Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

14. 10. 1997


Aktenzeichen

7 AZR 298/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Begriff der "personenbedingten Gründe" in Nr. 3.1 des Tarifvertrags zur Beschäftigungssicherung vom 10. 3. 1994 ist nicht i.S. des § 1 II 1 KSchG zu verstehen, sondern hat sich an den Zwecken des vorliegenden Tarifvertrags zu orientieren.

  2. Die Nichterfüllung der Pflicht des Arbeitgebers aus diesem Tarifvertrag, dem Auszubildenden nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis für die Dauer von sechs Monaten anzubieten, kann den Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichten (im Anschluß an Senat, NZA 1998, 50 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Übernahme ins Arbeitsverhältnis).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Bekl., den Kl. nach Abschluß der Berufsausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, sowie über die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Pflicht. Der Kl. wurde von der Bekl. in der Zeit vom 26. 8. 1991 bis zum 27. 6. 1994 zum Industriemechaniker, Fachrichtung Produktionstechnik, ausgebildet. Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10. 3. 1994 (TV BS) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dort ist u.a. folgendes bestimmt:

3. Übernahme von Auszubildenden

3.1. Auszubildende werden im Grundsatz nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung für mindestens 6 Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen, soweit dem nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen. Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe der Gründe zu unterrichten.

3.2. Mit Zustimmung des Betriebsrats kann von der Verpflichtung nach Abs. 3.1 abgewichen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat.

Während des Ausbildungsverhältnisses fehlte der Kl. krankheitsbedingt im Jahr 1991 an acht, im Jahr 1992 an 28, im Jahr 1993 an 24 und 1994 bis zum 27. 6. an 30 Arbeitstagen. Die Bekl. teilte ihm am 13. 4. 1994 mit, daß sie ihn nach Abschluß des Ausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen wolle, und verblieb bei dieser Haltung trotz entsprechender Aufforderungen durch den Kl. und den Betriebsrat. Nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses begann der Kl. eine Fachhochschulausbildung, brach diese jedoch am 19. 12. 1994 wegen finanzieller Schwierigkeiten ab. Vom 10. 1. bis zum 31. 3. 1995 stand er bei einem anderen Arbeitgeber in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Seit dem 1. 4. 1995 ist er arbeitslos. Mit der am 5. 7. 1994 eingereichten Klage hat der Kl. geltend gemacht, gegen die Bekl. einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab 28. 6. 1994 zu haben. Den Arbeitslohn schulde die Bekl. aufgrund Annahmeverzugs, hilfsweise als Schadensersatz. Der Kl. hat zuletzt beantragt,

(1) die Bekl. zu verurteilen, mit dem Kl. einen unbefristeten - hilfsweise auf mindestens sechs Monate befristeten - Arbeitsvertrag mit Wirkung ab 28. 6. 1994 zu folgenden Bedingungen abzuschließen:

  • Maschinenbediener (Kostenstelle 323010) als Schichtarbeiter - hilfsweise als Schichtarbeiter in der Motorenmontage,

  • individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit: 36 Stunden bis 30. 9. 1995, 35 Stunden ab 1. 10. 1995,

  • Leistungslohn,

  • Arbeitswert 17 - hilfsweise 14,

(2) die Bekl. zu verurteilen, an den Kl. jeweils als Löhne in Form von Brutto-Beträgen - hilfsweise als Schadensersatz in Form von Netto-Beträgen - zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Netto-Betrag ab 1. des Folgemonats zu bezahlen für

  • Juni 1994 654,96 DM

  • Juli bis Dezember 1994 jeweils 4923,19 DM

  • Januar 1995 2443,86 DM.

Die Bekl. hat die Auffassung vertreten, aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten berechtigt gewesen zu sein, den Kl. wegen entgegenstehender personenbedingter Gründe nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Im übrigen sei sie allenfalls verpflichtet gewesen, dem Kl. einen befristeten Arbeitsvertrag im unmittelbaren Anschluß an die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses anzubieten. Für den betreffenden Zeitraum vom 28. 6. 1994 bis zum 27. 12. 1994 habe der Kl. jedoch nicht für ein Arbeitsverhältnis zur Verfügung gestanden.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen; das LAG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Die vom LAG zugelassene Revision des Kl. hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Revision ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1 unbegründet. Der Kl. kann den Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab 28. 7. 1994 nicht verlangen. Dagegen ist die Revision hinsichtlich des Zahlungsantrags begründet und führt insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG, § 565 I ZPO, das diesen Antrag mit unzutreffender Begründung zurückgewiesen hat. Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, § 565 III Nr. 1 ZPO.

