Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubs als Einstellung
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
28. 04. 1998
Aktenzeichen
1 ABR 63/97
Wird mit einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin nach Antritt ihres Erziehungsurlaubs vereinbart, daß sie auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz aushilfsweise eine befristete Teilzeitbeschäftigung aufnehmen sollen, so liegt hierin eine Einstellung i.S. des § 99 BetrVG, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Schutzwerte Interessen an einer solchen Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubs sind im Mitbestimmungsverfahren angemessen zu berücksichtigen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. streiten darüber, ob der Betriebsrat mitzubestimmen hat, wenn Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer während ihres Erziehungsurlaubs aushilfsweise mit verringerter Stundenzahl an ihrem bisherigem Arbeitsplatz eingesetzt werden sollen. Die Arbeitgeberin ist ein Versicherungsunternehmen mit bundesweiten Niederlassungen. Sie beschäftigt in ihrem Schadensbüro Koblenz die Arbeitnehmerin S als Schadenssachbearbeiterin in Vollzeit. Nach der Geburt ihres Kindes beanspruchte und erhielt Frau S für die Zeit vom 18. 7. 1995 bis zum 21. 5. 1998 Erziehungsurlaub. Der Arbeitsplatz wurde nicht anderweitig besetzt. Anfang 1996 entstand im Schadensbüro Koblenz Personalbedarf. Die Arbeitgeberin vereinbarte mit der Arbeitnehmerin S eine aushilfsweise Beschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz mit 19 Wochenstunden für die Zeit vom 1. 3. 1996 bis zum 31. 8. 1996. Hierüber informierte sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 9. 2. 1996. Dieser widersprach der beabsichtigten Beschäftigung unter Berufung auf § 99 II Nr. 3 BetrVG. Die Arbeitgeberin vertrat demgegenüber die Auffassung, daß die Beschäftigung nicht als mitbestimmungspflichtige zu werten sei. Frau S nahm zum 1. 3. 1996 wie vorgesehen ihre Arbeit auf und war bis zum 31. 8. 1996 tätig. Der Betriebsrat sieht in der aushilfsweisen Wiederaufnahme der Beschäftigung während des Erziehungsurlaubs eine mitbestimmungspflichtige Einstellung. Es komme aufgrund geänderter arbeitsvertraglicher Bedingungen zu einer erneuten Eingliederung. Dabei könnten Zustimmungsverweigerungsgründe auftreten, die bei der Ersteinstellung noch nicht absehbar gewesen seien und die nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts die erneute Beteiligung forderten. Insoweit sei die Situation nicht anders als bei Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses oder dessen Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis; in beiden Fällen sei anerkannt, daß eine die Mitbestimmung eröffnende Einstellung vorliege. Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,
(1) die Einstellung der Arbeitnehmerin S im Rahmen eines nicht volle Erwerbstätigkeit gem. § 2 I Nr. 1 BErzGG darstellenden Teilzeitarbeitsverhältnisses aufzuheben,
(2) festzustellen, daß die Ag. verpflichtet ist, bei Begründung eines keine volle Erwerbstätigkeit i.S. des § 2 I Nr. 1 BErzGG darstellenden Teilzeitarbeitsverhältnisses gem. § 99 I BetrVG wegen Einstellung den Betriebsrat zu beteiligen.
Das ArbG hat beiden Anträgen stattgegeben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das LAG den Feststellungsantrag abgewiesen. Hinsichtlich des Antrags, die Beschäftigung der Arbeitnehmerin aufzuheben, hat es das Verfahren eingestellt, nachdem diese ihre Teilzeitbeschäftigung wie vorgesehen beendet und die Bet. das Verfahren insoweit für erledigt erklärt hatten. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat den Feststellungsantrag weiter. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Übernehmen Arbeitnehmer während ihres Erziehungsurlaubs aufgrund einer nachträglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber vorübergehend mit verringerter Stundenzahl eine Aushilfstätigkeit auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz, liegt hierin entgegen der Auffassung des LAG eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S. des § 99 BetrVG.
