Herabstufung des hauptberuflichen zum nebenberuflichen Handelsvertreter

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

04. 11. 1998


Aktenzeichen

VIII ZR 248/97


Leitsatz des Gerichts

Ein Handelsvertreter, der nach der Verkehrsauffassung hauptberuflich tätig ist, kann nicht durch Parteivereinbarung zum nebenberuflichen Vertreter „herabgestuft“ werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. war seit 1. 6. 1981 zunächst für die Bekl. zu 1 bis zu 3 und zu 5, später auch für die Bekl. zu 4 und 6 (im folgenden: C-Versicherungsgruppe) als Versicherungsvertreterin tätig. In zwei Schreiben der Bekl. zu 1 aus dem Jahre 1981 wird sie als nebenberuflich tätiger „Vertrauensmann der C“ bezeichnet. Seit 2. 11. 1982 betrieb die Kl. mit Billigung der Bekl. zu 1 ein Kundendienstbüro in K. Die Bekl. zu 1 sagte der Kl. hierfür mit Schreiben vom 17. 9. 1982 eine finanzielle Unterstützung für die Anlaufzeit zu. Zugleich brachte sie die Erwartung zum Ausdruck, daß das Kundendienstbüro regelmäßig von Montag bis Freitag in der Zeit von 8.00 Uhr bis 11.30 Uhr und - außer mittwochs - von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr für den Kundenverkehr geöffnet sein und daß die Kl. auch außerhalb der Geschäftszeit den Versicherungsnehmern der Bekl. mit Rat und Tat zur Verfügung stehen werde. Die Vermittlungstätigkeit der Kl. entwickelte sich in der Folgezeit positiv. Im August 1986 teilte sie der Bekl. zu 1 mit, daß sie das Kundendienstbüro seit 1. 7. 1985 mit ihrem Ehemann gemeinsam hauptberuflich führe. Sie forderte mit Schreiben vom 21. 7. 1988 den Abschluß eines schriftlichen Vertrags des Inhalts, daß sie seit 1. 11. 1982 als hauptberufliche Versicherungsvertreterin tätig sei. Nach einem Telefongespräch vom 14. 9. 1988 erklärte die Kl. gegenüber der Bekl. zu 1 mit Schreiben vom 15. 9. 1988, sie ziehe ihr Schreiben vom 21. 7. 1988 zurück und bestätige wunschgemäß, daß sie das Kundendienstbüro „zu den bisherigen Modalitäten“ weiterführen werde. Im Jahre 1996 beabsichtigte die C-Versicherungsgruppe, in K. ein weiteres Kundendienstbüro zu eröffnen. Die Kl. hielt dies für vertragswidrig und forderte Gebietsschutz. Sie wiederholte ferner ihre Auffassung, daß sie seit der Eröffnung des Kundendienstbüros hauptberufliche Versicherungsvertreterin sei, und verlangte eine entsprechende schriftliche Vereinbarung. Die Bekl. lehnten dies mit Schreiben vom 13. 6. 1996 ab. Zur Begründung beriefen sie sich auf die Bestätigung vom 12. 8. 1981, in der die Kl. ausdrücklich als nebenberufliche Versicherungsvertreterin bezeichnet ist, und auf das Schreiben der Kl. vom 15. 9. 1988. Weiter heißt es in dem betreffenden Schreiben, es könne durchaus sein, daß die Kl. nunmehr als hauptberufliche Versicherungsvertreterin tätig sei; dies führe aber nicht zu einem entsprechenden rechtlichen Status, da sie, die Bekl., hiermit nicht einverstandengewesen seien. Anfang August 1996 erhob die Kl. Klage auf Fest-stellung, daß sie hauptberufliche Versicherungsvertreterin der Bekl. sei, und auf Abschluß eines entsprechenden schriftlichen Vertrags. Daraufhin kündigten die Bekl. das Vertragsverhältnis zum 28. 2. 1997.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Kl. zunächst die in erster Instanz erfolglos gebliebenen Anträge weiterverfolgt. Nach Ablauf der Kündigungsfrist hat sie ihr Feststellungsbegehren geändert und nunmehr - unter anderem - mit dem Antrag zu 1 beantragt festzustellen, daß sie bis zum 28. 2. 1997 hauptberufliche Versicherungsvertreterin der Bekl. gewesen sei und Anspruch auf Ausgleich gem. § 89b HGB habe. Die Klage auf Abschluß eines schriftlichen Handelsvertretervertrags haben die Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich ihre Revision, die der Senat nur hinsichtlich des Antrags zu 1 angenommen hat. Diese führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:

