Gesteigerte Erwerbsobliegenheit bei Unterhaltspflicht für minderjähriges Kind

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

06. 02. 1998


Aktenzeichen

4 WF 294/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein gegenüber seinem minderjährigen Kind Unterhaltspflichtiger muß sich nach Eintritt seiner Arbeitslosigkeit in besonderer Weise um die Herstellung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit zur Sicherstellung des Mindestunterhalts bemühen.

  2. Für einen 39 Jahre alten ausgebildeten Büromaschinenmechaniker und Programmierer ist es auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit nicht unmöglich, bei Bemühungen über den örtlichen Bereich hinaus einen Arbeitsplatz zu finden. Hieran ändert auch eine frühere strafrechtliche Verurteilung mit verkehrsrechtlichem Hintergrund nicht.

  3. Auch wenn aufgrund von Vorstrafen und einem hohen Schuldenstand die Beschäftigungschancen des Unterhaltspflichtigen in seinem Ausbildungsberuf vermindert sind, ist er notfalls auf die - zumutbare - Suche nach Hilfsarbeitertätigkeit und Aushilfstätigkeiten zu verweisen, um der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber seinem minderjährigen Kind zu genügen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Nach dem gerichtlichen Vergleich vom 21. 6. 1993 hat der Ast. folgenden Kindesunterhalt zu zahlen: jeweils 335 DM monatlich für J (geboren am 21. 10. 1998) und für A (geboren am 28. 11. 1990). Unter Hinweis auf seine Arbeitslosigkeit begehrt der Ast. eine Herabsetzung des titulierten Unterhalts. Das AG - FamG - hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Die Beschwerde des Ast. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die beabsichtigte Abänderungsklage gegen die in dem gerichtlichen Scheidungsfolgenvergleich vom 21. 6. 1993 getroffene Unterhaltsverpflichtung für seine beiden minderjährigen Kinder bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S. des § 114 S. 1 ZPO, wie das AG zu Recht ausgeführt hat. Der Ast. hat eine intensive Eigeninitiative nicht dargetan, um nach Eintritt seiner Arbeitslosigkeit seit dem Juni 1995 seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen.

1. Die Höhe des durch den in Rede stehenden gerichtlichen Vergleichs aus dem Jahre 1993 titulierten Kindesunterhalts für den am 21. 10. 1988 geborenen Sohn A und den am 28. 1. 1990 geborenen Sohn J von jeweils 335 DM liegt auch ohne Berücksichtigung des gesetzlichen Kindergeldanteils noch unter dem Betrag der untersten Gruppe 1, Altersstufe 2, der Düsseldorfer Tabelle nach dem Stand 1. 1. 1996, die insoweit einen Kindesunterhalt von 424 DM vorsieht. Zur Leistung des Mindestbedarfs trifft den Ast. gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern eine verschärfte Unterhaltspflicht gem. § 1603 II 1 BGB, das heißt, er muß alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um soviel zu verdienen, daß er den Mindestunterhalt auch unter Wahrung seines eigenen Mindestselbstbehalts leisten kann. Insoweit ist von einer fiktiven Leistungsfähigkeit des Ast. auszugehen, da er nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht hat, trotz aller zumutbaren Anstrengungen keinen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Die Darlegungs- und Beweislast für seine Leistungsfähigkeit trifft den Ast. als Unterhaltsverpflichteten (vgl. BGH, NJW 1996, 517 = FamRZ 1996, 345 [346]; OLG Hamm, FamRZ 1996, 1216).

