Anfechtung der Wahl der freizustellenden Personalrats-Mitglieder

Gericht

LAG Rheinland-Pfalz


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

03. 11. 1997


Aktenzeichen

9 TaBV 30/97


Leitsatz des Gerichts

Die Grundsätze, die das BAG (NZA 1992, 1091 = AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG1972) dazu führten, bei Gesetzesverstößen bei der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden, seines Stellvertreters, der Mitglieder der Betriebsrats-Ausschüsse und der von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder zu fordern, daß deren Wahl innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des entsprechend anwendbaren § 19 BetrVG anzufechten ist, beanspruchen auch im Bereich des § 25 BPersVG Geltung. Auch hier stehen die Gesichtspunkte „erforderliche Rechtssicherheit und notwendige Herstellung der Funktionsfähigkeit der Betriebsvertretung„ im Vordergrund.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. des vorliegenden Beschlußverfahrens streiten darüber, ob die Ast. als Mitglied der Betriebsvertretung der Dienststelle 86 CEG der amerikanischen Streitkräfte von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen ist. Die Ast. ist stellvertretende Vorsitzende der Betriebsvertretung in der Dienststelle 86 CEG Flugplatz R. Die Betriebsvertretung besteht aus 11 Mitgliedern. Der Vorstand besteht aus den Gruppenvorstandsmitgliedern R (Arbeiter) und der Ast. (Angestellte, DAG). Zugewählt wurden die Mitglieder S (Angestellter, ÖTV) und G (Arbeiter). In der Sitzung vom 4. 2. 1997, an der die Ast. teilgenommen hat, hat die Betriebsvertretung beschlossen, den Vorsitzenden R und das zugewählte Vorstandsmitglied S freizustellen. Die Ast., die ebenfalls kandidierte, wurde nicht gewählt. Die Dienststelle weigerte sich anschließend, das Mitglied S freizustellen und berief sich auf eine Entscheidung des BVerwG vom 20. 10. 1977, wonach innerhalb der Vorstandsmitglieder in erster Linie die von den Gruppen gewählten Vorstandsmitglieder für die Freistellung vorzuschlagen sind. In einer Sondersitzung vom 24. 2. 1997 hat die Betriebsvertretung dann beschlossen, das Vorstandsmitglied G so lange freizustellen, bis die Angelegenheit rechtlich abgeklärt ist. Gegen den Beschluß vom 4. 2. 1997 wendet sich die Ast. mit dem am 7. 3. 1997 beim ArbG Kaiserslautern eingegangenem Antrag. die Ast. hat beantragt,

(1) die Betriebsvertretung zu verpflichten, die Ast. der Dienststellenleitung zur Freistellung vorzuschlagen.

(2) den Beschluß der Betriebsvertretung vom 4. 2. 1997, mit der der Bet. zu 3 für die Freistellung vorgeschlagen wurde, für unwirksam zu erklären.

(3) den Beschluß der Betriebsvertretung vom 24. 2. 1997, mit dem der Bet. zu 5 vorübergehend für die Freistellung vorgeschlagen wird, für unwirksam zu erklären.

Das ArbG Kaiserslautern hat die Anträge durch Beschluß zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Das ArbG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Ast. einen möglichen Gesetzesverstoß bei der Wahl der freizustellenden Betriebsvertretungsmitglieder vom 4. 2. 1997 nicht mehr geltend machen kann, weil die Anfechtungsfrist analog § 25 BPersVG von 12 Arbeitstagen abgelaufen war. Der Antrag ist erst am 7. 3. 1997 beim ArbG Kaiserslautern eingegangen.

Das BAG (NZA 1992, 1091 = AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG1972) geht für Gesetzesverstöße bei der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters, der Mitglieder der Betriebsratsauschüsse und der von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder davon aus, daß sie grundsätzlich in einem Wahlanfechtungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG binnen einer Frist von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Wahl gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Das BAG (NZA 1992, 1091 = AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG1972) hat seine Auffassung damit begründet, daß zwar im Betriebsverfassungsgesetz eine ausdrückliche Regelung der Rechtsfolgen bei fehlerhaften betriebsinternen Wahlen fehlt. Dies bedeutet aber nicht, daß ein Gesetzesverstoß bei solchen Wahlen stets und ohne weiteres die Nichtigkeit der Wahl zur Folge haben müßte. Die Rechtsfolgen sind vielmehr nach dem Schutzzweck der verletzten Rechtsnormen und dem im Betriebsverfassungsgesetz zum Ausdruck gekommenen Wertmaßstab zu bestimmen. Die Wahrung der Rechtssicherheit spielt nicht nur bei der Wahl des Betriebsrats selbst, sondern auch bei betriebsratsinternen Wahlen eine entscheidende Rolle. Die betriebsratsinternen Wahlen schaffen erst die organisatorischen Grundlagen der Betriebsratstätigkeit. Das gilt namentlich für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters (§ 26 BetrVG) sowie für die Wahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses (§ 27 BetrVG) und der Mitglieder weiterer Betriebsratsausschüsse (§ 28 BetrVG). Die erforderliche Rechtssicherheit gebietet es hier, die Anfechtungsregelung des § 19 BetrVG auf diese, die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats herstellenden betriebsratsinternen Wahlen entsprechend anzuwenden mit der Folge, daß die Gewählten so lange im Amt bleiben, bis die Wahl aufgrund einer fristgebundenen Anfechtung durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung für unwirksam erklärt worden ist. Dies gilt insbesondere auch für die Wahl der von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 II BetrVG. Denn auch die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern dient der Herstellung der vollen Funktionsfähigkeit des Betriebsrats. Seine Funktionsfähigkeit wäre beeinträchtigt, wenn längere Zeit ungewiß bliebe, ob die Freistellungswahl überhaupt rechtsgültig vorgenommen worden ist. Dem auch für diese Funktion als freigestellten Betriebsratsmitglied bestehenden Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit trägt das Gesetz in gleicher Weise Rechnung wie bei gewählten Mitgliedern der Ausschüsse des Betriebsrats. Ebenso wie diese können auch die freigestellten Betriebsratsmitglieder aus dieser Funktion nur mit der qualifizierten Mehrheit von ¾ der Stimmen der Mitglieder des Betriebsrats bzw. der Gruppe abberufen werden (§§ 38 II 10, 27 I 5, II 5 BetrVG). Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung der Anfechtungsregelung des § 19 BetrVG auch auf die betriebsratsinterne Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder (BAG, NZA 1992, 1091 = AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG1972).

