Zulässigkeit von "Prestige" als weiterer Vorname für ein Mädchen

Gericht

OLG Schleswig


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

23. 11. 1997


Aktenzeichen

2 W 145/97


Leitsatz des Gerichts

"Prestige" ist in Verbindung mit eindeutig weiblichen Vornamen nach dem Willen der Personensorgeberechtigten als Vorname eines Mädchens in das Geburtenregister einzutragen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die geschiedene Bet. zu 1 gebar am 22. 9. 1995 eine Tochter. Diese sollte die Vornamen "Prestige-Carol-Lee-Ann" erhalten. Der Standesbeamte lehnte die Eintragung dieser Vornamen in das Geburtenregister ab. Daraufhin hat die Bet. zu 1 beim AG beantragt, den Standesbeamten anzuhalten, die Eintragung der gewählten Vornamen in das Geburtenregister vorzunehmen. Das AG hat den Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde der Bet. zu 1 hin hat das LG über die Frage, ob die Vornamen "Prestige-Carol-Lee-Ann" in dieser Form überhaupt eintragungsfähig seien, insbesondere ob es sich bei "Prestige" überhaupt um einen Vornamen handele, ein Gutachten der Gesellschaft für deutsche Sprache eingeholt. Mit dem angefochtenen Beschluß vom 6. 6. 1996 hat das LG nach persönlicher Anhörung der Bet. zu 1 die Beschwerde zurückgewiesen und u.a. gestützt auf das Gutachten der Gesellschaft für Deutsche Sprache ausgeführt, "Prestige" sei als Vorname nicht nachweisbar und identisch mit dem englischen und französischen "Prestige", das die Bedeutung "Ansehen, Geltung", habe; Sachbegriffe seien aber als Vornamen nicht eintragungsfähig. Darüber hinaus sei "Prestige" in Deutschland als Markenname für Herrenkosmetik bekannt und dadurch geeignet, ein Mädchen mit diesem Namen der Lächerlichkeit preiszugeben.

Die Bet. zu 1 hat sodann durch ihren Verfahrensbevollmächtigten beim Standesbeamten beantragt, die Vornamen "Michiko-Carol-Lee-Ann-Prestige" in das Geburtenbuch einzutragen. Daran hat der Standesbeamte sich mit Rücksicht auf den angefochtenen Beschluß gehindert gesehen. Das angerufene AG hat den Antrag, den Standesbeamten anzuweisen, die Vornamen "Michiko-Carol-Lee-Ann-Prestige" einzutragen, als unzulässig zurückgewiesen, weil das LG durch den angefochtenen Beschluß rechtskräftig festgestellt habe, daß "Prestige" nicht als Vorname eingetragen werden könne. Die weitere Beschwerde der Bet. zu 1 gegen den Beschluß des LG vom 6. 6. 1996 hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Das LG hat die Grenzen des der Mutter zustehenden Rechts, ihrem Kind einen Vornamen eigener Wahl zu geben, zu eng gezogen und damit den Begriff des Personensorgerechts nach § 1626 BGB unrichtig angewandt.

Das deutsche Recht enthält keine ausdrücklichen Regeln darüber, welche Vornamen einem Kind gegeben werden können. Das bedeutet indessen nicht, daß der Vorname eines Kindes ohne jede rechtliche Beschränkung wählbar wäre. Nach allgemeiner Ansicht bestehen für die Vornamensgebung Schranken. Diese sind im Einzelfall aus der Rechtsstellung der materiell Betroffenen sowie aus den mit der Vornamensgebung verbundenen öffentlichen Belangen zu ermitteln.

Ein materielles Recht, den Vornamen eines Kindes zu bestimmen, steht den Personensorgeberechtigten - hier der alleinerziehenden Mutter - zu. Denn ihr obliegt die Sorge für die Person des Kindes (§ 1626 BGB). In dieser Berechtigung genießt sie Grundrechtsschutz (Art. 6 II GG). Bestandteil des elterlichen Sorgerechts ist, dem Kind einen Vornamen zu geben. Nach der im Kern wohl allgemeinen Ansicht erschöpft sich dieses Recht nicht darin, einen Vornamen aus der Vielzahl der gebräuchlichen Vornamen auszuwählen. Die Eltern sind vielmehr im Grundsatz befugt, das Kind in einer bislang ungebräuchlichen Weise zu benennen. Es ist ihnen nicht prinzipiell verwehrt, einen Vornamen zu erfinden oder einen eingebürgerten Begriff erstmals als Namen zu verwenden, sofern nicht das Persönlichkeitsrecht des Kindes oder die mit der Namensgebung verbundenen öffentlichen Interessen entgegenstehen (OLG Zweibrücken, NJW 1984, 1360).