I. Der Klageantrag zu 1 auf Verurteilung der Bekl. zum Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab 28. 6. 1994 ist bereits deshalb unbegründet, weil die beanspruchte Willenserklärung zu einem Vertrag führen würde, dessen Erfüllung wegen Zeitablaufs zwischenzeitlich unmöglich geworden ist. Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist jedoch nichtig, § 306 BGB. Auf die weiteren Gründe, aus denen das LAG diesen Klageantrag abgewiesen hat, kommt es nicht an.

1. Zu der mit Nr. 3 des vorliegenden TV BS gleichlautenden Nr. 3 der Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz vom 11. 3. 1994 hat der erkennende Senat (NZA 1998, 50 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Übernahme ins Arbeitsverhältnis) entschieden, daß diese Tarifbestimmungen zwar nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ohne entsprechenden Vertrag vorsehen, jedoch den ausbildenden Arbeitgeber verpflichten, dem Auszubildenden nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anzubieten, sofern kein tariflicher Ausnahmetatbestand gegeben ist. Diese vom Senat bereits aus dem insoweit eindeutigen Tarifwortlaut hergeleiteten Grundsätze gelten auch für den vorliegend zu beurteilenden TV BS.

2. Die Tarifvertragsparteien haben die Geltung der Nr. 3 TV BS nicht auf die nach dem 10. 3. 1994 begründeten Ausbildungsverhältnisse beschränkt. Das folgt auch aus dem Wortlaut der Tarifnorm.

3. Die Bestimmungen der Nr. 3 TV BS sind mit Art. 12 I GG und Art. 2 I GG vereinbar.

a) Tarifvertragsparteien können Normen über Einstellungsgebote nach § 1 I TVG vereinbaren. Sie gehören zu den von den Tarifvertragsparteien zugewiesenen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i.S. des Art. 9 III GG (vgl. z.B. BAGE 11, 1 = AP Nr. 106 zu § 1 TVG Auslegung; Gamillscheg, Kollektives ArbeitsR, Bd. I, 1997, S. 585f.; Hueck/Nipperdey, Lehrb. des ArbeitsR, Bd. II/1, 7. Aufl., S. 290; Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 29). Die Bedenken der Gegenmeinung (Löwisch/Rieble, TVG, 1992, § 1 Rdnr. 71; Rieble, ZTR 1993, 54 (57)) können jedenfalls bezüglich der hier vorliegenden Nr. 3 TV BS nicht durchgreifen. Zwischen den Parteien des nach dieser Bestimmung zu begründenden Arbeitsverhältnisses besteht bereits eine schuldrechtliche Vertragsbeziehung in Form des vom Arbeitgeber freiwillig eingegangenen Berufsausbildungsverhältnisses, zu dessen Regelung die Tarifvertragsparteien befugt sind. Ein Abschlußgebot mit dem Inhalt der Nr. 3 TV BS hätten die Tarifvertragsparteien nach § 1 TVG auch als Bestandteil des einschlägigen Manteltarifvertrags für Auszubildende vereinbaren können. Ein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers wegen Überschreitung der Kompetenzgrenzen des Art. 9 III GG scheidet somit aus.

b) Die von den Tarifvertragsparteien durch die Normsetzung bewirkte Beschränkung der Berufsfreiheit der dem abschließenden Arbeitgeberverband freiwillig angehörenden Bekl. verstößt auch inhaltlich nicht gegen Art. 12 I GG oder Art. 2 I GG. Denn die im Wege kollektiv ausgeübter Privatautonomie geschaffenen Tarifnormen über die darin geregelte Abschlußpflicht sind vernünftig und einleuchtend begründet. Darüber hinaus berücksichtigen sie hinreichend die Interessen der betroffenen Arbeitgeber sowohl durch die Beschränkung auf ein befristetes Arbeitsverhältnis als auch durch Ausnahmetatbestände zur Abschlußpflicht in der Nr. 3.1 und der Nr. 3.2 TV BS.