I. Der zuletzt allein noch streitbefangene Feststellungsantrag des Betriebsrats ist zulässig.
1. Er bedarf allerdings der Auslegung. Nach seinem Wortlaut werden nicht nur Fallgestaltungen erfaßt, in denen der Arbeitnehmer zunächst ganz von der Arbeitsleistung freigestellt ist und erst später wieder eine Teilzeitbeschäftigung aufnimmt, sondern auch solle Fälle, in denen sich die Teilzeittätigkeit unmittelbar an die bisherige Vollzeitbeschäftigung anschließt. Außerdem erfaßt er wörtlich genommen nicht nur die Beschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz, sondern auch die Aufnahme anderer Tätigkeiten. Die Begründung zeigt aber, daß es dem Betriebsrat allein um die befristete Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit nach zunächst vollständiger Freistellung geht, also um die allgemeine Klärung von Fallgestaltungen, die dem - zwischenzeitlich erledigten - Ausgangsfall vergleichbar sind. Der Betriebsrat hat an keiner Stelle erklärt, daß er auch eine ununterbrochene, aber zeitlich verringerte Weiterbeschäftigung als mitbestimmungspflichtige Einstellung betrachten will. Er hat den allgemeinen Feststellungsantrag gerade damit begründet, daß die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats „in solchen Fällen“ stets mißachten werde.
Das LAG ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, daß der Feststellungsantrag nur diese Fallgestaltung umfaßt. Soweit es darauf verweist, daß der Antrag selbst bei einem weiteren Verständnis abgewiesen werden müßte, ändert sich an der Beschränkung auf den Ausgangsfall nichts. Das LAG wollte ersichtlich nur vorsorglich eine zusätzliche Begründung für die Abweisung geben, aber damit seine Auslegung des Antrags nicht relativieren. Gleiches gilt für die Frage, ob der Antrag auch Fälle mit verändertem Arbeitsinhalt erfaßt. Auch dies hat das LAG zu Recht verneint. Der Betriebsrat hat in den Vorinstanzen nicht bestritten, daß Frau S mit - abgesehen vom zeitlichen Umfang - inhaltlich unveränderter Tätigkeit eingesetzt worden ist. Er hat nicht zu erkennen gegeben, daß er andere Varianten in das Verfahren einbeziehen wollte. Mit dem Hinweis darauf, daß ein weiter verstandener Antrag als insgesamt unbegründeter Globalantrag anzusehen gewesen wäre, rundet das LAG seine Entscheidung nur ab. Der Betriebsrat nimmt ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG in Anspruch, unabhängig davon, wie es zu begründen ist. Er spricht im Antrag zwar ausdrücklich von „Einstellung“ und hat sich zweitinstanzlich sogar eine „Antragsänderung“ vorbehalten; wenn man in dem Vorgang keine Einstellung sehe, müsse man ihn zumindest als Versetzung werten. Dies ist jedoch nur als rechtliches Begründungselement zu verstehen. Dem Betriebsrat geht es erkennbar um die Mitbestimmung nach Maßgabe des § 99 BetrVG, und zwar für einen bestimmten tatsächlichen Sachverhalt. Auch wenn die Maßnahme als Versetzung anzusehen wäre, ginge es um das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Der Betriebsrat hat diese Sichtweise in der Rechtsbeschwerdebegründung bestätigt.
2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag bestimmt genug. Der Betriebsrat hat an der begehrten Feststellung auch ein rechtliches Interesse. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über Bestand und Inhalt eines Mitbestimmungsrechts im Wege eines allgemeinen Feststellungsverfahrens geklärt werden (vgl. nur Senat, NZA 1997, 1059 = AP Nr. 88 zu § 87 BetrVG1972 Lohngestaltung [zu B I]). Der Klärungsbedarf besteht weiter, obwohl die den Streitfall auslösende Beschäftigung der Arbeitnehmerin S beendet ist. Mit entsprechenden Personalmaßnahmen ist auch zukünftig zu rechnen. Die Arbeitgeberin berühmt sich weiterhin ihres Rechts, diese mitbestimmungsfrei durchführen zu können.