Die Feststellungsklage sei ungeachtet des grundsätzlichen Vorrangseiner Leistungsklage zulässig. Die statt dessen in Betracht kommende Klage auf Abschluß eines schriftlichen Handelsvertretervertrags eines bestimmten Inhalts könnte unter den hier gegebenen Umständen keineweitergehende Klärung und Befriedung herbeiführen als die tatsächlich erhobene Feststellungsklage. Die nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erst im Verlaufe des Rechtsstreits eingetretene Möglichkeit, den Ausgleichsanspruch und etwaige weitergehende Provisionsansprüche im Wege der Stufenklage zu verfolgen, führe nicht zur Unzulässigkeit des Feststellungsantrags. Das Feststellungsbegehren sei jedoch unbegründet, da die Kl. nicht hauptberufliche Versicherungsvertreterin der Bekl. gewesen, jedenfalls nicht als solche zu behandeln sei. Die Kl. sei unstreitig im Jahre 1981 als nebenberufliche Versicherungsvertreterin der Bekl. eingestellt worden. Nach ihrer von den Bekl. nicht bestrittenen Darstellung habe sich ihre Tätigkeit in der Folgezeit allerdings zu einer hauptberuflichen ausgeweitet, was auch die Bekl. mit ihrem Schreiben vom 13. 6. 1996 anerkannt hätten. Gleichwohl sei die Kl. dadurch nicht zur hauptberuflichen Versicherungsvertreterin der Bekl. geworden. Ob ein zunächst nebenberuflich tätiger Handels- oder Versicherungsvertreter schon allein aufgrund einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zum hauptberuflichen Vertreter werden könne oder ob hierzu eine entsprechende Willensbetätigung des Unternehmers erforderlich sei, könne offen bleiben. Einestillschweigende Einverständniserklärung der Bekl. mit einer hauptberuflichen Tätigkeit der Kl. liege zwar an sich vor: Den Bekl. sei unstreitig bekannt gewesen, daß die Kl. seit November 1982 ein Kundendienstbüro mit festen Öffnungszeiten unterhalten, daß seit Juli 1985 ihr Ehemann in diesem Büro mitgearbeitet habe und daß die Kl. einer anderweitigen Berufstätigkeit nicht nachgegangen sei. Auch über die von der Kl. getätigten Umsätze hätten die Bekl. Bescheid gewußt. Wenn die Bekl. aber in Kenntnis dieser Umstände die Dienste der Kl. weiterhin in Anspruch genommen hätten, so spreche dies für eine stillschweigende Einverständniserklärung mit der hauptberuflichen Tätigkeit der Kl. Eine andere Betrachtungsweise sei jedoch wegen des im Jahre 1988 geführten Schriftwechsels geboten. Bereits damals hätten sich die Bekl. dem Verlangen der Kl. nach hauptberuflicher Einstufung widersetzt, die Kl. habe dieses schließlich mit Schreiben vom 15. 9. 1988 zurückgezogen. Bei dieser Sachlage habe die Kl. das Verhalten der Bekl. in der Folgezeit nicht als stillschweigende Einverständniserklärung mit einer hauptberuflichen Vertretertätigkeit verstehen können.