2. Ein gegenüber seinen minderjährigen Kindern verschärft Unterhaltspflichtiger muß sich nach Eintritt seiner Arbeitslosigkeit in besonderer Weise um die Herstellung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit zur Sicherstellung des Mindestunterhalts bemühen. Dazu gehört nach den allgemeinen Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. BGH, NJW 1994, 1002 = FamRZ 1994, 372; OLG Hamm, FamRZ 1996, 957 [958] und FamRZ 1996, 629; OLG Köln, NJWE-FER 1997, 174), denen auch der Senat folgt (vgl. Beschl. v. 26. 11. 1996 - 4 UF 154/96; Beschl. v. 11. 3. 1997 - 4 WF 52/97; Beschl. v. 27. 5. 1997 - 4 WF 74/97), daß er sich nicht nur beim Arbeitsamt als arbeitssuchend meldet; vielmehr muß der Unterhaltspflichtige dauernde Anstrengungen zur Erlangung einer Arbeit unternehmen; er muß kontinuierlich und regelmäßig auf Stellenangebote reagieren und auch von sich aus tätig werden, um eine Erwerbsstelle zu erhalten, so durch die Aufgabe eigener Annoncen, Vorsprache bei möglichen Arbeitgebern und Bemühungen über den örtlichen Bereich hinaus. Er hat sich durch intensive Suche, mithin auch durch Privatinitiative unter Anspannung aller Kräfte, das heißt mit einem der Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit vergleichbaren Zeitaufwand (vgl. dazu OLG Hamm, FamRZ 1996, 629 und 1994, 1115) um eine solche Erwerbsstelle zu bemühen. Aufgrund der gesteigerten Unterhaltspflicht muß er sich gegebenenfalls bei einem geringeren Einkommen eine weitere Beschäftigung suchen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa zusätzliche Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten (vgl. BGH, NJW 1994, 1002 = FamRZ 1994, 372; OLG Hamm, FamRZ 1996, 957 [958]).

Diese Anforderungen an eine intensive Arbeitsplatzsuche hat der Ast. nicht erfüllt. Der am 3. 6. 1958 geborene Ast. hat gerade einmal drei Stellenangebote vorgelegt, die er seitens des Arbeitsamtes erhalten hat und auf welche er sich beworben haben will. Zu den ihm vom Arbeitsamt vorgeschlagenen Stellenangeboten hat der Ast. nur zwölf Eigenbewerbungen für den Zeitraum vom 7. 4. bis 1. 9. 1997 und sechs hierauf ergangene Ablehnungen dargetan. Bereits die Anzahl seiner Bewerbungen in dem Zeitraum bleibt weit hinter dem zurück, was vom Kl. zu erwarten gewesen wäre. Es bedarf keiner weiteren Darlegungen, daß der Ast., der bereits seit Juni 1995 arbeitslos ist, mit diesen wenigen Bewerbungen den strengen Anforderungen an die Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht nachgekommen ist.

Der im Jahr 1958 geborene Ast. ist ausgebildeter Büromaschinenmechaniker und hat eine Ausbildung als Programmierer absolviert. Er hat sich gemäß seinem vorgelegten Lebenslauf weitergebildet und einschlägige Berufserfahrungen in der Installation von Software, Netzwerken, Internet, Hardwarekonfigurationen und auch in der Installation und Konfiguration von ISDN-Telekommunikationsanlagen erworben, für welche er noch 1995 eine Weiterbildung absolviert hat. Angesichts seines Alters - der Ast. ist 39 Jahre alt - und fehlender zwingender örtlicher Bindungen durfte er seine Arbeitsplatzsuche nicht auf den Umkreis von Bonn beschränken, sondern mußte sich als ausgebildeter Büromaschinenmechaniker und Programmierer bei Firmen der einschlägigen Branche auch außerhalb des Bonner Raumes bewerben. Insbesondere muß er seine Stellensuche durch private Initiative, auch durch eigene Annoncen betreiben (vgl. BGH, NJW 1990, 1477 = FamRZ 1990, 499). Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Kl. aufgrund seiner gesteigerten Unterhaltspflicht seinem minderjährigen Kind gegenüber gegebenenfalls auch Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten suchen muß, wenn er in seinem ausgebildeten Beruf keinen Arbeitsplatz findet.