II. Der so verstandene Antrag des Betriebsrats ist begründet. Das LAG hat das vom Betriebsrat beanspruchte Mitbestimmungsrecht zu Unrecht verneint.
1. Das LAG hat angenommen, es gehe um eine bloße Kombination verschiedener mitbestimmungsfreier Vorgänge. Weder die Herabsetzung der Arbeitszeit noch die vorzeitige Beendigung des Erziehungsurlaubs in Verbindung mit der Aufteilung des Urlaubs in Zeiträume des gänzlichen Ruhens der Hauptpflichten und des zeitweiligen und teilweisen Wiederauflebens dieser Pflichten erfüllten den Tatbestand des § 99 BetrVG. Bestätigt werde dieses Ergebnis dadurch, daß ein einheitliches Arbeitsverhältnis vorliege, auch wenn während des Erziehungsurlaubs (zu ansonsten unveränderten Bedingungen) Teilzeitarbeit geleistet werde. Die betriebliche Interessenlage verlange nicht, daß der Betriebsrat noch ein zweites Mal nach der Ersteinstellung beteiligt werde. Bei der mit Beginn oder während des Erziehungsurlaubs vereinbarten Teilzeitarbeit trete lediglich eine Lage ein, wie sie im Grunde von Anfang an im Arbeitsverhältnis angelegt sei, da sie durch die Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes ermöglicht werde. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, weshalb das Einsetzen der Teilzeitarbeit im zeitlichen Abstand zum Beginn des Erziehungsurlaubs zu einem Beteiligungsrecht des Betriebsrats führen sollte, während bei gleichzeitigem Beginn von Erziehungsurlaub und Teilzeitbeschäftigung eine beteiligungspflichtige Einstellung nicht gegeben sei.
2. Diese Ausführungen überzeugen nicht. Die aushilfsweise Beschäftigung während des Erziehungsurlaubs ist als Einstellung zu betrachten. Nach ständiger Senatsrechtsprechung liegt eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S. des § 99 BetrVG vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Dabei kommt es nicht auf das Rechtsverhältnis an, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen. Maßgebend ist vielmehr die Eingliederung, die Frage also, ob die zu verrichtende Tätigkeit ihrer Art nach eine weisungsgebundene Tätigkeit ist, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes dient und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muß (vgl. zuletzt etwa BAGE 78, 142 = NZA 1995, 281 = AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG1972 Einstellung; Senat, NZA 1997, 1297 = AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG1972 Einstellung). Eine Einstellung in diesem Sinne kommt nicht nur bei der erstmaligen Eingliederung in Betracht. Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts verlangen vielmehr eine erneute Beteiligung des Betriebsrats dann, wenn sich die Umstände der Beschäftigung - ohne daß eine Versetzung vorliegt - aufgrund einer neuen Vereinbarung grundlegend ändern. Dadurch können Zustimmungsverweigerungsgründe erwachsen, die bei der „Ersteinstellung“ nicht voraussehbar waren und deshalb bei der ursprünglichen Zustimmungsentscheidung des Betriebsrats noch nicht berücksichtigt werden konnten. Demgemäß hat der Senat etwa bei unbefristeter Fortsetzung eines bisher befristeten Arbeitsverhältnisses oder bei Fortführung des Arbeitsverhältnisses über eine vorgesehene Altersgrenze hinaus angenommen, daß der Betriebsrat erneut zu beteiligen ist (vgl. BAGE 49, 180 = NZA 1986, 163 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG1972; BAGE 53, 237 = NZA 1987, 531 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG1972; BAGE 65, 329 = NZA 1991, 150 = AP Nr. 82 zu § 99 BetrVG1972; s. auch BVerwGE 92, 295 = ZTR 1993, 525).
