Rückzahlung von Weiterbildungskosten aufgrund Tarifvertrags

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

23. 04. 1997


Aktenzeichen

5 AZR 29/96


Leitsatz des Gerichts

Eine Weiterbildung erfolgt auch dann "im Rahmen des Personalbedarfs" des Arbeitgebers (Nr. 7 SR 2a BAT), wenn dem Arbeitnehmer die höhergruppierte Stelle im Hinblick darauf übertragen wird, daß er anschließend die Weiterbildung durchführt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob der Bekl. verpflichtet ist, der Kl. die Kosten seiner Weiterbildung zum Pflegestationsleiter nach der tariflichen Regelung SR 2a Nr. 7 BAT zu erstatten. Der Bekl. war bei der Kl. als Krankenpfleger beschäftigt. Kraft Vereinbarung galten die Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge. Auf Veranlassung der Kl. nahm der Bekl. an einem Weiterbildungslehrgang "Leitung einer Station" in Kiel teil. Der Lehrgang wurde in Blöcken von jeweils sechs Wochen in der Zeit vom 9. 11. 1992 bis zum 18. 12. 1992 und vom 22. 2. 1993 bis zum 2. 4. 1993 durchgeführt. Der Bekl. hatte sich hierzu beim Landesseminar für Krankenpflege als der zuständigen Weiterbildungsstätte für Berufe des Gesundheitswesens angemeldet und von dort unter dem 21. 10. 1991 die Nachricht erhalten, er sei für einen Kurs im Herbst 1992 vorgemerkt; er solle aber noch das ausstehende Zwischenzeugnis der Pflegedienstleitung nachreichen. Auf Wunsch des Bekl. erteilte die Kl. ihm eine entsprechende Zwischenbeurteilung. Bei der Kl. wurde eine Stelle für eine stellvertretende Stationsleitung auf der Station 52 frei. Mit Schreiben vom 4. 9. 1992 bewarb sich der Bekl. um diese Stelle. Die Kl. übertrug dem Bekl. die Stelle mit Wirkung vom 15. 10. 1992 unter gleichzeitiger Höhergruppierung in die VergGr. Kr VI BAT. Der Bekl. kündigte sein Arbeitsverhältnis bei der Kl. ordentlich zum 31. 12. 1993. Darauf forderte die Kl. den Bekl. zur Rückzahlung der Fortbildungskosten, nämlich der Sachkosten, des weitergezahlten Arbeitsentgelts zzgl. der hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, auf.

ArbG und LAG haben der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Revision des Bekl. hatte nur zu einem Teil Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Erfolg hat sie nur, soweit es um die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung geht. Diese Anteile kann die Kl. vom Bekl. nicht zurückerstattet verlangen. Im übrigen schuldet der Bekl. die Erstattung sowohl der Sachkosten als auch der Lohnkosten.

I. Rechtsgrundlage für die Klageforderung ist Nr. 7 SR 2a BAT. Diese Bestimmung galt kraft Vereinbarung im Arbeitsverhältnis des Bekl. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitnehmer zur Zurückzahlung der Fort- und Weiterbildungskosten verpflichtet, wenn er auf Veranlassung und im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers auf dessen Kosten fort- oder weitergebildet worden ist und vor Ablauf der Bindungsfrist auf eigenen Wunsch ausscheidet. Scheidet der Arbeitnehmer im ersten Jahr seit Beendigung der Fort- oder Weiterbildung aus dem Arbeitsverhältnis aus, sind die Kosten in voller Höhe zu erstatten.

1. Entgegen der Ansicht der Revision ist bei der Anwendung tarifvertraglicher Rückzahlungsklauseln für die Kosten von Weiterbildungsmaßnahmen nicht zu prüfen, inwieweit dem Arbeitnehmer durch die erfolgreiche Bildungsmaßnahme im Einzelfall ein geldwerter Vorteil erwachsen ist. Vielmehr besteht eine Rückzahlungspflicht bereits dann, wenn die maßgebliche tarifvertragliche Bestimmung ihrerseits einer Rechtmäßigkeitsprüfung standhält und ihre Voraussetzungen vorliegen. Insbesondere ist dann nicht zusätzlich zu prüfen, inwieweit der Arbeitnehmer im Einzelfall berufliche, finanzielle oder geldwerte Vorteile erlangt hat (BAG, NZA 1997, 663). Anderes folgt auch nicht aus dem grundgesetzlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG). Ob der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Genüge getan ist, muß anhand der tariflichen Norm selbst geprüft werden, nicht aber (nochmals) im einzelnen Anwendungsfall.

