Keine Gleichstellung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft bei Sonderurlaub für Niederkunft der Lebensgefährtin
Gericht
BVerwG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
19. 06. 1997
Aktenzeichen
2 C 28/96
Ein Beamter hat nach § 12 II der Sonderurlaubsverordnung in der bis April 1997 geltenden Fassung keinen Anspruch auf Gewährung bezahlten Sonderurlaubs bei Niederkunft seiner Lebensgefährtin.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der kl. Zolloberinspektor beantragte 1993 an einem Freitag für diesen Tag Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung wegen der Niederkunft seiner mit ihm seit neun Jahren in nichtehelicher Gemeinschaft lebenden Partnerin. Die Bekl. lehnte den Antrag ab, da Sonderurlaub nach § 12 II der Sonderurlaubsverordnung - SUrlV - in Verbindung mit der entsprechend anwendbaren Regelung des § 52 II 1 Buch. e BAT nur bei der Niederkunft der Ehefrau eines Beamten in Betracht komme. Den Widerspruch des Kl. wies die Bekl. zurück.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage wies das VG ab, während das OVG ihr stattgab. Die Revision der Bekl. hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Die Feststellungsklage ist, nachdem das Begehren des Kl. auf Sonderurlaub sich durch Zeitablauf bereits vor Klageerhebung erledigt hatte, in entsprechender Anwendung des § 113 I 4 VwGO zulässig (vgl. dazu etwa BVerwGE 81, 226f. = NJW 1989, 2486; st. Rspr.). Die Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das BerGer. dahingehend, daß ein berechtigtes Interesse des Kl. an der begehrten Feststellung bestehe, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.
Gem. § 12 II 1 der Sonderurlaubsverordnung in der hier noch anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 29. 4. 1992 (BGBl I, 977, mit späteren Änderungen) - SUrlV a.F. - kann aus wichtigen persönlichen Gründen Urlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Die Vorschrift konkretisiert auf der Grundlage des § 89 II BBG die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 79 BBG) im Verhältnis zur Dienstleistungspflicht des Beamten (§§ 54 1 , 72 BBG). Die Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn nicht, allen besonderen zeitlichen Anforderungen, die dem Beamten aus seiner persönlichen Lebenssphäre erwachsen, durch Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung Rechnung zu tragen. Vielmehr ist vom Grundsatz der vollen Dienstleistungspflicht des Beamten auszugehen, der die Alimentationspflicht des Dienstherrn als Korrelat gegenübersteht (vgl. BVerfGE 40, 296 (321f.) = NJW 1975, 2331; BVerwGE 72, 289f. = NVwZ 1986, 743). Demgemäß ist es regelmäßig Sache des Beamten, zeitlichen Anforderungen aus seiner persönlichen Lebenssphäre im Rahmen seiner Freizeit gerecht zu werden, gegebenfalls auch unter vertretbarer Inanspruchnahme von Erholungsurlaub (vgl. VGH Mannheim, Informationsdienst Öffentliches Dienstrecht (IÖD) 1997, 14 (16)) oder von Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung (§ 13 I S. 1 SUrlV).
Es bedarf keiner abschließenden Erörterung und Entscheidung, ob die Niederkunft der Lebensgefährtin eines Beamten - allgemein oder unter näheren Voraussetzungen - wie die Niederkunft der Ehefrau (vgl. den Klammerzusatz in § 12 II 1 SUrlV a.F.) zu den wichtigen persönlichen Gründen zählt, die nach § 12 II 1 SUrlV a.F. die Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung erlauben. Auch wenn man dies annimmt, rechtfertigt es nicht den Schluß, daß der Dienstherr sein Ermessen regelmäßig durch Gewährung des Sonderurlaubs ausüben müsse und nur in besonderen - hier nicht gegebenen - Fällen zu einer Ablehnung gelangen dürfe.
