Einteilung zu Nachtschichten kraft Direktionsrechts

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

11. 02. 1998


Aktenzeichen

5 AZR 472/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Arbeitgeber kann kraft seines Direktionsrechts die Anzahl der in Folge zu leistenden Nachtschichten festlegen, soweit durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag keine Regelung getroffen ist.

  2. Es gibt keine gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse darüber, ob eine kurze oder längere Schichtfolge die Gesundheit der Arbeitnehmer stärker beeinträchtigt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. will erreichen, daß der Bekl. verpflichtet wird, sie auf ihren Wunsch zu sieben Nachtwachen in Folge einzuteilen. Die Kl. ist in der Rheinischen Landesklinik in B. als Pflegerin beschäftigt. Sie war dort auch in Nachtwachen eingesetzt. Die Kl. hat behauptet, sie sei regelmäßig zu acht Nachtwachen nacheinandereingeteilt worden, der Bekl. hat behauptet, die Kl. sei nur bis zu sechs Nachtwachen in Folge eingeteilt worden. Im Jahre 1996 ging der Bekl. dazu über, seine Mitarbeiter nur noch in bis zu höchstensvier Nachtwachen in Folge einzusetzen. Der Bekl. stützt sich hierzu auf einen Runderlaß des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und entsprechende Rundschreiben des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz aus dem Jahre 1996. Darin ist die gesundheitliche Problematik der Nacht- und Schichtarbeit erörtert; eine Nachtarbeit mit mehr als vier Nachtdiensten in Folge wird als eine mit dem Arbeitnehmerschutz unvereinbare Dienstplanung bezeichnet. Der Bekl. bezieht sich weiter auf Äußerungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie der Universität Karlsruhe, in denen ebenfalls kurze Wechsel bei Nacht- und Schichtarbeit empfohlen werden. Die Kl. will eine Einteilung zur Nachtschicht bis zu höchstens vier Nachtwachen in Folgenicht hinnehmen. Sie hat geltend gemacht, für sie sei aufgrund ihrer besonderen Veranlagung und gesundheitlichen Situation ein kurzfristiger Wechsel von Tag- und Nachtschicht nicht zumutbar, sondern führe zu einer Beeinträchtigung ihrer Gesundheit. Hierzu hat sieeine Bescheinigung des Unabhängigen betriebsärztlichen Dienstes in B. vom 12. 7. 1996 vorgelegt, in der es heißt, es bestünden keine arbeitsmedizinischen Bedenken, die Kl. maximal in sieben aufein-ander folgenden Nachtwachen einzusetzen. Die Kl. hat ferner eineStellungnahme der Krankenhaus-Gesellschaft Nordrhein-Westfalen vom 3. 2. 1997 vorgelegt, in der es heißt, die einseitige Umsetzung einer Schichtfolge von zwei bis vier Wachen führe zu einer Mehrbelastung, die gesundheitliche Beeinträchtigungen und eine zusätzlichepsycho-soziale Belastung auslöse. Die Kl. hat beantragt festzustellen, daß der Bekl. im Rahmen der Erstellung der Dienstpläne für Nachtwachen verpflichtet ist, ihre Wünsche, sieben Dauernachtwachen in Folge zu absolvieren, zu berücksichtigen, hilfsweise, den Bekl. zu verurteilen, sie auf ihren Wunsch im Rahmen des Pflegedienstes der Rheinischen Landesklinik in sieben Dauernachtwachen in Folge einzuteilen.

ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Kl. kann nicht verlangen, zu mehr als vier Nachtwachen in Folge eingeteilt zu werden.

I. Der Feststellungsantrag ist zulässig. (Wird ausgeführt.)

II. Das Begehren der Kl. ist jedoch nicht begründet. Sie kann nicht verlangen, daß der Bekl. sie auf ihren Wunsch zu mehr als vier, und zwar bis zu sieben Nachtwachen einteilt.