2. Nr. 7 SR 2a BAT verstößt nicht gegen zwingendes höherrangiges Recht, insbesondere auch nicht gegen Art. 12 I GG. Dies hat der Senat in seinen Urteilen vom 6. 9. 1995 näher begründet (NZA 1996, 437 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe (m.gem. Anm. zu BAG, AP Nrn. 22 und 23 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe v. Hoyningen-Huene) sowie Urt. des Senats (5 AZR 172/94, 5 AZR 618/94 und 5 AZR 744/94, alle unveröff.); ferner BAG, NZA 1997, 663). Auf diese den Parteien bekannten Urteile wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

II. Die Voraussetzungen der Nr. 7 I SR 2a BAT liegen vor. Die Fort- oder Weiterbildung ist nicht nur - worüber die Parteien nicht streiten - auf Veranlassung des Arbeitgebers vorgenommen worden, sondern auch "im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers".

1. Ein Personalbedarf des Arbeitgebers ist anzuerkennen, wenn bei ihm innerhalb des Bindungszeitraums von drei Jahren (Abs. 2 Unterabs. 2 Nr. 7 SR 2a BAT) wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, für die eine durch die Weiterbildung zu erwerbende Qualifikation vorausgesetzt wird. Auch insoweit wird auf die Urteile des Senats vom 6. 9. 1995 (s. etwa NZA 1996, 437) Bezug genommen. Diese Auslegung der Nr. 7 I SR 2a BAT ist im Hinblick auf die in Abs. 2 geregelten Rückzahlungspflichten geboten: Je eher der auf Kosten seines Arbeitgebers weitergebildete Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber mit einem seiner Weiterbildung entsprechenden beruflichen Aufstieg rechnen kann, desto eher ist ihm die Rückzahlung der vom Arbeitgeber aufgewendeten Beträge zuzumuten, wenn er das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet.

2. Der Bekl. ist im Rahmen des Personalbedarfs der Kl. ausgebildet worden. Der in der Tarifnorm vorausgesehene Personalbedarf entfällt hier nicht deshalb, weil der Kl. bereits am 15. 10. 1992 höhergruppiert und in die Stelle eines stellvertretenden Stationsleiters des Pflegedienstes eingewiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, daß der Bekl. an dem Weiterbildungslehrgang teilnehmen werde. Die vorzeitige Übertragung der Stelle fand im Vorgriff auf die bereits festgelegte Fortbildung statt und ändert nichts daran, daß die fraglichen anschließenden Lehrgänge im Rahmen des bestehenden Personalbedarfs vorgenommen wurden. Der Bekl. geht im übrigen selbst davon aus, daß er die ihm übertragene Stelle nicht erhalten hätte, wäre er nicht bereit gewesen, an der Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen. Sein Hinweis, andere Mitarbeiter hätten früher solche Stellen ohne entsprechende Fortbildung erhalten, ist unerheblich. Es war der Kl. nicht verwehrt, neu zu besetzende Stellen und Leitungsfunktionen von einer entsprechenden Qualifikation der Mitarbeiter abhängig zu machen.

III. Der Bekl. hat die der Kl. entstandenen Kosten in voller Höhe zu erstatten. Er ist auf seinen Wunsch noch im Jahr der Beendigung der Weiterbildung (2. 4. 1993) ausgeschieden, nämlich durch seine Kündigung zum 31. 12. 1993. Zu den erstattungsfähigen Kosten der Fort- und Weiterbildung zählen der Sachaufwand und die Lohnkosten des Arbeitgebers in der Zeit der Fortbildung. Nicht zu erstatten sind die auf die Personalkosten entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung in Höhe von 2360,57 DM. Eine Regelung, nach der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch die (anteiligen) Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten hat, ist nach § 32 SGB I wegen Vertoßes gegen die zwingenden Bestimmungen der §§ 20 , 22 SGB IV nichtig (BAG, Urt. v. 6. 11. 1996 - 5 AZR 334/95; siehe auch schon BAG, NZA 1994, 288 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe (unter III 3)). Insoweit hat die Revision des Bekl. Erfolg. Soweit der Bekl. geltend macht, er schulde die Erstattung von Lohnkosten nicht in vollem Umfang, weil er während der Teilnahme am Lehrgang auch Arbeit auf der Station geleistet habe, ist sein Vorbringen nicht hinreichend substantiiert. Es wäre Sache des Bekl. gewesen, im einzelnen darzulegen, wann und an welchen Tagen er in welchem Umfang Arbeitsleistungen erbracht habe. Dazu hat der Bekl. keine Angaben gemacht.

Vorinstanzen

LAG Schleswig-Holstein, 5 Sa 364/95, 07.09.1995

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe; BAT Nr. 7 SR 2a; GG Art. 12 I