren Ehemann eine Flugpauschalreise nach Kreta ab Frankfurt zu einem Endpreis von 2059 DM pro Person (Halbpension). Nach Urlaubsrückkehr erfuhr die Kl., daß dieselbe Reise bei der Bekl. lediglich 1668 DM pro Person gekostet hätte, wenn sie den Flughafen Nürnberg als Start- und Endpunkt der Reise gewählt hätte. Die Kl. ist der Ansicht, daß das die Buchung vermittelnde Reisebüro sie über diesen Preisunterschied des Reisevertrags hätte aufklären müssen und daß die Bekl. für die Aufklärungspflichtverletzung des Reisebüros aus culpa in contrahendo einzustehen habe. Die Klage auf Rückerstattung der Preisdifferenz in Höhe von 762 DM hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Die Kl. hat einen Anspruch gegen die Bekl. aus culpa in contrahendo auf Ersatz der Mehrkosten in Höhe von 762 DM, die ihr dadurch entstanden sind, daß sie die streitgegenständliche Flugpauschalreise ab dem Flughafen Frankfurt a.M. gebucht hat. Das die Buchung vermittelnde Reisebüro hat eine Beratungspflicht verletzt, indem es die Kl. bei den Buchungsverhandlungen nicht darauf hingewiesen hat, daß die von der Kl. ausgewählte Reise um 381 DM pro Person billiger sein würde, wenn sie vom Flughafen Nürnberg aus angetreten würde. Für diese Pflichtverletzung hat die Bekl. nach § 278 BGB einzustehen.
Es ist in der Rechtsprechung bereits seit längerem anerkannt, daß den Reiseveranstalter bereits bei den Buchungsverhandlungen umfangreiche Informations- und Aufklärungspflichten treffen (vgl. hierzu Tempel, NJW 1996, 1625f. m.w. Nachw.), die nunmehr zum Teil in der Verordnung vom 14. 11. 1994 über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern ausdrücklich geregelt sind. Nicht geklärt ist bisher, ob die Informationspflicht des Reiseveranstalters soweit reicht, den Reisenden auf Preisvorteile hinzuweisen, die sich aus bestimmten, vom Reisenden wählbaren Modalitäten der beabsichtigten Reise ergeben. Dies ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall zu bejahen.
Bietet ein Reiseveranstalter seine Reisen über Reisebüros an, so nimmt er dabei ein besonderes Vertrauen seiner Kunden in Anspruch, durch das Personal der Buchungsstellen über erhebliche Umstände des beabsichtigten Vertrags wie z.B. die Reisepreisberechnung, die für einen durchschnittlichen Kunden ausschließlich anhand des Katalogs im Regelfall nur schwer nachvollziehbar ist, sachkundig aufgeklärt zu werden. Dieses in Anspruch genommene Vertrauen rechtfertigt es, dem Veranstalter in den Fällen, in denen sich der Reisende für ein bestimmtes Hotel sowie eine bestimmte Reisezeit entschieden hat und nunmehr nur noch die Modalitäten der Transportleistung klärungsbedürftig sind, gewisse Beratungspflichten über die interessengerechte Ausgestaltung des Transports aufzuerlegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Transportleistung für den Reisenden regelmäßig ohne Eigenwert für den Vertragszweck ist und es ihm hinsichtlich der Modalitäten dieser Leistung typischerweise nur darum geht, einerseits die Flugkosten möglichst gering zu halten und andererseits den Flug von dem am nächsten zu seinem Wohnort gelegenen Flughafen anzutreten. Da es sich hierbei um eine typisierte Interessenlage des Reisenden handelt, die dem Reiseveranstalter auch bekannt ist, erscheint es sachgerecht, von demjenigen Veranstalter, der neben der bloßen Information über seine Leistungen durch einen Reisekatalog eine zusätzliche Beratung durch Reisebüros dem Kunden zur Verfügung stellt, in den Fällen, in denen von dem Wohnort des Reisenden offensichtlich zwei Abflughäfen im Inland etwa gleich weit entfernt sind, ungefragt eine Aufklärung darüber zu verlangen, wie sich die Reisepreise alternativ berechnen, sofern sich aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisenden erhebliche Preisunterschiede je nach Wahl des einen oder anderen Abflugorts ergeben würden. Diese beiden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Von dem Wohnort Würzburg der Kl. sind die Flughäfen Frankfurt und Nürnberg in etwa gleich weit entfernt und durch gut ausgebaute öffentliche Verkehrsverbindungen auch in derselben Zeit erreichbar. Da ein Preisunterschied von 381 DM pro Person für den Pauschalreisenden mit einem mittleren Einkommen auch einen erheblichen Betrag darstellt, der üblicherweise nicht ohne Einfluß auf die Wahl zwischen zwei gleich weit entfernten Abflugmöglichkeiten bleibt, hätte die Bekl. hierauf hinweisen müssen.
Die unzureichende Beratung durch die Mitarbeiterin des die Buchung vermittelnden Reisebüros ist der Bekl. auch zuzurechnen. Da es sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Kl. bei dem Reisebüro um einen direkten Filialbetrieb der Bekl. handelt, ist es bei dem Buchungsgespräch als deren Erfüllungsgehilfe tätig geworden, so daß seine Handlungen der Bekl. nach § 278 BGB zuzurechnen sind.
Der sich aus der Informationspflichtverletzung der Bekl. im Rahmen der Vertragsverhandlungen ergebende Schadensersatz beläuft sich auf das negative Interesse. Die Kl. kann mithin verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Vertrag ohne die Pflichtverletzung der Bekl. abgeschlossen worden wäre. Da sie in diesem Fall die Reise bei der Bekl. über den Flughafen Nürnberg zu einem um 381 DM pro Reiseteilnehmer günstigeren Preis gebucht hätte, steht ihr ein Ersatzanspruch in Höhe von insgesamt 762 DM zu.
Die Bekl. vermag sich gegenüber dem Ersatzanspruch der Kl. nicht auf die Versäumung der Ausschlußfrist des § 651g I BGB zu berufen. Die Kl. hat ihre Ansprüche innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vereinbarten Reiseende am 14. 11. 1996 bei dem die Buchung vermittelnden Reisebüro mündlich angemeldet, was für die Einhaltung der Ausschlußfrist als ausreichend zu betrachten ist (vgl. Tonner, Der Reisevertrag, 3. Aufl., § 651g Rdnr. 8). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Bekl. in ihrer Reisebestätigung entsprechend § 3 IIh der InformationsVO der Kl. ausdrücklich mitgeteilt hätte, daß Anmeldungen von Ansprüchen nach Reiseende allein an ihre Zentrale zu richten sind. Dies ist von ihr jedoch nicht behauptet worden.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen