Beschwerdewert und Rechtsschutzinteresse für Unterhaltsklage

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

01. 07. 1998


Aktenzeichen

XII ZR 271/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Unterhaltsgläubiger hat grundsätzlich auch dann ein Rechtsschutzinteresse an - voller - Titulierung seines Unterhaltsanspruchs, wenn der Schuldner den Unterhalt bisher regelmäßig und rechtzeitig gezahlt hat.

  2. Wird dem Unterhaltsbegehren auch für zurückliegende Zeiträume stattgegeben, dann müssen bereits freiwillig geleistete Unterhaltszahlungen des Schuldners im Urteilsausspruch berücksichtigt werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Durch Urteil des AG - FamG - Chemnitz vom 14. 5. 1997 wurde der Bekl. - unter Klageabweisung im übrigen - zu Unterhaltszahlungen für seine minderjährigen ehelichen Kinder zu Händen der sorgeberechtigten Mutter verurteilt, und zwar,

1. für den Zeitraum vom 1. 10. 1996 bis 31. 1. 1997

a) an die Kl. zu 1 in Höhe von monatlich 264 DM und

b) an den Kl. zu 2 in Höhe von monatlich 183,81 DM sowie

2. ab Februar 1997

a) an die Kl. zu 1 in Höhe von monatlich 365 DM und

b) an den Kl. zu 2 in Höhe von monatlich 255 DM.

Nach dem Tatbestand des Urteils zahlte der Bekl. seit September 1995 für die beiden Kinder monatlichen Unterhalt in Höhe von zusammen 445 DM. In den Entscheidungsgründen führte das AG hierzu aus: Obwohl der Bekl. derzeit Unterhaltsleistungen von monatlich 445 DM erbringe, sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage zu bejahen. Denn es bestehe bisher kein vollstreckbarer Titel. Außerdem erfolgten die monatlichen Unterhaltsleistungen des Bekl. unbestimmt. Der genaue, einem jeden der beiden Kl. zufließende Unterhaltsbetrag lasse sich aus der pauschalen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 445 DM nicht bestimmen. Mit der Berufung beantragte der Bekl., (1) das amtsgerichtliche Urteil unter Nr. 1 a und Nr. 1 b aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie (2) das Urteil unter Nr. 2 b dahin abzuändern, daß an den Kl. zu 2 ab Februar 1997 nur monatlich 222 DM Unterhalt zu zahlen seien.

Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig, da der Beschwerdewert des § 511 a ZPO nicht erreicht sei. Die Revision des Bekl. war erfolgreich.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Berufungssumme ist entgegen der Auffassung des OLG erreicht, § 511 a ZPO.

1. Das BerGer. hat zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. 9. 1997 niedergelegt, die Parteien seien „mit dem Senat der Auffassung, daß das angefochtene Urteil, richtig verstanden, für die Zeit vom 1. 10. 1996 bis 31. 1. 1997 monatlich insgesamt für beide Kinder 2,81 DM dem Bekl. zur Zahlung auferlegt“. Gestützt hierauf hat das Gericht die Beschwer des Bekl. in dem angefochtenen Urteil für den Zeitraum vom 1. 10. 1996 bis zum 31. 1. 1997 mit 11,24 DM (4 x 2,81 DM) angenommen, da das amtsgerichtliche Urteil dahin zu verstehen sei, daß es über die unstreitig gezahlten Summen hinaus lediglich monatlich 2,81 DM für beide Kinder ausurteile. Im übrigen hat das OLG ausgeführt: Hinsichtlich des Zeitraums ab Februar 1997 sei das Urteil wegen eines Monatsbetrags von 33 DM für den Sohn E angefochten. Insoweit ergebe sich gem. § 9 ZPO eine Beschwer in Höhe von 1386 DM. Beides zusammen erreiche nicht die Erwachsenheitssumme.

