Auslegen der Parkscheibe

Gericht

OLG Naumburg


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

04. 08. 1997


Aktenzeichen

1 Ss (Bz) 132/97


Leitsatz des Gerichts

Eine Parkscheibe kann auch an der der Straße zugewandten Seite eines Pkw "gut lesbar" angebracht werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Am 4. 7. 1995 parkte der Betr. mit seinem Pkw auf einer Straße, auf der das Parken bis zu maximal zwei Stunden nur unter Benutzung einer Parkscheibe erlaubt ist. Der Betr. hatte die Parkscheibe an diesem Tag am hinteren linken Seitenfenster seines Pkw angebracht.

Das AG verurteilte den Betr. wegen "vorsätzlicher nicht gut sichtbarer Anbringung einer Parkscheibe" zu einer Geldbuße von 10 DM.

Das AG ging weiter davon aus, daß auf dem von der Politesse vor Ort von der Front des Fahrzeugs des Betr. gefertigten Fotos, auch nach dessen Vergrößerung, keine Parkscheibe an diesem Fenster erkennbar war und durch die Politesse auch keine festgestellt wurde. Aufgrund der Angaben der zeugenschaftlich vernommenen Ehefrau des Betr. und nach dem Grundsatz "in dubio pro reo", ging das AG ferner von einer zur fraglichen Zeit tatsächlich vorhandenen und auch angebrachten Parkscheibe aus. Nach Auffassung des AG hat der Betr. dennoch einen Verstoß nach § 13 II Nr. 2 StVO begangen, da er die Parkscheibe "vorsätzlich nicht gut sichtbar angebracht" habe. Der von ihm gewählte Ort sei angesichts der Tatsache, daß sich an dieser Seite des Fahrzeugs eine befahrene Straße befinde, nicht "pflichtgemäß gewählt". Der Betr. hätte die Parkscheibe an einer anderen Fahrzeugseite oder aber zumindest so anbringen müssen, daß sie von einem sicheren Standort gut wahrnehmbar sei. Auch habe ein Verkehrsteilnehmer, wenn er die Parkscheibe an der hinteren linken Seitenscheibe anbringe, sie dort dann möglichst "mittig" anzubringen, damit sie nicht durch die Mittelsäule verdeckt werde, wenn man von vorn auf das Auto schaue.

Die antragsgemäß zugelassene Rechtsbeschwerde des Betr. führte zum Freispruch.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zu, weil die Frage, wie der Begriff "gut lesbar" i.S. von § 13 II Nr. 2 StVO zu verstehen ist, bisher - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand obergerichtlicher Rechtsprechung war.

Nach den Feststellungen des Urteils hatte der Betr. eine Parkscheibe am linken hinteren Seitenfenster der Fahrerseite seines Fahrzeugs angebracht. Da weitere Feststellungen fehlen, unterstellt das AG im Ergebnis, daß die Ankunftszeit ordnungsgemäß eingestellt und die Höchstdauer der möglichen Parkzeit nicht überschritten worden sei und daß die Beschaffenheit der Parkscheibe den Anforderungen der § 41 II Nr. 8 StVO Bild 291 entsprochen habe.

Soweit das AG gemeint hat, der Betr. habe sich gleichwohl eines Verstoßes gegen § 13 II Nr. 2 StVO schuldig gemacht, kann dem nicht gefolgt werden. Nach dieser Vorschrift ist das Parken in der gesondert ausgewiesenen Halteverbotszone für die Zeit, die auf einem Zusatzschild ausgewiesen ist, nur erlaubt, wenn das Fahrzeug eine von außen gut lesbare Parkscheibe hat und wenn der Zeiger der Scheibe auf den Strich der halben Stunde eingestellt ist, die dem Zeitpunkt des Anhaltens folgt.

