Nötigung von Fußgänger in Parklücke

Gericht

OLG Naumburg


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

26. 05. 1997


Aktenzeichen

2 Ss 54/97


Leitsatz des Gerichts

Zur Frage, in welchen Fällen das Zufahren mit einem Pkw auf eine eine Parklücke blockierende Person nicht rechtswidrig i.S. des § 240 II StGB ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Angekl. fuhr auf einem Supermarktparkplatz mit einem Pkw auf eine in einer Parklücke stehende Zeugin P zu, die vor sich einen Einkaufskarton abgestellte hatte; P wartete darauf, von ihrem Begleiter, der sein Fahrzeug in einiger Entfernung abgestellt hatte, abgeholt zu werden. Erst als die Angekl. nach mehrfachem kurzen Anhalten und Weiterfahren die Zeugin am Knie berührt hatte, wich diese aus der Parklücke, so daß die Angekl. dort vollständig einfahren konnte. Dabei wurden der Inhalt des Kartons teilweise beschädigt.

Das AG verurteilte die Angekl. wegen Nötigung und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen; auf ihre Berufung verurteilte die StrK sie allein wegen Nötigung - da der Sachbeschädigungsvorsatz nicht nachzuweisen war - zur gleichen Geldstrafe. Das RevGer. sprach die Angekl. frei.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Mag auch das Zufahren in Richtung auf die in der Parklücke stehende Zeugin nach schrittweisem Anhalten und die schließliche Berührung ihres Knies Gewalt i.S. von § 240 I StGB gewesen sein, so fehlt es an der Verwerflichkeit der Nötigungshandlung i.S. von § 240 II StGB, d.h. an dem sozialethisch zu mißbilligenden Einsatz des Nötigungsmittels zu dem erstrebten Zweck.

Gegenüber der berechtigterweise nach § 12 V StVO in die Parklücke einfahrenden Angekl. stellt das dreiste und verkehrsfremde Verhalten der Zeugin eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 1 II StVO dar. In einem solchen Fall ist die Erzwingung eines Parkplatzes nicht sozial verwerflich i.S. von § 240 II StGB, wenn das Hineinfahren in die Parklücke in maßvoller Weise geschieht und die dort stehende Person keiner erheblichen Gefährdung ausgesetzt ist, im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart, NJW 1966, 745 m. abl. Anm. Bockelmann und OLG Hamburg, NJW 1968, 662.

Indem die Angekl. mehrfach anhielt, hat sie der Zeugin ausreichend Zeit gelassen, die Parkfläche freizugeben. Die Zeugin war dadurch keiner erheblichen Gefährdung ausgesetzt, sondern nur einer sehr geringen, wie sich darin zeigt, daß die Angekl. die Zeugin mit ihrem Pkw lediglich berührte.

Da der Senat bereits die Voraussetzungen der Nötigung wegen fehlender Verwerflichkeit nach § 240 II StGB verneint, kommt es nicht darauf an, daß der Angekl. auch ein Notwehrrecht zugestanden hat, das sie nicht überschritten und nicht rechtsmißbräuchlich ausgeübt hat (vgl. BayObLG, NJW 1993, 824; 1995, 2646 = NZV 1995, 327).

Der Auffassung des Senats stehen folgende obergerichtliche Entscheidungen, die im Zufahren auf eine in der Parklücke stehende Person eine Nötigung bejaht haben, nicht entgegen: BayObLG, NJW 1961, 2074f.: Der Autofahrer war sofort forsch auf die Zeugin losgefahren, die unter Hilfeschreien sich halb über die Motorhaube des Mercedes legen mußte, um nicht überfahren zu werden; OLG Hamm, NJW 1970, 2074f.: Ein Autofahrer hatte als erster die Parklücke erreicht, deshalb durfte ihn sein in der Parklücke stehender Beifahrer einweisen; OLG Düsseldorf, VerkMitt 1978, Nr. 68: Die Zeugin erlitt infolge des zweimaligen Zufahrens des Angekl. schmerzhafte Prellungen an beiden Beinen; BayObLG, NJW 1995, 2646 = NZV 1995, 327: Der Autofahrer stieß mit der Stoßstange seines Pkw derart gegen das Schienbein der Person in der Parklücke, daß diese stürzte und Prellungen erlitt.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht; Strafrecht

Normen

StGB § 240