Urlaubsgewährung durch Freistellungserklärung im Aufhebungsvertrag

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

09. 06. 1998


Aktenzeichen

9 AZR 43/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine in einem Aufhebungsvertrag enthaltene Klausel, nach der alle gegenseitigen Forderungen erledigt sind, bewirkt nicht das Erlöschen des gekürzten Vollurlaubsanspruchs nach § 5 I lit. c BUrlG.

  2. Die Urlaubsgewährung nach § 7 I , II BUrlG setzt voraus, daß der Arbeitgeber hinreichend erkennbar macht, er befreie den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen. Deshalb ist der Schluß unzulässig, daß mit einer im Aufhebungsvertrag vereinbarten Freistellung stets die Erfüllung des Urlaubsanspruchs verbunden ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob die Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. Urlaubsentgelt zu gewähren. Die Parteien haben am 31. 3. 1993 einen Arbeitsvertrag geschlossen, in dem unter anderem ein Jahresurlaub in Höhe von 30 Tagen und nach Ablauf der Probezeit die Zahlung eines Gehalts von 6000 DM im Monat vereinbart ist. Der Kl. nahm am 1. 6. 1993 die Arbeit auf. Die Bekl. kündigte das Arbeitsverhältnis am 15. 5. 1994. Am 1. 6. 1994 einigten sich die Parteien in einem sogenannten „Auseinandersetzungsvertrag„ auf folgende Abwicklung: „Das Arbeitsverhältnis . . . endet am 30. 6. 1994 im gegenseitigen Einvernehmen. Bis zu diesem Termin ist G von seinen Aufgaben freigestellt. Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.„ Nach erfolgloser Mahnung hat der Kl. am 1. 12. 1994 Klage auf Urlaubsabgeltung erhoben. Zunächst hat er die Abgeltung für 15 Urlaubstage verlangt. Zuletzt hat er eingeräumt, daß ihm bereits sechs Urlaubstage für das Urlaubsjahr 1994 vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden sind. Der Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an ihn 2727,27 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. ist vom LAG zurückgewiesen worden. Die zugelassene Revision hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Bekl. ist verpflichtet, dem Kl. drei Tage Urlaub, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. 6. 1994 nicht mehr gewährt werden konnten, durch die Zahlung von 830,77 DM nebst Verzugszinsen abzugelten. Im übrigen ist die Revision unbegründet.

1. Das LAG ist davon ausgegangen, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Kl. nicht entstanden ist. Der Urlaubsanspruch sei vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die im Auseinandersetzungsvertrag vereinbarte Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt worden.

2. Hiergegen wendet sich zu Recht die Revision.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist der Urlaubsanspruch ein durch das Bundesurlaubsgesetz bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den vertraglichen Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne daß die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird (vgl. BAGE 45, 184 [187] = NZA 1984, 897 = AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; BAGE 54, 59 [62] = NZA 1987, 663 = AP Nr. 19 zu § 11 BUrlG; BAGE 59, 154 [161] = NZA 1989, 68 = AP Nr. 22 zu § 11 BUrlG; BAGE 75, 294 [296] = NJW 1994, 2373 = NZA 1994, 652).

b) Die zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muß hinreichend deutlich erkennen lassen, daß durch die zeitliche Festlegung der Arbeitsbefreiung Urlaub gewährt wird (§ 7 I 1, II 1 BUrlG). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 I BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers z.B. zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme verzichten will (§ 615 BGB).

c) Das hat das LAG verkannt. Es hat, ohne die Zweckbestimmung der Freistellung zu prüfen, pauschal auf den „Sinn und Zweck des Auseinandersetzungsvertrags„ abgestellt. Seine Auslegung, mit der Freistellung seien die Urlaubsansprüche erledigt, hat im Auseinandersetzungsvertrag keinen Ausdruck gefunden. Die Parteien haben vielmehr vereinbart: „Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.„ Diese Formulierung spricht dafür, daß die Parteien von der Vorstellung ausgegangen sind, sämtliche nicht ausdrücklich aufgeführten Ansprüche einschließlich der Urlaubsansprüche würden mit der Erledigungsklausel erlassen. Das LAG hat somit unzulässigerweise die Frage nach der Geltung dieser Erledigungsklausel mit der Urlaubsgewährung verknüpft.

3. Der Kl. hat Anspruch auf Abgeltung von drei restlichen Tagen gesetzlichen Mindesturlaub, der durch die vereinbarte Erledigungsklausel nicht erloschen ist.

a) Der Kl. kann nicht die Abgeltung des vertraglich vereinbarten Urlaubs verlangen. Der die Dauer des gesetzlichen Urlaubs überschreitende Anspruch ist vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 397 BGB erloschen. Mit der vereinbarten Erledigung aller gegenseitigen Forderungen hat der Kl. nach § 397 II BGB anerkannt, daß aus dem Arbeitsverhältnis keine Ansprüche mehr bestehen. Ein derartiges negatives Schuldanerkenntnis bringt alle Ansprüche, die den Erklärenden bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war, zum Erlöschen (vgl. BAG, NJW 1979, 566 = AP Nr. 5 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; BAGE 65, 171 [173] = NZA 1990, 935 = AP Nr. 13 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; Senat, NZA 1998, 816). Das schließt auch den Erlaß von Urlaubsansprüchen im bestehenden Arbeitsverhältnis ein, soweit sie den gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1 , 3 BUrlG übersteigen. Der gesetzliche Mindesturlaub ist demgegenüber nach § 13 I BUrlG unabdingbar (vgl. zuletzt Senat, NZA 1998, 816).

b) Zwar betrug der unabdingbare gesetzliche Mindesturlaubsanspruch im Jahr 1994 nach § 3 I BUrlG in der in den alten Bundesländern geltenden Fassung vom 26. 5. 1994 18 Werktage. Dieser auf das gesamte Urlaubsjahr bezogene sogenannte Vollurlaubsanspruch war aber für den zum Ende des ersten Halbjahres ausscheidenden Kl. nach § 5 I lit. c BUrlG auf neun Werktage zu kürzen. Auch der gekürzte Vollurlaubsanspruch unterliegt dem Schutz der Unabdingbarkeit nach § 13 I 1 BUrlG (BAG, NJW 1981, 141 = AP Nr. 6 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; BAGE 65, 171 [174] = NZA 1990, 935 = AP Nr. 13 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit). Der gesetzliche Anspruch des Kl. auf neun Werktage Urlaub blieb deshalb vom Erlaßvertrag unberührt.

c) Von den bei Abschluß der Auseinandersetzungsvereinbarung zustehenden neun Werktagen Urlaub sind sechs Tage nach § 362 BGB durch Erfüllung erloschen. Der Kl. hat die Gewährung von insgesamt sechs Tagen Urlaub in der Revisionsverhandlung zugestanden.

d) Die drei restlichen Tage Urlaub konnten dem Kl. wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. 6. 1994 nicht mehr gewährt werden. Nach § 7 IV BUrlG sind sie deshalb mit dem in rechnerischer Höhe unstreitigen Betrag von 830,77 DM abzugelten.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 362, 397; BUrlG §§ 1, 3, 5, 13