Eine Anweisung, wo genau im Pkw die Parkscheibe anzubringen ist, enthält die Vorschrift nicht. Auch regelt sie nicht, daß eine Kontrolle der Parkscheibe von besonderen ungefährlichen Standplätzen aus für die Kontrolleure möglich sein muß. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts, der eine eingehende Auslegung nicht zuläßt, ist der Auffassung von AG und GenStA nicht zu folgen, eine Parkscheibe, die nicht von einem für die Kontrolleure sicheren Standort aus lesbar sei, sei nicht ordnungsgemäß angebracht.

Rechtsprechung zur Lesbarkeit der Parkscheibe ist - soweit ersichtlich - nicht ergangen.

Die Literatur beschränkt sich auf die allgemein gehaltene Forderung, die Parkscheibe müsse von außen einwandfrei ablesbar sein (Jagusch/Hentschel, StraßenverkehrsR, § 13 StVO Rdnr. 11a; Jäger, in: HK-StVR, § 13 StVO Rdnr. 11), sie müsse im Fahrzeug abgelegt und von außen gut sichtbar sein (Rüth/Berr/Berz, StraßenverkehrsR, § 13 StVO Rdnr. 14). Berr/Hauser, Das Recht des ruhenden Verkehrs, Rdnr. 433, meinen, es sei nicht konkret festgelegt, wo genau die Parkscheibe anzubringen sei. Sinn und Zweck der Vorschrift, eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der im Zonenverbot festgelegten Höchstparkdauer zu ermöglichen, bestimmen, welche Anforderungen an die "Lesbarkeit" zu stellen sind.

Die grundsätzlich gebotene Einheitlichkeit der Rechtsanwendung legt es nahe, für die Anforderungen, die an eine gute Lesbarkeit zu stellen sind, die Grundsätze heranzuziehen, die zur Lesbarkeit eines Parkscheins entwickelt worden sind. Das BayObLG (NZV 1996, 208) hat es für ausreichend angesehen, wenn ein Parkschein auf der Abdeckplatte des Gepäckraums abgelegt wird. Für den Parkschein hat es im übrigen die in der Regel dort aufgedruckte Aufforderung der Verwaltungsbehörde, der Schein müsse hinter die Windschutzscheibe abgelegt werden, für unverbindlich gehalten. Das OLG Köln (NZV 1992, 376) hat es bei der Benutzung eines Anwohnerausweises für zulässig gehalten, daß dieser auf der Hutablage abgelegt wird, weil es insbesondere zweckmäßig sein könne, solche Genehmigungen dort dauerhaft im Pkw zu befestigen, damit es nicht zu einer Sichtbehinderung kommen könne.

Der Einwand, es sei den Kontrolleuren nicht zuzumuten, auf die Fahrbahn zu treten, um eine an der Fahrerseite angebrachte Parkscheibe abzulesen, kann nicht ausschlaggebend sein, die Anbringung auf dieser Seite zu verbieten. Schließlich muß auch jeder Fahrer, der seinen Pkw besteigen will, sich so verhalten. Den Kontrollierenden kann und muß auch zugemutet werden, für die kurze Zeit des Ablesens, soweit überhaupt notwendig, die Fahrbahn zu betreten. Eine Gefährdung, die das jeden Verkehrsteilnehmer treffende Normalmaß überstiege, ist mit einer solchen Kontrolltätigkeit nicht gegeben. Die Lesbarkeit der notwendigen Angaben der Parkscheibe kann nicht abhängig gemacht werden von einer momentanen Verkehrssituation oder der subjektiven Gefahreneinschätzung der Kontrollperson zum Zeitpunkt der Überprüfung.

Der Betr. war daher nicht verpflichtet, die Parkscheibe so anzubringen, daß die Politesse sie von einem sicheren Standort aus hätte sehen und ablesen können. Da er die Parkscheibe unwiderlegt gut lesbar, ordnungsgemäß eingestellt und die Parkhöchstdauer nicht überschritten hatte, liegt ein Parkverstoß nicht vor.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht

Normen

StVO § 13 II Nr. 2