4. Der tarifvertragliche Anspruch des Auszubildenden ist auf den Abschluß eines Arbeitsvertrags für die Dauer von mindestens sechs Monaten gerichtet. Einen Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses auf längere Zeit oder auf unbestimmte Dauer gewähren die Tarifnormen nicht. Das ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Tarifwortlaut. Der Arbeitgeber kann zwar seine tarifvertragliche Verpflichtung durch das Angebot eines auf längere Zeit als sechs Monate laufenden Arbeitsvertrags erfüllen; verpflichtet ist er jedoch nur, ein sechsmonatiges Arbeitsverhältnis anzubieten. Entgegen der Ansicht des Kl. besteht für die Befristung des abzuschließenden Arbeitsvertrags ein Sachgrund, der sich aus dem Zweck des Beschäftigungssicherungstarifvertrags ergibt. Die Tarifvertragsparteien haben verhindern wollen, daß der Auszubildende im unmittelbaren Anschluß an seine Berufsausbildung arbeitslos wird. Die Vermeidung einer solchen Anschlußarbeitslosigkeit dient zwei Zwecken: Zum einen soll dem Auszubildenden durch eine an das Ausbildungsverhältnis anschließende Weiterbeschäftigung in einem Arbeitsverhältnis der Erwerb von Berufspraxis ermöglicht werden, um seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Zum andern soll für den Fall einer sich an das sechsmonatige Arbeitsverhältnis anschließenden Arbeitslosigkeit erreicht werden, daß dem Arbeitslosengeld gem. § 112 II AFG des damaligen AFG der in dem sechsmonatigen Arbeitsverhältnis erzielte Verdienst und nicht gem. § 112 V Nr. 2 AFG die niedrigere Ausbildungsvergütung zugrunde gelegt wird (vgl. dazu auch Kohte, NZA 1997, 457 (458f.)). Eine Befristungsmöglichkeit mit einem derartigen sozialen Überbrükungssachgrund konnten die Tarifvertragsparteien vereinbaren, ohne § 1 I BeschFG in der bis zum 30. 9. 1996 geltenden Fassung zu verletzen (Lipke, in: KR, 4. Aufl., § 1 BeschFG 1985 Rdnrn. 81-83, § 620 BGB Rdnr. 144).

5. Da die Hauptpflichten eines nach dem Klageantrag mit Wirkung ab 28. 6. 1994 abzuschließenden Arbeitsvertrags am 27. 12. 1994 geendet hätten und daher eine Beschäftigungspflicht der Bekl. seither nicht mehr besteht, kann eine Verurteilung, diese Verpflichtung vertraglich zu begründen, nicht mehr erfolgen. Eine gem. § 894 ZPO als mit Rechtskraft des Urteils abgegeben geltende Willenserklärung der Bekl. wäre von der Nichtigkeitsfolge des § 306 BGB erfaßt.

6. Auf eine Verurteilung der Bekl. zum Abschluß eines Arbeitsvertrags, der zur Beschäftigung des Kl. erst ab Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung verpflichtet, erstrecken sich die Klageanträge nicht. Da der Kl. ausdrücklich nur ein Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab 28. 6. 1994 begehrt, kann mangels abweichender Anhaltspunkte nicht angenommen werden, der Kl. habe zumindest hilfsweise auch eine erst jetzt beginnende sechsmonatige Beschäftigung bei der Bekl. verlangt.

II. Die Abweisung des Zahlungsantrags durch das LAG ist nicht frei von Rechtsfehlern, so daß das Berufungsurteil insoweit aufzuheben war. Zwar ist dem LAG im Ergebnis darin zu folgen, daß ein Zahlungsanspruch des Kl. nicht als Lohnanspruch aus Annahmeverzug besteht. Denn ein solcher Anspruch setzt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist aber weder automatisch aufgrund der Nr. 3 TV BS noch durch einen Vertragsabschluß entstanden. Dem Kl. kann jedoch ein Zahlungsanspruch in Form eines Schadensersatzanspruchs zustehen. Die Begründung, mit der das LAG einen Schadensersatzanspruch des Kl. abgelehnt hat, rechtfertigt die Klageabweisung nicht.

1. Das LAG hat einen Schadensersatzanspruch verneint, weil die Bekl. angesichts der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Kl. nicht verpflichtet gewesen sei, ihm den Abschluß eines Arbeitsvertrags anzubieten.