1. Der Bekl. kann kraft seines Weisungsrechts die Lage der Arbeitszeit der Kl. festlegen. Dieses Weisungsrecht ist hier weder durch Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag eingeschränkt (BAG, NZA 1993, 1127 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG, NJW 1997, 78 = NZA 1996, 1088 = AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht).

a) Wie das BerGer. zutreffend entschieden hat, ergibt sich eine solche Einschränkung nicht aus § 6 ArbZG. Nach § 6 I ArbZG ist die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. Es ist nicht ersichtlich und von der Kl. auch nichtvorgetragen, daß es gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die für eine Schichteinteilung in der von der Kl. geforderten Weise sprechen. Aus den von den Parteien zu den Akten gereichten Unterlagen geht vielmehr hervor, daß es zu der Frage, welche Schichtfolge die Gesundheit weniger belastet, unterschiedliche Auffassungen gibt. Während das zuständige Ministerium in Nordrhein-Westfalen und das Staatliche Amt für Arbeitsschutz in Nordrhein-Westfalen sich die Ansicht zu eigen gemacht haben, bei Nachtarbeit müsse der Schichtwechsel möglichst kurz sein, da hierdurch der menschliche Organismus am wenigsten belastet werde, vertritt die Krankenhaus-Gesellschaft den gegenteiligen Standpunkt; sie betont, durch einen kurzen Schichtwechsel würden individuelle psychologische und psycho-soziale Belastungen nicht hinreichend berücksichtigt. Von gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen, die zugunsten der Kl. sprächen, kann daher nicht ausgegangen werden.

b) Es gibt auch keine tariflichen Vorschriften, durch die das Direktionsrecht des Bekl. in Bezug auf die Anzahl der Nachtschichtfolgen eingeschränkt wäre.

c) Schließlich ist das Direktionsrecht des Bekl. nicht durch den Arbeitsvertrag der Kl. eingeschränkt. Eine ausdrücklicheRegelung im Arbeitsvertrag behauptet die Kl. nicht; sie hat einen im öffentlichen Dienst üblichen Arbeitsvertrag abgeschlossen, in dem die Dienstpflichten des Arbeitnehmers nur dem Rahmen nach geregelt sind. Entgegen der Auffassung der Kl. hat sich die vertragliche Regelung der Arbeitszeit auch nicht dahin konkretisiert, daß die Kl. nunmehr nur noch verpflichtet wäre, sieben, oder jedenfalls mehr als vierNachtwachen in Folge zu leisten. Insoweit kann dahinstehen, ob es zutrifft, daß die Kl., wie sie vorträgt, jahrelang zu sieben bis acht Nachtwachen in Folge eingeteilt worden ist. Eine Konkretisierung des Arbeitsvertrags, also eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag hin zu einem einseitig nicht veränderbaren Vertragsinhalt, tritt nicht allein dadurch ein, daß der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde. Zum reinen Zeitablauf müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, daß der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit ohne Änderung so wie bisher zu erbringen, hier also Nachtschichten nur in einer größeren Anzahl nacheinander zu leisten (BAG, NZA 1985, 811 = AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAG, NZA 1993, 89 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit).

Solche Umstände hat die Kl. nicht vorgetragen. Es ist nicht zu erkennen, warum sie - persönlich - vertraglich berechtigtgewesen wäre, auf ihr Verlangen hin zu sieben Nachtwachen in Folge eingeteilt zu werden. Zudem betrifft die Anordnung der Anzahl der Nachtwachen eine organisatorische Frage, die sinnvollerweise nur einheitlich geregelt werden kann und üblicherweise auf kollektiver Ebene geregelt wird. In diesem Bereich kann ein Arbeitnehmer ohne besondere Anhaltspunkte in aller Regel nicht davon ausgehen, der Arbeitgeber wolle sich ihm gegenüber individualrechtlich durch eine Sonderregelung binden (vgl. BAG, NZA 1997, 1009 = AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG1972). Aus den gleichen Gründen kommt auch entgegen der Auffassung der Kl. eine betriebliche Übung zu ihren Gunsten nicht in Betracht. Ebenso wie bei der - individuellen - Konkretisierung des Arbeitsvertrags kommt es bei der betrieblichen Übung darauf an, ob die von einer bestimmten und längere Zeit wiederholten Verhaltensweise des Arbeitgebers betroffenen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben annehmen können, ihnen sei eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt worden (vgl. BAG, NZA 1997, 1009 = AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG1972 m.w. Nachw.). Auch hieran fehlt es im Streitfall. Dabei kann ebenfalls zugunsten der Kl. unterstellt werden, daß sie und viele andere Mitarbeiter des Bekl. seit mehreren Jahren für jeweils eine ganze Woche zu Nachtschichten eingeteilt worden sind. Es sind - abgesehen von der bloßen Handhabung - keine Umstände ersichtlich, die auf eine rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer unveränderten Weiterführung seiner Praxis schließen ließen.