3. Eine solche Vertragsänderung liegt auch hier vor.
a) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des LAG insoweit, als ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht besteht hinsichtlich der Frage, ob und wie lange ein Arbeitnehmer Erziehungsurlaub nimmt. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, haben der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gem. § 15 BErzGG einen Anspruch auf Gewährung des Urlaubs, der nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig ist. Es fehlt also schon an einem Regelungsspielraum, der ein Mitbestimmungsrecht eröffnen könnte. Ist aber die Dauer des Erziehungsurlaubs einmal festgelegt und ist das entsprechende Arbeitsvolumen verteilt worden, führt die zeitweilige Wiederaufnahme der Tätigkeit aufgrund eines Aushilfsvertrages zu einer neuen betrieblichen Situation. Die nachträgliche Änderung kann insbesondere die Interessen derjenigen Mitarbeiter berühren, denen das vorübergehend frei gewordene Arbeitsvolumen übertragen wurde. So kann etwa das Arbeitsverhältnis eines Teilzeitbeschäftigten aufgestockt worden sein, es kann für die zunächst zugrunde gelegte Dauer des Erziehungsurlaubs ein Vertreter eingestellt worden sein. Daraus folgt, daß die spätere Aushilfsbeschäftigung zu Interessenkollisionen führen muß. Es stellt sich dann etwa die Frage, ob das Interesse des Vertreters am Erhalt seines Arbeitsplatzes für die ursprünglich vorgesehene Zeitdauer schutzwürdiger ist als der nachträgliche Wunsch, eine im Rahmen des Erziehungsurlaubs zulässige Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen. Insoweit können neue Auswahlgesichtspunkte Beachtung verlangen. Dies soll aber der Arbeitgeber nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts bei Einstellungen nicht allein entscheiden. Das zeigt insbesondere § 99 II Nr. 3 BetrVG, wonach der Betriebsrat die Zustimmung verweigern kann, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der Maßnahme Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Interessenlage ist hier durchaus vergleichbar derjenigen bei unbefristeter Weiterbeschäftigung eines zunächst befristet eingestellten Arbeitnehmers oder bei Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über die tarifliche Altersgrenze hinaus (vgl. Senat, NZA 1989, 225 = AP Nr. 54 zu § 99 BetrVG1972).
b) Die Aushilfsbeschäftigung während eines Erziehungsurlaubs führt unter Umständen zu Zustimmungsverweigerungsgründen, die bei der Ersteinstellung noch nicht berücksichtigt werden konnten. Soweit das LAG annimmt, der Interessenkonflikt sei von Beginn an im Arbeitsverhältnis angelegt und beruhe auf den Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes, wird das der Problematik nicht gerecht. Das Bundeserziehungsgeldgesetz gibt dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf vorübergehende Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubs, es läßt eine solche nur in eingeschränktem Umfang als urlaubsunschädlich zu, § 15 IV BErzGG. Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, einen entsprechenden Wunsch zu erfüllen, er kann dies im Rahmen seiner Vertragsfreiheit auch ablehnen (vgl. Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand: März 1998, § 15 BErzGG Rdnr. 33; Heenen, in: Münchener Hdb. z. , § 222 Rdnr. 4; Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 4. Aufl., § 15 BErzGG Rdnr. 17; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 7. Aufl., § 15 BErzGG Rdnr. 37; Ramrath, DB 1987, 1785). Insofern bedarf es also einer Entscheidung, die bei der Ersteinstellung hinsichtlich ihrer Auswirkungen für andere Belegschaftsmitglieder und für daraus erwachsende Zustimmungsverweigerunsgründe weder vorauszusehen noch zu bewerten ist. Dies verlangt eine erneute Beteiligung des Betriebsrats jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall, daß nach mitbestimmungsfreiem Antritt des Erziehungsurlaubs der Umfang der Freistellung nachträglich vorübergehend reduziert wird (a.A. Ramrath, DB 1987, 1785 [1789]). Da es zu dieser Abänderung des Einvernehmens des Arbeitgebers bedarf, besteht auch ein Regelungsspielraum als Voraussetzung für die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts.
