Pfändbarkeit einer Versicherungsprämie nach Gehaltsumwandlung

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

17. 02. 1998


Aktenzeichen

3 AZR 611/97


Leitsatz des Gerichts

Ändern Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre ursprüngliche Lohnvereinbarung dahin, daß in Zukunft anstelle eines Teiles des monatlichen Barlohns vom Arbeitgeber eine Versicherungsprämie auf einen Lebensversicherungsvertrag zugunsten des Arbeitnehmers (Direktversicherung) gezahlt werden soll (Gehaltsumwandlung), entstehen insoweit keine pfändbaren Ansprüche auf Arbeitseinkommen (§ 850 II ZPO) mehr.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Inhaber einer Forderung gegen B auf Zahlung von 7456,24 DM. Herr B ist Arbeitnehmer der Bekl. Sein Arbeitseinkommen wurde durch Beschluß des AG Tostedt vom 29. 11. 1995 zugunsten des Kl. gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde der Bekl. am 23. 12. 1995 zugestellt. Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens will der Kl. einen Betrag von 350 DM monatlich zu seinen Gunsten berücksichtigt wissen. Diesen Betrag zahlt die Bekl. monatlich an die Lebensversicherung-AG der Deutschen Bank aufgrund eines Versicherungsvertrags, den sie als Arbeitgeberin zugunsten ihres Arbeitnehmers B abgeschlossen hat, auf dessen Leben der Vertrag abgeschlossen wurde und der im Versicherungsfall bezugsberechtigt ist. Werden diese 350 DM dem Arbeitseinkommen des B zugerechnet, waren in der Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 1996 vom Arbeitseinkommen insgesamt 6574,40 DM pfändbar. Bleiben diese 350 DM bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens unberücksichtigt, waren nur 3802,40 DM pfändbar.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das Urteil des ArbG Hamburg bezieht sich auf die Zeit vom 1. 1. bis 30. 9. 1996. In der Berufungsinstanz hat der Kl. die Klage um die pfändbaren Beträge für die Zeit vom 1. 10. bis 31. 12. 1996 erweitert. Das LAG hat die Bekl. nach dem zuletzt vom Kl. gestellten Antrag verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Bekl. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des LAG Hamburg insoweit aufzuheben, als sie zur Zahlung von mehr als 3802,40 DM nebst Zinsen verurteilt wurde. Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG durfte die von der Bekl. an den Lebensversicherer gezahlten 350 DM monatlich nicht dem Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers B zurechnen; sie gehören nicht zum Arbeitseinkommen i.S. von § 850 II ZPO.

1. § 850 II ZPO bestimmt, was Arbeitseinkommen im Sinne des Vollstreckungsrechts ist. Dazu gehört vor allem das laufende Arbeitsentgelt. Die 350 DM Versicherungsprämie gehören nicht dazu. Dem Arbeitnehmer B stand gegen seine Arbeitgeberin kein Anspruch auf Zahlung dieser 350 DM monatlich zu. Das gilt zunächst für den Fall, daß die Arbeitgeberin, die Bekl., ihrem Arbeitnehmer zusätzlich zum Barlohn eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung zugesagt hatte. Bei dieser Vertragsgestaltung schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer von vornherein keinen Barlohn, sondern nur Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Er schließt zur Erfüllung seines Versorgungsversprechens einen Versicherungsvertrag und zahlt als Schuldner dieses Versicherungsvertrages die mit dem Versicherer vereinbarten Prämien. Der Arbeitnehmer erhält erst bei Eintritt des Versicherungsfalles als Bezugsberechtigter die Leistungen aus diesem Versicherungsverhältnis. Diese Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Lebensversicherer sind pfändbar.

2. Nichts anderes gilt für den Fall, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst monatlich eine höhere Barlohnvergütung vereinbart hatten und erst später einverständlich die Lohnvereinbarung in der Weise geändert haben, daß an die Stelle von Barlohn ein Versorgungsversprechen treten soll. Auch in diesen Fällen wird der Arbeitgeber Versicherungsnehmer, der Arbeitnehmer ist Versicherter und Bezugsberechtigter. Die von der Versicherung im Versicherungsfall zu zahlenden Leistungen dienen dem Versorgungsbedarf des Kl., der entweder durch seinen Tod oder durch Erreichen eines Rentenalters ausgelöst wird (vgl. BAGE 65, 215 (220) = NZA 1991, 144 = NJW 1991, 717 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung (zu I 2a aa)). Bei einer solchen Vereinbarung entstehen keine Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitseinkommen i.S. von § 850 II ZPO mehr. Der Arbeitgeber, der zur Erfüllung seines Versorgungsversprechens eine Verbindlichkeit gegenüber einem Versicherungsunternehmen eingeht, will in Höhe der Belastungen den Anspruch des Arbeitnehmers auf laufende Vergütung endgültig beseitigen. Der Arbeitnehmer, der Versorgungslohn statt Barlohn will, ist damit einverstanden, daß in Zukunft in dieser Höhe kein Anspruch auf Barlohn entsteht. Deshalb handelt es sich um mehr als um eine Lohnverwendungsabrede. Diese Vereinbarung über die Gehaltsumwandlung ist Bestandteil des Arbeitsvertrags. Die neue Vergütungsvereinbarung tritt an die Stelle der alten.

Im vorliegenden Fall hat das LAG keine weiteren Feststellungen zum Inhalt der Vereinbarung über eine Gehaltsumwandlung getroffen. Die Parteien sind jedoch übereinstimmend von einer solchen Gehaltsumwandlung ausgegangen. Es handelt sich um typische Vertragsgestaltungen. Der Kl. kann deshalb nicht mehr in Abrede stellen, daß sein Schuldner im streitigen Lohnabrechnungszeitraum einen um 350 DM geringeren Anspruch auf laufendes Arbeitsentgelt hatte. Eine solche Vereinbarung ist rechtlich wirksam. Sie kann allenfalls dann gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB), wenn sich der Schuldner vorsätzlich einer Unterhaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen Kindern entzieht. Dafür ist hier nichts vorgetragen. Im übrigen bleibt ein Teil der Lohnforderung pfändbar. Auf Dauer wird dem Gläubiger durch eine solche Vereinbarung auch kein Vermögensbestandteil entzogen, auf den er im Wege der Zwangsvollstreckung zurückgreifen kann. Die seinen Schuldner B mit dem Abschluß des Versicherungsvertrages zugewendeten Vorteile stehen ihm zur Verfügung, wenn er dessen Ansprüche auf Versicherungsleistungen pfänden und sich zur Einziehung überweisen läßt.

3. Danach hätte die Bekl. an den Kl. für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 8. 1996 jeweils 399,70 DM monatlich abführen müssen. Im September 1996 waren es 203,70 DM, im Oktober 1996 189,70 DM und in den Monaten November und Dezember 1996 jeweils 105,70 DM. Dies ergibt den insgesamt an den Kl. zu zahlenden Betrag von 3802,40 DM. Nur diesen Betrag schuldet die Bekl. Dazu kommen die Zinsen. Die Lohnansprüche des Schuldners B waren jeweils zum letzten eines Monats fällig. In diesem Umfange muß das Urteil des LAG aufrechterhalten werden. Das wird mit der Urteilsformel klargestellt.

Vorinstanzen

LAG Hamburg, 4 Sa 9/97, 14.05.1997

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

ZPO § 850 II; BetrAVG § 1 Lebensversicherung; BGB § 138