Die Kann-Vorschrift läßt mangels näherer in ihr enthaltener Vorgaben Raum sowohl für positive als auch für negative Entscheidungen. Das gilt insbesondere für Fallgestaltungen außerhalb der in der Vorschrift selbst beispielhaft aufgeführten. Es liegt im Ermessen des Dienstherrn, unterschiedliche Fallgestaltungen, auch wenn sie sämtlich als wichtige persönliche Gründe angesehen werden, unterschiedlich zu gewichten und für bestimmte Fallgestaltungen von der rechtlich möglichen Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung regelmäßig abzusehen. Dabei darf der Dienstherr, wie allgemein, sein Ermessen zum Zwecke möglichst einheitlicher Handhabung auch durch den Erlaß von Richtlinien, hier unter Verweisung auf entsprechende Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages, generell binden. Hierbei ist der Dienstherr zwar angesichts der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse und rechtlichen Vorschriften nicht aufgrund des Gleichheitssatzes verpflichtet, auf die ins einzelne gehenden Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages zurückzugreifen (vgl. dazu etwa BVerwGE 59, 176 (183); BVerwG, Buchholz 235 § 48 Nr. 6 = ZBR 1985, 342; BVerwG, Buchholz 239.1 § 86 Nr. 2 = NVwZ 1992, 986 = ZBR 1992, 155). Er ist daran aber auch nicht gehindert, soweit die durch die Bezugnahme getroffene Regelung jeweils inhaltlich der beamtenrechtlichen Überprüfung standhält.
Dies ist hier der Fall. Unter den dargelegten Gesichtspunkten war die Bekl. nicht verpflichtet, dem Kl. den streitigen Sonderurlaub zuzubilligen. Soweit sie bei Niederkunft der Ehefrau allgemein zwei Tage oder je nach zeitlicher Lage einen Tag Sonderurlaub mit Besoldung gewährte - wie nunmehr in § 12 III SUrlV n.F. für einen Tag ausdrücklich vorgeschrieben -, war sie nicht gehalten, diese Vergünstigung generell auf weitere Fallgruppen wie die Niederkunft einer Lebensgefährtin auszudehnen. Die beiden letzten Fälle unterscheiden sich durch die nur in der Ehe bestehende rechtliche Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 I 2 BGB) und durch die in aller Regel zweifelsfreie Feststellbarkeit und rechtliche Abgrenzung des Vorliegens einer Ehe. Bei einer Erweiterung der Vergünstigung sähe sich der Dienstherr vor der Notwendigkeit, Abgrenzungskriterien zu entwickeln und zu deren Feststellung zumindest Angaben des Beamten über die Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs sowie gegebenfalls Belege für die Richtigkeit dieser Angaben zu verlangen. Eine solche Ausdehnung und Verfeinerung der bisherigen Praxis ist durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht geboten.
Der Gleichheitssatz des Art. 3 I GG ist nicht verletzt. Er gebietet nicht, Beamte als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in jeder dienstrechtlichen Hinsicht verheirateten Beamten gleichzustellen (vgl. zum Besoldungsrecht BVerwGE 94, 253 (256) = NJW 1994, 1168 m.w. Nachw.; zum Umzugskostenrecht BVerwGE 97, 255 = NJW 1995, 1847). Vielmehr rechtfertigen die genannten Unterschiede der Fallgestaltungen im Lichte des Art. 33 V GG zugleich ihre unterschiedliche Behandlung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 I GG (vgl. insoweit auch BAGE 54, 210 = NJW 1987, 2458, zu § 52 BAT). Soweit der Schutz der Familie nach Art. 6 I GG auch die Lebensgemeinschaft der in nichtehelicher Gemeinschaft lebenden Eltern mit ihrem Kind umfaßt, wird er jedenfalls durch die auf sachlichen Gründen beruhende Nichtgewährung der hier streitigen Vergünstigungen nicht wesentlich berührt, ebensowenig der Schutz der Mutter nach Art. 6 IV und der unehelichen Kinder nach Art. 6 V GG.
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