Nach Auffassung der Kammer sind diese Grundsätze auch auf § 25 BPersVG zu übertragen. Insbesondere der Gesichtspunkt der erforderlichen Rechtssicherheit und der notwendigen Herstellung der Funktionsfähigkeit der Betriebsvertretung sprechen dafür, daß auch für die Wahl der freizustellenden Mitglieder nach Maßgabe der Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes § 25 BPersVG analog anzuwenden ist.

Soweit die Ast. darauf hingewiesen hat, daß demgegenüber das BVerwG (zuletzt NJW 1991, 3231) ausdrücklich entschieden hat, daß alle im Zusammenhang mit der Bildung des Vorstandes stehenden Maßnahmen Akte der Geschäftsführung des Personalrats, nicht aber Wahlen i.S. von § 25 BPersVG sind, ist davon auszugehen, daß die dort behandelte Geltendmachung der Unwirksamkeit der Wahl eines Gruppenmitglieds in den Vorstand mit der hier zu entscheidenden Frage der Wirksamkeit der Wahl eines freizustellenden Mitglieds der Betriebsvertretung gerade im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit und der Rechtssicherheit nicht vergleichbar ist. Denn das BVerwG (NJW 1991, 3231) hat gerade ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ungültigerklärung der Wahl eines Gruppenvertreters den Personalratsvorstand weder die Geschäftsführung durch den Vorstand noch dessen Handlungsfähigkeit berührt, sondern nur zur Neuwahl eines Gruppenmitglieds führt und die Rechtsstellung der anderen Vorstandsmitglieder unberührt läßt.

Die Ast. könnte folglich die Unwirksamkeit der Freistellung des Bet. zu 3 nur noch geltend machen, wenn diese Wahl nichtig gewesen wäre. Die Nichtigkeit einer derartigen Wahl kann, ebenso wie die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl, zwar jederzeit von jedermann geltend gemacht werden. Voraussetzung ist aber, daß so schwerwiegende offensichtliche Gesetzesverstöße vorgekommen sind, daß nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Anwendbar für die vorliegend durchzuführende Entscheidung über die Freistellung ist gem. Art. 56 IX des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut in Verbindung mit dem Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3. 8. 1959 und der Vereinbarung vom 18. 5. 1981 zur Änderung des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen vom 3. 8. 1959 das Bundespersonalvertretungsgesetz in der bis zum 10. 7. 1989 geltenden Fassung vom 15. 3. 1974. Gem. § 46 III 2 BPersVG in dieser Fassung sind bei der Auswahl der freizustellenden Mitglieder vom Personalrat zunächst die nach § 32 I BPersVG gewählten Vorstandsmitglieder, sodann die nach § 33 BPersVG gewählten Ergänzungsmitglieder und schließlich weitere Mitglieder zu berücksichtigen. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich die von der Ast. in Anspruch genommene, zwingende Freistellung ihrer Person als Gruppenvorstandsmitglied nicht auch, wenn die von der Kl. zitierten Entscheidungen des BVerwG (Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 14; BVerwG, ZBR 1978, 205) für ihre Freistellung sprechen, so führt ein Verstoß dagegen zwar gegebenenfalls zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses, nicht aber zur Nichtigkeit. Denn keinesfalls kann angesichts des Gesetzeswortlauts in der hier maßgeblichen Fassung angenommen werden, daß es sich um einen so schwerwiegenden offensichtlichen Gesetzesverstoß handelt, daß nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gegeben ist. Nach alledem war die Beschwerde der Bf. zurückzuweisen.

Vorinstanzen

ArbG Kaiserslautern, 2 BV 718/97, 22.5.1997

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BPersVG § 25; BetrVG § 19