3. Der Unterhaltspflichtige kann zwar auch bei fehlenden hinreichenden Arbeitsbemühungen im Prozeß dartun und beweisen, daß er auch bei hinreichender Bemühung keinen Arbeitsplatz gefunden hätte (sogenanntes Fehlen einer realen Beschäftigungschance - BGH, NJW 1996, 517 [518] = FamRZ 1996, 345; OLG Braunschweig, NJW-RR 1996, 454). Insoweit trifft ihn jedoch die Beweislast, und jeder ernsthafte Zweifel geht zu seinen Lasten. Das Gericht muß insoweit nur feststellen, daß bei dem Verpflichteten nach Art, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesundheitszustand überhaupt eine Arbeitsplatzchance gegeben war (BGH, NJW 1996, 517 = FamRZ 1996, 345). An diese Feststellung sind auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit bei gesunden Arbeitnehmern mitten im Erwerbsalter keine hohen Anforderungen zu stellen, da sich regelmäßig erst nach erfolglosen intensiven Bemühungen sagen läßt, ob im Einzelfall eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bestand oder nicht. Wollte man nämlich in Zeiten und Regionen hoher Arbeitslosigkeit die Anforderungen an intensive Arbeitssuche für erwerbsfähige Arbeitnehmer aufgeben, bestünde keine Möglichkeit mehr, zwischen wirklicher und nur vorgetäuschter Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu unterscheiden. Es würde dem arbeitsunwilligen Unterhaltsverpflichteten leicht gemacht, sich gerade während der Zeit seiner Unterhaltsverpflichtung dieser Last zu entziehen, zumal ihm bei Leistung des Unterhalts auch nach Arbeitsaufnahme oft kaum mehr bleibt als einem Arbeitslosen. Der Ansatz fiktiven Einkommens bei unzureichender Arbeitssuche schafft erst die Möglichkeit, auf nachträgliches höheres Einkommen oder Vermögen zuzugreifen.

Für den Ast. ist es angesichts seines Alters - 39 Jahre - und seines Gesundheitszustandes nicht unmöglich, einen Arbeitsplatz in dem von ihm bislang ausgeübten Beruf eines ausgebildeten Büromaschinenmechanikers und Programmierers zu finden, wobei er seine Arbeitsplatzsuche nicht auf den Kölner Umkreis beschränken durfte, sondern sich auch außerhalb dieses Raumes bewerben mußte. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der vom Ast. - in diesem Zusammenhang in den Vordergrund gestellten - strafrechtlichen Verurteilung vom 13. 2. 1997 (Freiheitsstrafe von fünf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist). Denn hierbei handelt es sich um eine strafrechtliche Verurteilung mit verkehrsrechtlichem Hintergrund, die keinen Bezug zu dem vom Ast. ausgeübten Beruf hat. Soweit in dem Urteil eine Vorverurteilung unter Bildung einer Gesamtstrafe einbezogen ist, betrifft diese eine Verurteilung wegen Verletzung seiner Unterhaltspflicht vom 29. 11. 1996, so daß die hierdurch bedingten beruflichen Nachteile - soweit sie überhaupt bestehen - im vorliegenden Unterhaltsrechtsverhältnis keine Berücksichtigung finden können (vgl. BGH, NJW 1982, 2491 = FamRZ 1982, 913 [914]).

Unabhängig hiervon ist der Ast. bereits seit Juni 1995 arbeitslos, so daß er alsbald eine Arbeitsstelle hätte finden können, hätte er sich sogleich mit dem Zeit- und Arbeitsaufwand einer vollschichtig erwerbstätigen Person um Arbeit bemüht, wie dies erforderlich gewesen wäre (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1996, 629 m. Nachw.). Mit Rücksicht hierauf kann der Ast. auch nicht auf seine Schuldenaufstellung über insgesamt 70077,81 DM verweisen, die aus der Zeit Ende des Jahres 1996 bis Mitte 1997 herrühren. Selbst wenn man annähme, daß die Beschäftigungschancen des Ast. in seinem Ausbildungsberuf nunmehr mit Rücksicht auf die genannten Vorstrafen und Schulden vermindert sind, verblieb dem Ast. immer noch die - zumutbare - Suche nach Hilfsarbeitertätigkeit und Aushilfstätigkeiten, um der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern zu genügen.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht

Normen

BGB § 1603