Entgegen der Auffassung des LAG ist es für die Entscheidung nicht erheblich, ob trotz Aufnahme einer Teilzeittätigkeit (mit unverändertem Inhalt) von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen ist oder ob das Teilzeitarbeitsverhältnis selbständig neben das ruhende Arbeitsverhältnis tritt. Auch wenn man letzteres verneint (vgl. BAG, NZA 1997, 160 = AP Nr. 7 zu § 17 BErzGG [zu B III 2]; offengelassen in BAG, NZA 1996, 151 = AP Nr. 1 zu § 3h MT Ang-LV [zu 4]), ändert sich nichts. Für die Frage der Einstellung ist entscheidend die rechtliche und tatsächliche Änderung des Arbeitsverhältnisses, die wegen ihrer Auswirkungen für die übrige Belegschaft nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts bei Einstellungen eine erneute Beteiligung des Betriebsrats erfordern.
c) Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG ergibt sich nicht aus der Zwecksetzung des Erziehungsurlaubs, berufstätigen Elternteilen die bessere Betreuung von Kindern in den wichtigen ersten Lebensjahren zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat dem Arbeitnehmer zwar einen Anspruch auf volle Freistellung eingeräumt, aber keinen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit. Dies wurde gerade damit begründet, daß ein solcher Anspruch zu stark in die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers eingreifen würde, zumal nicht jeder Arbeitsplatz für eine Teilzeitbeschäftigung geeignet sei (vgl. Begr. z. RegE, BT-Dr 10/3792, S. 19). Soll aber das mit dem Erziehungsurlaub verfolgte familienpolitische Anliegen insoweit gegenüber der Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers zurücktreten, muß es dann folgerichtig auch bei den gesetzlichen Beteiligungsrechten des Betriebsrats bleiben, die diese Dispositionsfreiheit beschränken. Das besagt nicht, daß das schutzwürdige Interesse an einer zulässigen Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubs unbeachtlich wäre. Unter Umständen werden urlaubsberechtigte Elternteile überhaupt erst durch einen Teilzeitverdienst in den Stand versetzt, Erziehungsurlaub zu nehmen. Solche Belange sind im Mitbestimmungsverfahren von seiten des Betriebsrats angemessen zu berücksichtigen. Insbesondere bei dem Zustimmungsverweigerungsgrund gem. § 99 II Nr. 3 BetrVG, auf den sich der Betriebsrat im vorliegenden Fall bezieht, ist eine Abwägung der Interessen des betroffenen Arbeitnehmers gegenüber den Interessen anderer Belegschaftsmitglieder geboten.
4. Es bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das LAG ohne weiteres angenommen hat - die zeitlich eingeschränkte Weiterbeschäftigung dann mitbestimmungsfrei ist, wenn sie unmittelbar mit dem Erziehungsurlaub beginnt, weil die Arbeitsvertragsparteien das von vornherein so vorgesehen oder sich darauf vor Antritt des Erziehungsurlaubs geeinigt hatten. Insoweit besteht eine etwas andere Interessenlage. Zwar hat der Arbeitgeber auch hier einen Regelungsspielraum. Im Vergleich zu der mitbestimmungsfreien vollständigen Suspendierung, die allein von der Entscheidung des Arbeitnehmers abhängt, ändert sich aber zunächst nur der Umfang des vorübergehend frei werdenden Arbeitsvolumens. Dieser Vorgang berührt die Interessen der Belegschaft nicht in gleicher Weise wie eine spätere Verteilung bereits frei gewordenen Arbeitsvolumens bzw. die Änderung einer bereits erfolgten Verteilung. Beide Fallgestaltungen müssen daher betriebsverfassungsrechtlich nicht zwingend gleich bewertet werden.
Dahingestellt bleiben kann schließlich auch, wie die vorzeitige Beendigung des Erziehungsurlaubs in diesem Zusammenhang einzuordnen ist. Sie steht zwar in ihren betrieblichen Auswirkungen der nachträglichen programmwidrigen Änderung des Umfangs der Freistellung näher als die vorstehend erörterte Fallgestaltung, entspricht aber den Verhaltensformen, die das Bundeserziehungsgeldgesetz ausdrücklich möglich machen will (§ 16 III -V BErzGG).
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