2. Der Bekl. hat sein Weisungsrecht rechtsfehlerfrei ausgeübt.

a) Der Arbeitgeber, der von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht, muß billiges Ermessen wahren (§ 315 BGB). Er darf nicht willkürlich vorgehen, sondern hat die Interessen beider Seiten zu berücksichtigen (BAG, NJW 1997, 78 = NZA 1996, 1088 = AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht).

b) Die Begrenzung der Nachtschichten der Kl. auf maximal vierEinsätze in Folge verstößt nicht gegen die Grundsätze billigen Ermessens. Auf Seiten des Bekl. ist anzuerkennen, daß er ein berechtigtes Interesse daran hat, durch seine Schichtplanung nicht in einen Konflikt mit den zuständigen Arbeitsbehörden zu geraten. Nachdem auf Veranlassung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen das Staatliche Amt für Gesundheitsschutz darauf hingewiesen hatte, daß mehr als vier Nachtschichten nacheinander als „mit dem Arbeitnehmerschutz unvereinbare Dienstplanung“ angesehen würde, hätte der Bekl. bei einer abweichenden Handhabung Auseinandersetzungen zu befürchten gehabt. Die Kl. begründet ihr Interesse an der Verlängerung der Nachtschichtfolge über vier Nachtwachen hinaus ausschließlich mit der Behauptung, die Verkürzung habe für sie negative gesundheitliche Folgen. Eine nähere Begründung hat sie dazu nicht gegeben, sondern nur allgemein auf ihre „besondere Veranlagung“ und „soziale Situation“ hingewiesen. Welche besondere Veranlagung sie hat und welches ihre soziale Situation ist, hat sie nicht vorgetragen. Die vom medizinischen Dienst vorgelegte Bescheinigung bestätigt die von der Kl. befürchtete gesundheitliche Beeinträchtigung nicht. Diese Bescheinigung bestätigt nur, daß in der Person der Kl. keine arbeitsmedizinischen Bedenken gegen eine Schichtfolge von sieben Nachtwachen bestehen. Daraus läßt sich nicht schließen, weniger als sieben Nachtwachen in Folge seien für die Kl. schädlich.

c) Die Rüge der Revision, das BerGer. habe das von der Kl. beantragte Gutachten über die schädlichen Wirkungen der verkürzten Nachtschichtfolge gerade für sie einholen müssen, ist unbegründet. Da die Kl. nicht mitgeteilt hat, welche besondere Veranlagung und welche soziale Situation in ihrem Falle vorlagen, hätte eine Begutachtung auf eine abstrakteStellungnahme zu den dargestellten arbeitsmedizinischen Meinungsverschiedenheiten über die beste Einteilung von Nachtarbeit hinauslaufen müssen. Eine Beurteilung der konkreten Auswirkungen auf die Kl. hätte eines substantiiertenSachvortrags bedurft. Da der Arbeitgeber nur gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse zu berücksichtigen hat (§ 6 I ArbZG), kann es nicht darauf ankommen, ob die Auffassung der Arbeitsschutzbehörden oder der Krankenhaus-Gesellschaft zutrifft.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 315; ArbZG § 6 I