a) Das LAG hat dazu im wesentlichen ausgeführt, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Kl. in den Jahren 1991 bis 1994 seien als personenbedingte Gründe anzusehen, die i.S. der Nr. 3.1 TV BS einer Übernahme des Kl. in ein Arbeitsverhältnis entgegengestanden hätten. Diese Tarifvorschrift entbinde den Arbeitgeber schon dann von der Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots, wenn der persönlichen Eigenart und Sphäre des Auszubildenden entstammende Umstände die Nichtübernahme als vertretbar und sachbezogen erscheinen lassen. Die Tarifvertragsparteien hätten den Begriff "personenbedingt" nicht i.S. des § 1 II KSchG verwendet, sondern alle Gründe in der Person oder im Verhalten des Auszubildenden erfassen wollen, die die ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers bei Abwägung der beiderseitigen Belange als angemessen und billigenswert erscheinen ließen. Damit sei die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers durch die Grundsätze der Billigkeit i.S. des § 315 BGB i.V. mit § 75 I BetrVG begrenzt. Diese Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Nichtübernahmeentscheidung seien angesichts der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Kl. erfüllt. Die Bekl. habe aus diesen Fehlzeiten die Prognose herleiten dürfen, daß der Kl. auch in der Folgezeit entsprechende Fehlzeiten haben und diese Fehlzeiten eine steigende Tendenz aufweisen würden.

b) Diese Auslegung der Nr. 3.1 des TV BS durch das LAG ist nicht in allen Teilen zutreffend. Richtig ist zwar, daß nicht davon ausgegangen werden kann, die Tarifvertragsparteien hätten den Begriff der "personenbedingten Gründe" i.S. des § 1 II KSchG verstanden. Denn beim TV BS geht es nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein bereits bestehendes bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgelöst werden kann, sondern darum, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet werden soll. Auch die dem § 1 II KSchG zugrunde liegende Unterscheidung zwischen in der Person bzw. in dem Verhalten liegenden Gründen entspricht nicht dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien. Wie das LAG richtig gesehen hat, kann nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten etwa in Fällen grober Pflichtverletzungen, die sich auf die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses belastender auswirken können als Gründe in der Person des Auszubildenden, dem Arbeitgeber keine Möglichkeit zur Ablehnung der Übernahme des Auszubildenden einräumen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff "personenbedingt" in Nr. 3.1 TV BS im Gegensatz zu den aus der Arbeitgebersphäre stammenden Gründen der Nr. 3.2 TV BS die aus der Sphäre des Auszubildenden stammenden und damit auch verhaltensbedingten Gründe erfassen wollten.

Die Notwendigkeit einer vom Kündigungsschutzgesetz gelösten Auslegung der Nr. 3.1 TV BS rechtfertigt es jedoch nicht, dem Arbeitgeber einen lediglich an § 315 BGB und § 75 BetrVG orientierten weiten Ermessensspielraum einzuräumen, dessen Ausübung nur zu einer vertretbaren und sachbezogenen Entscheidung führen muß. Vielmehr hat sich die tatrichterliche Würdigung, ob die im konkreten Einzelfall geltend gemachten "personenbedingten Gründe" einer Übernahme des Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis i.S. der Nr. 3.1 TV BS "entgegenstehen", an Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung zu orientieren, wie er oben beschrieben worden ist (Vermeidung von Arbeitslosigkeit im Anschluß an die Berufsausbildung). Die Vermeidung der drohenden Arbeitslosigkeit nach Abschluß der Ausbildung soll nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung in einem funktionierenden Arbeitsverhältnis und nicht durch eine einseitige Leistung des Arbeitgebers erreicht werden. Deshalb sind als "entgegenstehende personenbedingte Gründe" in erster Linie solche Umstände anzusehen, die einem zweckentsprechenden Vollzug des Arbeitsverhältnisses, auch unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Arbeitsleistung und/oder einem vertragsgerechten Verhalten des übernommenen Auszubildenden, in Frage stellen können.

Tatsachen für eine derartige drohende Beeinträchtigung eines künftigen Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber darzulegen. Denn mit der Geltendmachung eines vom Regelfall abweichenden Ausnahmetatbestandes macht der Arbeitgeber eine rechtshindernde Einwendung geltend. Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungspflicht nicht mit dem bloßen Hinweis auf vergangene Ereignisse, wie etwa während des Ausbildungsverhältnisses eingetretene Fehlzeiten. Erforderlich ist vielmehr eine Prognose des Arbeitgebers, in welcher Weise und in welchem Ausmaß das Arbeitsverhältnis in seiner zukünftigen Durchführung durch unerwartete Fehlzeiten belastet sein werde. Hierfür können zwar in der Vergangenheit liegende krankheitsbedingte Fehlzeiten ein Indiz sein; dies erspart aber nicht den Vortrag des Arbeitgebers über Art und Umfang der drohenden Beeinträchtigung des ggf. nur sechs Monate andauernden Arbeitsverhältnisses. Da es an dieser Darlegung bisher fehlt, wird das LAG im erneuten Berufungsverfahren den Parteien insoweit Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben haben.

