Ruf einer Hochschule zur Übernahme einer Professur noch kein Arbeitsvertrag
Gericht
BAG 7. Senat
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
09. 07. 1997
Aktenzeichen
7 AZR 424/96
Der Erklärungswert eines Rufs zur Übernahme einer Professur an einer Fachhochschule beschränkt sich auf die Erkundung der grundsätzlichen Bereitschaft eines Bewerbers. Der Ruf enthält kein Angebot auf Abschluß eines konkreten Arbeitsvertrags, das mit der Annahme des Rufs angenommen wird. Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Träger der Fachhochschule und dem berufenen Bewerber wird erst nach einer entsprechenden Einigung in den sich anschließenden Berufungsverhandlungen begründet.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses und eine entsprechende Beschäftigungspflicht des bekl. Landes.
Der Kl. ist ein in der früheren DDR promovierter und habilitierter Automatisierungstechniker. Er war vor der Wiedervereinigung für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als sog. IM tätig. Auf seine Bewerbung für eine an der Fachhochschule M. ausgeschriebene Professorenstelle erteilte ihm das bekl. Land durch Schreiben vom 12. 9. 1994 den Ruf auf die nach der Besoldungsgruppe C 3 BBesO bewertete Professur für das Fachgebiet Automatisierungstechnik im Fachbereich Elektrotechnik. Der Ruf wurde mit einem weiteren Schreiben vom 12. 9. 1994 unter den Vorbehalt des Ergebnisses des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und der Überprüfung durch den Personalausschuß der Fachhochschulen des Landes Sachsen-Anhalt gestellt. Hinsichtlich des weiteren Vorgehens sollte sich der Kl. mit dem zuständigen Referatsleiter Dr. V. in Verbindung setzen.
Am 20. 9. 1994 führte der Kl. im Kultusministerium eine Unterredung mit Frau Regierungsoberamtsrätin R., der er Unterlagen über seine Tätigkeit für das MfS aushändigte. In einem nachfolgenden Gespräch vom 27. 9. 1994 mit anderen Beamten des Kultusministeriums wurde ihm mitgeteilt, daß aufgrund des Umfangs seiner Tätigkeit für das MfS eine Einstellung nicht möglich sei und das bekl. Land von der Fortsetzung des Bewerbungs- und Berufungsverfahrens Abstand nehme. Dessen ungeachtet erklärte der Kl. mit Schreiben vom 30. 9. 1994 die Annahme des Rufs.
Der Kl. hat geltend gemacht, das bekl. Land sei verpflichtet, ihn entsprechend nach dem zustandegekommenen Arbeitsverhältnis als C 3 Professor zu beschäftigen. Das Berufungsverfahren sei durch die Ruferteilung vom 12. 9. 1994 mit einer verbindlichen Zusicherung der Anstellung abgeschlossen worden. In dem Gespräch am 20. 9. 1994 habe er die Annahme des Rufs erklärt und eine Übereinstimmung hinsichtlich des Beschäftigungsbeginns und der Vergütung erzielt. Frau R. habe als zuständige Personalreferentin für das bekl. Land gehandelt. Vor der Einholung einer Auskunft beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes habe das bekl. Land den Ruf nicht zurücknehmen können. Zumindest mit der Annahme des Rufs im Schreiben vom 30. 9. 1994 sei ein Arbeitsverhältnis zustandegekommen.
Der Kl. hat zuletzt beantragt, das bekl. Land zu verurteilen, den Kl. entsprechend dem Ruf auf die mit C 3 bewertete Professur für das Fachgebiet Automatisierungstechnik im Fachbereich Elektrotechnik an der Fachhochschule M. zu beschäftigen.
Das bekl. Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Das Gespräch vom 20. 9. 1994 habe lediglich den Abschluß eines Dienstvertrages vorbereitet.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Kl. hat das LAG zurückgewiesen. Die Revision des Kl., mit der er nunmehr beantragt festzustellen, daß zwischen den Parteien seit dem 1. 10. 1994 ein Anstellungsverhältnis besteht, wonach das bekl. Land den Kl. als Professor für das Fachgebiet Automatisierungstechnik im Fachbereich Elektrotechnik an der Fachhochschule M. in Anlehnung an Vergütungsgruppe C 3 zu beschäftigen hat, hat keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
I. Die Revision des Kl. ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Das bekl. Land ist nicht verpflichtet, den Kl. als Professor zu beschäftigen.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Der Übergang von einer Leistungs- zu einer Feststellungsklage im Revisionsverfahren ist keine unzulässige Klageänderung. Das BAG läßt in ständiger Rechtsprechung (BAG 53, 8, 12, m. w. N.) aus Gründen der Prozeßökonomie einen solchen Wechsel im Klageantrag zu, wenn der geänderte Antrag auf den vom LAG festgestellen Sachverhalt und unstreitiges tatsächliches Parteivorbringen gestützt werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung über den Feststellungsantrag möglich. Das LAG hat das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses eingehend geprüft, weil der Bestand dieses Rechtsverhältnisses als Vorfrage des im Berufungsverfahren geltend gemachten Beschäftigungsanspruchs zu klären war.
b) Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Für das Feststellungsinteresse ist es unerheblich, daß mit der Klage nicht sämtliche Regelungen eines Arbeitsverhältnisses zum Streitgegenstand gemacht werden. Es ist prozeßökonomisch, das Verfahren nicht mit weiteren Detailfragen zu belasten. Der Kl. hat auch ein rechtliches Interesse daran, daß der Bestand des Rechtsverhältnisses durch richterliche Entscheidung abstrakt festgestellt wird. Bei positivem Ausgang der Feststellungsklage sind auf das Arbeitsverhältnis unabhängig von den getroffenen Abreden die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, die das Arbeitsverhältnis eines sog. C 3 Professors an einer Fachhochschule des bekl. Landes gestalten.
c) Der Feststellungsantrag betrifft nicht den im Wege einer Leistungsklage geltend zu machenden Anspruch auf Einstellung durch Abgabe entsprechender Willenserklärungen. Die darauf bezogenen Ausführungen des LAG zu einem Einstellungsanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG, zu denen auch aufgrund des bisherigen Leistungsantrags auf Beschäftigung kein Anlaß bestanden hatte, sind jedenfalls nunmehr gegenstandslos geworden. Sie erwachsen nicht in Rechtskraft.