2. Gegen die vorstehenden Ausführungen bezüglich des Zeitraums von Oktober 1996 bis einschließlich Januar 1997 erhebt die Revision zu Recht Bedenken. Das amtsgerichtliche Urteil beschwert den Bekl. mit der Verurteilung gemäß dem Tenor unter 1 a und 1 b entgegen der Auffassung des OLG nicht nur in Höhe von monatlich 2,81 DM, sondern in Höhe von monatlich zusammen 447,81 DM (264 DM für J und 183,81 DM für E). In dieser Höhe ist der Bekl. durch das FamG zur Unterhaltszahlung an die Kl. verurteilt worden, ohne daß dem Tenor eine Beschränkung in Form eines Hinweises auf bereits erbrachte Teilzahlungen oder ein Hinweis auf eine entsprechende Anrechnung schon geleisteter Beträge zu entnehmen ist (vgl. hierzu Senat, NJW 1984, 1685 = LM § 1573 BGB Nr. 11 = FamRZ 1984, 561 [563 unter 3 c]). Da der Urteilsausspruch des FamG für die Zeit von Oktober 1995 bis Januar 1997 hiernach eindeutig monatliche Zahlungen von jeweils - zusammen - 447,81 DM zum Gegenstand hat, kann er entgegen der Auffassung des BerGer. weder anders „verstanden“ noch anders ausgelegt werden. Auch ein mit der Vollstreckung aus dem Urteil beauftragter Gerichtsvollzieher (§§ 754 , 724 ZPO) müßte die Vollstreckung in Höhe von monatlich insgesamt 447,81 DM durchführen und hätte keinen Anlaß, sie auf monatlich je 2,81 DM zu beschränken. Das gilt abgesehen von der insoweit unmißverständlichen Fassung des Tenors auch deshalb, weil das AG in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich das Rechtsschutzinteresse der Kl. für das volle Klagebegehren bejaht hat.

Das AG konnte sich hierbei auf die inzwischen herrschende - auch vom Senat geteilte - Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung beziehen, nach der das Rechtsschutzinteresse für eine Unterhaltsklage grundsätzlich auch dann zu bejahen ist, wenn der Verpflichtete den Unterhalt regelmäßig, pünktlich und in vollem Umfang bezahlt, zumal der Schuldner die freiwilligen Zahlungen jederzeit einstellen kann und der Gläubiger für diesen Fall einen Titel über den vollen Unterhalt benötigt (vgl. etwa van Els, in: Göppinger-Wax, UnterhaltsR, 6. Aufl., Rdnr. 2036; Mutschler, in: RGRK, 12. Aufl., Vorb. § 1601 Rdnr. 33; Soergel-Häberle, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 1601 Rdnr. 12; auch Köhler, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 1602 Rdnr. 46; Zöller-Herget, ZPO, 20. Aufl., § 9 Rdnr. 5; OLG Karlsruhe, FamRZ 1979, 630; 1991, 468; OLG München, FamRZ 1990, 778; OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 1207; OLG Hamm, FamRZ 1992, 831).

Das AG hat allerdings übersehen, daß sich die genannte Auffassung auf das Rechtsschutzinteresse einer Unterhaltsklage für die Zukunft bezieht, während die Verurteilung für die Zeit von Oktober 1996 bis Januar 1997 im vorliegenden Fall bei Erlaß des amtsgerichtlichen Urteils am 14. 5. 1997 einen bereits in der Vergangenheit liegenden Zeitraum betraf. In diesem Fall mußten bereits freiwillig geleistete Unterhaltszahlungen bei der Fassung des Urteilstenors berücksichtigt werden, da der Bekl. die ausgeurteilten Beträge nur einmal schuldete (vgl. Senat, NJW 1984, 1685 = LM § 1573 BGB Nr. 11; Wendl-Thalmann, Das UnterhaltsR in der familienrechtlichen Praxis, 4. Aufl., § 8 Rdnr. 182). Der damit in dem Urteil des FamG enthaltene Rechtsfehler war im Berufungsverfahren zu korrigieren. Mit einer Vollstreckungsgegenklage konnte der Bekl. die Berücksichtigung seiner bereits geleisteten Unterhaltszahlungen im Hinblick auf § 767 II ZPO nicht erreichen, so daß er insoweit auf das Erkenntnisverfahren angewiesen war.

Da schon das Begehren des Bekl., die in der Verurteilung für die vier Monate von Oktober 1996 bis einschließlich Januar 1997 liegende Beschwer von jeweils 447,81 DM zu beseitigen, mit (4 × 447,82 DM =) 1791,24 DM die Berufungssumme des § 511 a ZPO erreicht, bestehen gegen die Zulässigkeit der Berufung unabhängig von dem Wert des weiteren Berufungsantrags zu 2 keine rechtlichen Bedenken.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht

Normen

BGB §§ 1601 ff.; ZPO § 258