Die Namensgebung und das durch Art. 1 I 1, 2 I GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht des Kindes berühren sich unmittelbar. Das Kind trägt den ihm von den Eltern gegebenen Namen grundsätzlich zeitlebens. Mit dem Namen trägt es aber auch die Folgen, welche aus einem Vornamen der persönlichen Entwicklung eines Menschen drohen können. Daher ist es den Eltern verwehrt, dem Kind einen Vornamen zu geben, der die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes mit einiger Wahrscheinlichkeit nachteilig beeinflussen wird. Dieser Gesichtspunkt verbietet daher direkt im allgemeinen Bewußtsein herabsetzende, verächtlich machende oder der allgemeinen Lächerlichkeit preisgebende Vornamen. Er verhindert darüber hinaus, daß dem Kind - für sich gesehen unbedenkliche - Begriffe als Namen beigelegt werden, die nicht geeignet sind, eine Person als solche zu bezeichnen, oder die ihre herabsetzende Wirkung durch Rückschlüsse aus der eigentlichen Bedeutung des Begriffs auf den Namensträger entfalten. So ist es nicht möglich, das Kind nach Städten, nach dem Zunamen von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, nach Getränken oder sonstigen Gegenständen und Umständen zu benennen (OLG Zweibrüken, NJW 1984, 1360).

Diese Grundsätze haben die Vorinstanzen nicht hinreichend beachtet. Das LG weist zutreffend darauf hin, daß "Prestige" identisch ist mit dem englischen und französischen Wort "Prestige", das die Bedeutung "Ansehen, Geltung" hat. Bei einem solchen Verständnis des Wortes "Prestige" ist es aber ebensowenig wie etwa bei dem häufig gebrauchten Vornamen "Felix", der aus dem Lateinischen kommt und "der Glückliche" bedeutet, nicht so, daß der Name anstößig und lächerlich wirken könnte. Daran ändert auch nichts, daß "Prestige" in Deutschland als Markenname für Herrenkosmetik bekannt ist. Allein daraus kann sich nicht das Verbot ergeben, das Wort "Prestige" künftig als Vornamen zu verwenden. Zu Recht weist die Bet. zu 1 darauf hin, daß in diesem Falle auch gegen den Gebrauch des Vornamens "Billy", weil so ein Kondom bezeichnet wird, und gegen den Vornamen "Heinz", weil so eine Ketchupmarke bezeichnet wird, Bedenken erhoben werden könnten. Daß die Bet. zu 1 die Schranken ihres Namensgebungsrechts im Hinblick auf die für "Prestige" möglicherweise bestehenden gewerblichen Schutzrechte überschritten hat, ist nicht zu sehen. Denn der Vorname "Prestige" soll dem Kind ersichtlich nicht deswegen beigelegt werden, um ihn in einem Bereich zu gebrauchen, der in die Schutzrechte des Herstellers der Herrenkosmetik "Prestige" eingreift.

Schließlich steht das Prinzip der Geschlechtsoffenkundigkeit der Erteilung des Namens "Prestige" als weiterer Vorname nicht entgegen. Zu Recht weist das LG allerdings darauf hin, daß "Prestige" als Vorname bislang nicht nachweisbar ist. "Prestige" ist also bisher geschlechtsneutral. Daraus ergeben sich für die Eintragung aber keine Bedenken. Denn durch die Beilegung weiterer eindeutiger weiblicher Vornamen wie etwa "Michiko", "Carol", "Lee" oder "Ann" werden entstehende Zweifel am Geschlecht des Kindes ausgeräumt (vgl. BGH, NJW 1979, 2469 (2470); BayObLG, NJW 1984, 1362 (1363)).

Nach alledem bestehen gegen einen Vornamen "Prestige", zumal wenn die Bet. zu 1 nunmehr die Eintragung an letzter Stelle wünscht, keine rechtlichen Bedenken. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind, soweit sie diesbezügliche Bedenken haben, aufzuheben. Der Standesbeamte ist anzuhalten, von seinen Bedenken gegen die Eintragung des Vornamens "Prestige" Abstand zu nehmen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die beantragte Eintragung der ungewünschten "Vornamenskombination" zu befinden.

Rechtsgebiete

Namens- und Titelrecht

Normen

BGB § 1626; GG Art. 2 I