Ersatzanspruch eines Forstarbeiters wegen Beschädigung seines Schleppers

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

17. 07. 1997


Aktenzeichen

8 AZR 480/95


Leitsatz des Gerichts

Beschädigt ein Arbeitnehmer bei betrieblich veranlaßten Arbeiten schuldhaft sein mit Billigung des Arbeitgebers eingesetztes Fahrzeug, so gelten im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs des Arbeitnehmers nach § 670 BGB die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung auch dann, wenn über das Fahrzeug des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber ein Mietvertrag abgeschlossen worden war.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob der Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. in voller Höhe den Schaden zu ersetzen, der diesem durch vollständige Zerstörung seines bei Forstarbeiten eingesetzten Schleppers entstanden ist. Der Kl. ist seit 1987 beim bekl. Land als Forstarbeiter beschäftigt. Ab Oktober 1993 stellte er seinen Universalschlepper gegen eine vom Land vorgegebene Stundenvergütung von 39 DM zur Verfügung. Damit sollten die Kosten für Kraftstoff, Schmiermittel, Fette, Verschleißteile und Reparaturen abgedeckt werden. Eine Vollkaskoversicherung schloß der Kl. für seinen Schlepper nicht ab. Für den 40-stündigen Einsatz seiner Zugmaschine bei Forstarbeiten bis Januar 1994 erhielt er von der Bekl. 1560 DM. Am 20. 1. 1994 wurde der Schlepper des Kl. beim Ziehen eines Baumes vollständig zerstört. An diesem Tag mußte der Kl. zusammen mit sechs weiteren Forstarbeitern an einem Hang mit 70% Steigung mit Hilfe der Seilwinde des Schleppers Bäume bergwärts ziehen. Aus Sicherheitsgründen dürfen Bäume in solcher Lage nicht gefällt, sondern müssen umgezogen werden. Die Überprüfung des Unfalls ergab, daß der vom Kl. bediente Schlepper wegen des starken Frostes auf einem Waldweg mit geringer Breite trotz vorschriftsmäßiger Arbeitsweise nicht sicher positioniert werden konnte und durch einen umgezogenen Baum ins Rutschen gebracht wurde. Die für die Aufnahme des Unfalls zuständige Forstdirektion Freiburg berichtete der schadensbearbeitenden Forstdirektion Stuttgart, der Kl. habe „korrekt gehandelt, es könne ihm allenfalls leichteste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil Seilarbeiten am Steilhang generell gefährlich seien“. Der Bekl. ersetzte dem Kl. „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ 35 611,49 DM. Diesen Betrag errechnete der Bekl. mit 70% des Gesamtschadens von 50 873,55 DM, der sich aus Wiederbeschaffungswert, Bergungs- und Schadenfeststellungskosten abzüglich des Restwertes zusammensetzt. Dem Kl. wurde vom Bekl. mitgeteilt, daß über den Schlepper ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, der in keinem direkten Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis stehe. Dabei wurde der Kl. auf den Erlaß des Ministeriums für ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Baden-Württemberg vom 17. 4. 1991 über den Ersatz von Sachschaden an Bedienstete hingewiesen. Nach Nr. 1 dieses Erlasses kommt zwischen dem Staatsforstbetrieb und dem Waldarbeiter ein Mietvertrag zustande, wenn ein Waldarbeiter privateigene Maschinen und Geräte im Staatswald einsetzt. Nach Nr. 4 entsteht für Maschinen und Geräte, für deren Einsatz der Waldarbeiter eine Vergütung erhält, im Schadensfall grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatzleistungen gegen die Staatsforstverwaltung. Nach Nr. 5 des Erlasses kann in Ausnahmefällen, in denen für den Waldarbeiter aufgrund des Schadensereignisses eine unzumutbare Härte entstehen würde, ein Sachschadensersatz geleistet werden. Mit seiner Klage begehrt der Kl. weitere 12 888,51 DM. Diesen Betrag errechnet er ausgehend von einem Schaden in Höhe von 48 500 DM, der aus Wiederbeschaffungswert (55 000 DM) abzüglich Restwert (6500 DM) gebildet ist, durch Abzug der geleisteten 35 611,49 DM.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Bekl. seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat der Klage zu Recht stattgegeben.