Auch soweit für die Frage der Hauptberuflichkeit allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen sein sollte, könne die Kl. sich nach Treu und Glauben hierauf nicht berufen. Durch ihre Erklärung vom 15. 9. 1988, unter den „bisherigen Modalitäten“ weiterzuarbeiten, habe sie bei den Bekl. die Erwartung geweckt bzw. bestärkt, sie werde weiterhin nebenberuflich für diese tätig werden. Die Kl. handele dahertreuwidrig, wenn sie nunmehr entgegen dem berechtigten Vertrauen der Bekl. verlange, als hauptberufliche Versicherungsvertreterin behandelt zu werden.

II. Diese Ausführungen halten in entscheidenden Punkten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zu Recht hat das BerGer. allerdings die Zulässigkeit der in zweiter Instanz zuletzt mit dem Antrag zu 1 weiterverfolgten Feststellungsklage bejaht.

a) Eine mögliche Leistungsklage auf Errichtung einer von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde (§ 85 HGB) wäre, wie das BerGer. zutreffend und von der Revisionserwiderung unbeanstandet dargelegt hat, jedenfalls nicht geeignetgewesen, das Rechtsverhältnis der Parteien in weitergehendem Umfang zu klären und zu befrieden als die erhobene Feststellungsklage.

b) Die Feststellungsklage ist auch nicht deswegen unzulässig, weil die Kl. den Ausgleichsanspruch, dessen Vorbereitung die Feststellungsklage unter anderem dienen soll, im Wege der Stufenklage hätte geltend machen können, wie die Revisionserwiderung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (DtZ 1997, 288 = LM H. 9-1997 Art. 11 EG BGB 1988 Nr. 3 = WM 1997, 1715 [unter II 3]; BGH, NJW 1996, 2097 = LM § 256 ZPO Nr. 126 [unter A II 2] = LM H. 8-1996 § 86 HGB Nr. 10) meint. Ein etwaiger Ausgleichsanspruch der Kl. ist erst mit Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses entstanden (§ 89b I 1 HGB). Zu diesem Zeitpunkt - Ende Februar 1997 - war der Rechtsstreit bereits in zweiter Instanz anhängig. In der Rechtsprechung des BGH ist seit langem anerkannt, daß eine ursprünglich zulässige Feststellungsklage nicht dadurch unzulässig wird, daß im Verlaufe des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage eintreten (BGH, NJW-RR 1987, 1377 = LM § 675 BGB Nr. 124 = BGHRZPO § 256 Feststellungsinteresse 6, Änderung während Rechtshängigkeit; BGH, NJW 1984, 1552 = LM § 256 ZPO Nr. 126 [unter A I 2]; BGH, WM 1978, 470 [unter I 2]; BGH, NJW 1952, 546 = LM § 256 Abs. 1 ZPO Nr. 5 [unter I]).

c) Die Zulässigkeit des Klageantrags zu 1 begegnet auch in der in zweiter Instanz zuletzt gewählten Fassung keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit die Kl. nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses ihr Begehren, das frühere Bestehen eines hauptberuflichen Versicherungsvertreterverhältnisses mit den Bekl. festzustellen, zeitlich eingegrenzt hat, handelt es sich lediglich um eine verfahrensrechtlich unbedenkliche Anpassung an die geänderten Verhältnisse (§ 264 Nr. 2 ZPO). Die Erweiterung des ursprünglichen Antrags um das Begehren festzustellen, daß die Kl. Anspruch auf Ausgleich gem. § 89b HGB habe, ist nicht als Erweiterung des Feststellungsantrags um eine zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässige (Senat, DtZ 1997, 288 = LM H. 9-1997 Art. 11 EGBGB 1986 Nr. 3 = WM 1997, 1715; BGH, NJW 1996, 2097 = LM H. 8-1996 § 86 HGB Nr. 10) Klage auf Feststellung des Bestehens eines Ausgleichsanspruchs zu verstehen. Der Zusatz bringt vielmehr ersichtlich nur die Schlußfolgerung zum Ausdruck, die sich bei einem Erfolg der auf die Feststellung der Hauptberuflichkeit gerichteten Klage kraft Gesetzes (vgl. §§ 89b , 92b I 1 HGB) ergäbe. Daß die Erweiterung allein in diesem Sinne gemeint sein kann, folgt schon daraus, daß die Kl. zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 89b HGB nichts vorgetragen, sich vielmehr ausschließlich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Anwendbarkeit des § 89b HGB wegen nebenberuflicher Tätigkeit kraft Gesetzes (§ 92b I 1 HGB) ausgeschlossen ist oder nicht. In eben demselben Sinne haben sowohl das BerGer. als auch die Bekl. das Begehren der Kl. gedeutet. Bei diesemVerständnis, das der Senat auch der Entscheidung im Revisionsverfahren zugrunde legt, kommt der scheinbaren Erweiterung des Feststellungsantrags keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu.

