Grobe Fahrlässigkeit bei Blickabwendung

Gericht

OLG Naumburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

08. 10. 1996


Aktenzeichen

7 U 108/96


Leitsatz des Gerichts

Es ist i.S. des § 61 VVG ein grobfahrlässiges Verhalten, wenn ein Kraftfahrer wegen eines unvermittelten Niesens ein Taschentuch auf dem Beifahrersitz sucht und sich dadurch so ablenken läßt, daß er in einer Kurve von der Fahrbahn abkommt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. nimmt die Bekl. aufgrund eines Verkehrsunfalls als Kaskoversicherer in Anspruch, bei dem er mit seinem Pkw im Auslauf einer Rechtskurve nach rechts von der Fahrbahn abgekommen war. LG und OLG erkannten auf Leistungsfreiheit der Bekl. wegen grober Fahrlässigkeit.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Selbst wenn man den Vortrag des Kl. zum Unfallhergang als zutreffend unterstellt, läßt sich kein "Augenblicksversagen" feststellen, das geeignet ist, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen. Der Kl. bekam nach seinem Vortrag einen Niesanfall, mit der Folge, daß ihm die Augen tränten und die Nase lief. Um diesen unangenehmen und beeinträchtigenden Zustand zu beenden, wendete der Kl. seinen Blick kurzfristig von der Fahrbahn ab, um nach seinem Taschentuch auf dem Beifahrersitz zu suchen. Durch diese Unaufmerksamkeit kam der Kl. nach seinen Darlegungen nach links auf die Gegenfahrbahn, lenkte darauf hin das Fahrzeug scharf nach rechts und verlor die Kontrolle über das Fahrzeug. Die von dem Kl. vorgetragenen Gesamtumstände des Unfalls lassen nur den Schluß zu, daß dem Kl. auch subjektiv die Mißachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorzuwerfen ist. Das Verhalten des Kl. ist auch als "Augenblicksversagen" subjektiv nicht entschuldbar. Der Kl. wußte, daß er infolge der Auswirkungen des Niesanfalles in seiner Aufmerksamkeit eingeschränkt war. Er hätte unter diesen Umständen nicht den Blick kurzfristig von der Fahrbahn abwenden dürfen, um nach dem Taschentuch auf dem Beifahrersitz zu suchen. Vielmehr hätte er sein Fahrzeug zum Stillstand bringen müssen, um die Folgen des Niesanfalls zu beseitigen. Dies war dem Kl. in der konkreten Situation auch zumutbar. Nach seinem eigenen Vorbringen fuhr er mit der relativ geringen Geschwindigkeit von nicht mehr als 50 bis 60 km/h. Weitere Verkehrsteilnehmer, die durch ein zügiges Anhalten behindert worden wäre, waren nicht vorhanden. Dem Kl. hätte sich deshalb aufdrängen müssen, erst nach Durchfahren der Kurve und nach dem Anhalten des Fahrzeugs nach dem Taschentuch zu suchen. Daß er dies unterlassen hat, stellt ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten dar, das das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt. Der Kl. hat deshalb den Verkehrsunfall und damit den Versicherungsfall grob fahrlässig verursacht, so daß nach § 61 VVG eine Schadensersatzpflicht der Bekl. als Kaskoversicherer ausgeschlossen ist.

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Normen

VVG § 61