I. Das LAG hat im wesentlichen ausgeführt: Der Kl. habe einen Anspruch auf vollen Schadensausgleich analog § 670 BGB. Zwischen den Parteien sei kein Mietvertrag über einen stundenweisen Einsatz des Schleppers zustandegekommen. Selbst wenn der Kl. durch den Revierleiter gefragt - statt angewiesen - worden sei, den Schlepper für den Hieb zur Verfügung zu stellen, habe das bekl. Land kein Angebot zum Abschluß eines Mietvertrages abgegeben. Der Erklärungsempfänger, der den Erlaß vom 17. 4. 1991 und die einseitig festgelegten Vergütungssätze für Maschinennutzungen kenne, habe den Eindruck von einem einseitigen Organisationsakt des bekl. Landes in einem Über--Unterordnungsverhältnis gehabt, der eine einzelvertragliche Vereinbarung ausschließe. Außerdem habe der Kl. davon ausgehen dürfen, daß er den Schlepper im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gegen Aufwendungsersatz bereitstellen sollte, da das Land keine solche Maschine besaß und er mit dem ihm vertrauten Schlepper eine Arbeitsaufgabe ausführen mußte. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 670 BGB im Arbeitsverhältnis seien erfüllt. Der Schaden sei im Betätigungsbereich des Arbeitgebers bei Ausübung einer gefährlichen Arbeit entstanden und nicht arbeitsadäquat. Der Kl. habe keine Vergütung erhalten, die das Unfallrisiko mit abdecke. Die Maschinenentschädigung sei nicht ausreichend, um neben den üblichen Aufwendungen für den Unterhalt des Schleppers und die Verbrauchsstoffe auch Kosten einer Vollkaskoversicherung zu bestreiten. Eine solche Versicherung benötige der Kl. nur, wenn der Schlepper im forstlichen Betrieb des bekl. Landes eingesetzt werde und nicht im privatnützigen Bereich. Das Land müsse dem Kl. vollen Schadensersatz leisten, da diesem nur leichteste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne.

II. Die Ausführungen des LAG halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Bekl. hat dem Kl. vollen Aufwendungsersatz zu leisten.

1. Seit der Entscheidung des BAG vom 8. 5. 1980 (BAGE 33, 108 = NJW 1981, 702 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers) ist es ständige Rechtsprechung, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Fahrzeug des Arbeitnehmers entstandenen Unfallschäden in entsprechender Anwendung des § 670 BGB ersetzen muß, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müßte.

2. Das LAG hat zutreffend erkannt, daß diese vom BAG für den Einsatz eines Pkw des Arbeitnehmers entwickelten Grundsätze in gleicher Weise gelten, wenn der Arbeitnehmer wie im Streitfall ein Nutzfahrzeug im Betätigungsbereich des Arbeitgebers einsetzt. Der Kl. hat den Schlepper mit Billigung des Bekl. für die Forstarbeiten eingesetzt. Ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs hätte der Bekl. einen eigenen Schlepper einsetzen und dessen Unfallgefahr tragen müssen.

3. Dem LAG ist auch darin zu folgen, daß der Kl. keine besondere Vergütung zum Ausgleich des Schadensrisikos erhalten hat. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber das Schadensrisiko beim betrieblichen Einsatz eines Arbeitnehmerfahrzeugs zu tragen und deshalb im Schadensfall vollen Aufwendungsersatz zu leisten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können jedoch eine besondere Vergütung dafür vereinbaren, daß das Schadensrisiko beim Arbeitnehmer wie bei einer Nutzung des Fahrzeugs im Eigeninteresse verbleibt. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß aufgrund dieser Vereinbarung eine besondere Vergütung als adäquate Gegenleistung zur Abdeckung des Unfallrisikos gezahlt wird (vgl. BAG, NZA 1990, 27 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers [zu 2]). Im Streitfall fehlt es bereits an der Darlegung einer solchen Vereinbarung. Auf den Ministerialerlaß vom 17. 4. 1991 kann sich der Bekl. nicht mit Erfolg berufen, da dieser Erlaß von den Parteien nicht vertraglich eingeführt wurde. Im übrigen hat das LAG zu Recht darauf hingewiesen, daß in der Zahlung der Maschinenarbeitsstunde in Höhe von 39 DM kein angemessener Ausgleich für die Übertragung des Schadensrisikos enthalten ist.

4. Der Aufwendungsersatzanspruch wird auch nicht dadurch gemindert, daß der Kl. den Unfall verschuldet hat. Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers zum Aufwendungsersatz nach § 670 BGB ist grundsätzlich in entsprechender Anwendung des § 254 BGB ein Verschulden des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG, NZA 1990, 27 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers [zu 4 a]). Dabei kommen allerdings die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung (vgl. BAGE 78, 56 = NZA 1994, 1083 = NJW 1995, 210 = AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) zur Anwendung. Danach entfällt eine Mithaftung des Arbeitnehmers im Falle bloßer leichtester Fahrlässigkeit. Die Annahme des LAG, der Kl. habe allenfalls mit leichtester Fahrlässigkeit den Schlepperunfall verschuldet, wird von der Revision nicht angegriffen.

5. Der Bekl. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, zwischen den Parteien sei über den Schlepper ein Mietvertrag nach § 535 BGB abgeschlossen worden. Ob mit dem LAG davon ausgegangen werden kann, daß der Bekl. kein Angebot zum Abschluß eines Mietvertrages abgegeben habe, das der Kl. habe annehmen können, kann dahingestellt bleiben. Im Streitfall geht es ausschließlich um Schäden, die ein Arbeitnehmer bei Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten verursacht hat. In einem solchen Fall gelten die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auch dann, wenn im Rahmen des Arbeitsverhältnisses über den beschädigten Gegenstand zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Mietvertrag geschlossen worden war.

Vorinstanzen

LAG Baden-Württemberg, 10 Sa 112/94, 04.05.1995

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 254, 535, 611, 670