2. Hilfsweise hat das LAG einen Schadensersatzanspruch des Kl. mit der weiteren Begründung verneint, selbst bei Annahme einer objektiven Pflichtverletzung der Bekl. fehle es an ihrem Verschulden, weil ein entschuldbarer Rechtsirrtum über den Inhalt der unklaren und nicht leicht zu durchschauenden Tarifregelung vorliege. Auch diese Überlegung rechtfertigt die Abweisung des Zahlungsantrags nicht. Für das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums reicht es nicht aus, daß die Rechtslage ungeklärt ist. Darüber hinaus ist erforderlich, daß der Schuldner die Rechtslage sorgfältig geprüft und gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Rechtsmeinung gefunden hat. Es genügt nicht, daß er sich auf eine ihm günstige Ansicht im Schrifttum berufen kann, wohl aber die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BAGE 71, 350 = NZA 1993, 500 = AP Nr. 1 zu § 285 BGB). Im Streitfall ist weder ersichtlich, daß die Bekl. die Rechtslage sorgfältig geprüft hätte, noch hat sie auf Anhaltspunkte verweisen können, die die von ihr vertretene Rechtsmeinung als richtig erscheinen ließe. Wenn die Bekl. die ungeklärte Rechtslage ohne derartige konkrete Anhaltspunkte ausschließlich in einem ihr günstigen Sinne verstand, so handelte sie auf eigenes Risiko.

III. Für die erneute Prüfung des LAG, ob der Kl. einen Schadensersatzanspruch hat, vermag der Senat wegen bisher fehlender tatsächlicher Feststellungen nur einige Hinweise zu geben.

1. Der Schadensersatzanspruch des Kl. kann aus den §§ 284 , 286 , 280 I , 249 , 251 BGB begründet sein. Da der Kl. seine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis verlangt hatte, war die Bekl. durch die bewußte Verweigerung der Abgabe eines Übernahmeangebots in Schuldnerverzug geraten, so daß sich ein Schadensersatzanspruch des Auszubildenden insoweit bereits aus § 286 I BGB ergeben kann, sofern die Ablehnung unberechtigt war. Mit Ablauf von sechs Monaten nach der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ist die Verpflichtung zum Abschluß eines der in Nr. 3 TV BS entsprechenden Vertrages unmöglich geworden, so daß der Arbeitgeber nach §§ 287 , 280 I BGB schadensersatzpflichtig wäre. Die Herstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 S. 1 BGB), ist nicht möglich. Denn eine der Nr. 3 TV BS entsprechende Beschäftigung kann nur im unmittelbaren Anschluß an die Berufsausbildung erfolgen. Deshalb müßte die Bekl. den Kl. in Geld entschädigen, § 251 I BGB.

2. Entgegen der Ansicht der Bekl. wäre ein Schadensersatzanspruch des Kl. nicht nach § 18 des MTV für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden verfallen. Denn ein Arbeitsverhältnis ist zwischen den Parteien nicht begründet worden. Für Ausbildungsverhältnisse gilt die Ausschlußfrist gem § 1.1.3.3 dieses MTV nicht. Der hier allein einschlägige Manteltarifvertrag für Auszubildende in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden enthält keine Ausschlußfrist.

3. Zur Höhe eines möglichen Entschädigungsanspruchs in Geld kann der Senat wegen des Fehlens tatsächlicher Feststellungen keine näheren Hinweise geben. Das LAG wird zunächst festzustellen haben, für welchen Zeitraum der Kl. für eine Beschäftigung bei der Bekl. zur Verfügung gestanden hätte, sofern diese ihm fristgerecht ein Übernahmeangebot unterbreitet hätte. Ferner wird das LAG klären müssen, welche Art von Beschäftigung das Übernahmeangebot der Bekl. hätte enthalten müssen, um den tarifvertraglichen Anspruch des Kl. zu erfüllen. Danach richtet sich die Bestimmung des Arbeitsentgelts nach Art und Höhe, das die Bekl. hätte entrichten müssen. Das ausgefallene Arbeitsentgelt ist seinerseits Grundlage für die Bestimmung des Geldersatzanspruchs.

Vorinstanzen

LAG Baden-Württemberg, 4 Sa 104/95, 28.03.1996

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

TV zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden v. 10. 3. 1994 Nr. 3