2. Die Klage ist unbegründet. Das LAG hat zu Recht angenommen, daß zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht.
a) Das LAG hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei weder durch die Ruferteilung noch anläßlich der Unterredung vom 20. 9. 1994 ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Mit dem Ruf werden lediglich eine Bereitschaft zur Aufnahme von Verhandlungen für die nachfolgende Übertragung einer Professorenstelle bekundet. Anläßlich der Unterredung vom 20. 9. 1994 habe der Kl. die für den Abschluß eines Arbeitsvertrages notwendige Abgabe verbindlicher Willenserklärungen nicht substantiiert dargelegt.
b) Die Auslegung der jeweiligen Willenserklärungen der Parteien durch das Berufungsgericht kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen richtig angewandt worden sind, ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen wurde, ob tatsächliches Vorbringen der Parteien vollständig bewertet oder eine gebotene Auslegung auch vorgenommen worden ist (vgl. BAG Urteil vom 30. 3. 1994 - 10 AZR 134/93 - AP Nr. 161 zu § 611 BGB Gratifikation, m. w. N.). Solche Rechtsfehler sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
c) Die Erteilung des Rufs in dem Schreiben vom 12. 9. 1994 ist kein Angebot auf Abschluß eines Arbeitsvertrages. Die entsprechende Annahme des LAG verstößt nicht gegen die bei der Auslegung von Willenserklärungen zu beachtenden Rechtsgrundsätze. Vielmehr stimmt sie überein mit der allgemeinen Auffassung zum Erklärungswert einer Ruferteilung bei der Besetzung von Professorenstellen. Diese ist nach ihrem Inhalt beschränkt auf eine Anfrage zur grundsätzlichen Bereitschaft eines Bewerbers auf Übernahme einer bestimmten Professorenstelle (vgl. Hailbronner/Krüger, HRG, Stand Juni 1997, § 45 Rz. 48; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, Rz. 455). Erst mit der Annahme des Rufs werden Verhandlungen eingeleitet, in denen eine Einigung der Parteien über den konkreten Inhalt eines künftigen Rechtsverhältnisses angestrebt wird. Die Berufungsverhandlungen können mit dem Abschluß einer Berufungsvereinbarung beendet werden, die Grundlage der sich anschließenden Ernennung des Bewerbers zum Beamten (§ 45 Abs. 1 HSG-LSA) oder für den Abschluß eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages (§ 45 Abs. 4 Satz 1 HSG-LSA) ist. Von dieser Würdigung des allgemeinen Erklärungsinhalts einer Ruferteilung abzuweichen, besteht kein Anlaß, zumal die vorliegende Ruferteilung nicht erkennen läßt, ob zwischen den Parteien ein privatrechtliches oder ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis hätte begründet werden sollen. Wie das LAG zutreffend erkannt hat, hat auch der Ruf an den Kl. lediglich das Bewerbungsverfahren um die Besetzung der ausgeschriebenen Professorenstelle abgeschlossen. Weder die vom Kl. behauptete Annahme des Rufs während des Gesprächs vom 20. 9. 1994 noch die erst nach Abbruch der Berufungsverhandlungen durch das bekl. Land am 30. 9. 1994 erklärte Annahme konnten daher ein Arbeitsverhältnis begründen. Inwieweit die Ruferteilung das bekl. Land zur Fortsetzung von Berufungsverhandlungen über den 27. 9. 1994 hinaus verpflichtet und ob dem Kl. daraus ein Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG zusteht, ist für das vorliegende Feststellungsverfahren unerheblich.
d) Das LAG hat auch zutreffend angenommen, daß selbst dann am 20. 9. 1994 kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sein kann, wenn der Kl. mit Frau R. eine vollständige Einigung über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses erreicht hätte. Die an dem Gespräch beteiligte Oberregierungsamtsrätin hat nur als Vertreterin des bekl. Landes handeln können. Eine ausdrückliche Bevollmächtigung nach § 164 BGB zum Abschluß eines Arbeitsvertrages hat der Kl. nicht behauptet. Für eine entsprechende Zurechnung des Vertreterhandelns nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht fehlt es an einem schlüssigen Vorbringen. Eine solche Zurechnung setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG auf Seiten des Geschäftsgegners, des Kl., die nach Treu und Glauben berechtigte Annahme voraus, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines Vertreters (BAG Urteil vom 20. 7. 1994 - 5 AZR 627/93 - BAG 77, 226 = AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit (B IV 2c der Gründe), m. w. N.). Der dafür notwendige Vertrauenstatbestand wird regelmäßig erst durch dauernde und wiederkehrende Verhaltensweisen des angeblichen Vertreters geschaffen, die vom Kl. jedoch nicht vorgetragen sind. Überdies konnte der Kl. auf die Duldung und Billigung des Handelns der Oberregierungsrätin schon deswegen nicht vertrauen, weil ihm mit Schreiben vom 12. 9. 1994 ausdrücklich ein anderer Verhandlungspartner für die Durchführung des Berufungsverfahrens benannt worden war.
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