2. Dagegen kann dem BerGer. nicht gefolgt werden, soweit es die Auffassung vertritt, die Kl. sei nicht hauptberuflicheVersicherungsvertreterin der Bekl. gewesen oder jedenfalls nicht als solche zu behandeln und damit die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1 als unbegründet abweist.

a) Ob ein Handelsvertreter haupt- oder nebenberuflich tätig ist, bestimmt sich gem. § 92b III HGB nach der Verkehrsauffassung. Die für nebenberufliche Handelsvertreter geltenden Einschränkungen nach § 92b I HGB im Vergleich zu einem hauptberuflichen Handelsvertreter kann der Unternehmer dem Vertreter nur dann entgegenhalten, wenn er diesen ausdrücklich als Handelsvertreter im Nebenberuf mit der Vermittlung oder dem Abschluß von Geschäften betraut hat (§ 92b II HGB). Letzteres ist nach den Feststellungen des BerGer. hier durch das Schreiben der Bekl. zu 1 vom 12. 8. 1981 geschehen. Das BerGer. geht weiter - von den Parteien unbeanstandet - davon aus, daß die Kl. zu Beginn ihrer Tätigkeit für die Bekl. auch tatsächlich in einem Umfang tätig war, der nach der Verkehrsauffassung als nebenberufliche Tätigkeit zu werten ist. Die Kl. selbst hat nichts anderes behauptet. Auch nach ihrer Auffassung hat sie erst mit der Eröffnung des Kundendienstbüros im November 1982 ihre Tätigkeit für die Bekl. auf den Umfang einer hauptberuflichen Tätigkeit ausgeweitet. Es bedarf deshalb keines Eingehens auf die Frage, welche Rechtsstellung ein Handelsvertreter innehat, der ausdrücklich als nebenberuflicher Vertreter eingesetzt ist, nach der Verkehrsauffassung aber von Anfang an hauptberuflich tätig war.

b) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des BerGer., die in der Revisionsinstanz auch nicht angegriffen werden, hat die Kl. in der Zeit nach Eröffnung des Kundendienstbüros im November 1982 ihre Tätigkeit für die Bekl. derart ausgeweitet, daß sie als hauptberufliche Versicherungsvertretertätigkeit anzusehen ist. Nach der Verkehrsauffassung war die Kl. mithin von diesem nicht näher bestimmten Zeitpunkt an bis zum Vertragsende hauptberufliche Versicherungsvertreterin der Bekl. (§ 92b III HGB). Ob die Kl. schon allein wegen der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch rechtlich als hauptberufliche Vertreterin zu behandeln ist oder ob es hierfür einerzumindest konkludenten Einverständniserklärung der Bekl. bedurfte, hat das BerGer. im Ergebnis mit Recht offen gelassen. Die Bekl. haben nämlich ein etwa erforderliches Einverständnis mit einer hauptberuflichen Tätigkeit der Kl. nach den vom BerGer. rechtsfehlerfrei getroffenen, in der Revisionsinstanz unbeanstandet gebliebenen Feststellungen stillschweigend (konkludent) dadurch erklärt, daß sie in Kenntnis der auf ein hauptberufliches Ausmaß angewachsenen Tätigkeit der Kl. deren Vermittlungsdienste weiter in Anspruch nahmen. Entscheidendes Gewicht mißt das BerGer. in diesem Zusammenhang der Unterhaltung des Kundendienstbüros mit festen Öffnungszeiten seit November 1982 und der ausschließlichen Tätigkeit der Kl. und ihres Ehemanns für die Bekl. seit Juli 1985 bei. Kenntnis von dieser entscheidenden Ausweitung der Vertretertätigkeit der Kl. hatten die Bekl. jedenfalls aufgrund des Schreibens der Kl. vom 9. 8. 1986. Eine etwa erforderliche Einverständniserklärung der Bekl. mit einer hauptberuflichen Vertretertätigkeit der Kl. ist daher spätestens im Herbst 1986 durch die widerspruchslose weitere Entgegennahme der Dienste der Kl. seitens der Bekl. erteilt worden. Mindestens von diesem Zeitpunkt an war die Kl. mithin als hauptberufliche Versicherungsvertreterin für die Bekl. tätig. Daran vermag der im Jahre 1988 geführte Schriftwechsel der Parteien entgegen der Auffassung des BerGer. nichts zu ändern.

Für die Auslegung des Verhaltens der Bekl. aus der hierfür maßgeblichen Sicht der Kl. im August 1986 oder zu einem früheren Zeitpunkt kann dem erst im Jahre 1988 geführten Schriftwechsel naturgemäß nichts entnommen werden. Die Haltung, die die Bekl. anläßlich des Schriftwechsels der Parteien im Jahre 1988 einnahmen, mag zwar deutlich gemacht haben, daß sie unabhängig von der Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse an ihrer Geschäftspolitik festhalten wollten, Versicherungsvertreter ausschließlich als nebenberufliche Vertreter einzusetzen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Kl. aber keinen Anlaß anzunehmen, daß die Bekl. sich ihrer Anerkennung als hauptberufliche Versicherungsvertreterin ungeachtet dessen widersetzen würden, daß die von den Bekl. entgegengenommenen Dienste tatsächlich den Umfang einer hauptberuflichen Tätigkeit erreicht hatte, dies den Bekl. schriftlich angezeigt und von ihnen nicht beanstandet worden war. Mit einer solchen Haltung mußte die Kl. auch nicht deswegen rechnen, weil ihr zu Beginn ihrer Tätigkeit für die Bekl. mitgeteilt worden war, daß die C-Versicherungsgruppe aus geschäftspolitischen Erwägungen nicht mit einem hauptberuflichen Außendienst zusammenarbeite, ihre Versicherungsnehmer vielmehr durch firmeneigene Geschäftsstellen und nebenberuflich tätige Versicherungsvertreter (Vertrauensleute) betreuen lasse (Schreiben der Bekl. zu 1 vom 11. 5. 1981). Denn die Kl. konnte redlicherweise nicht damit rechnen, daß dies auch für den Fall gelten sollte, daß ein zunächst nebenberuflich eingesetzter „Vertrauensmann“ ab einem späteren Zeitpunkt mit Billigung und Unterstützung der Bekl. hauptberuflich ein Kundendienstbüro betrieb.

c) Ob die Kl. das Verhalten der Bekl. im Anschluß an den Schriftwechsel des Jahres 1988 weiterhin als stillschweigendeEinverständniserklärung mit einer hauptberuflichen Vertretertätigkeit verstehen konnte, ist entgegen der Auffassung des BerGer. rechtlich unerheblich. Da die Kl., wie dargelegt, spätestens seit Herbst 1986 hauptberufliche Versicherungsvertreterin der Bekl. war, hat sie diesen Status selbst dann nicht verloren, wenn das Verhalten der Parteien im Anschluß an den Schriftwechsel des Jahres 1988, insbesondere die Erklärung der Kl. vom 15. 9. 1988, als einvernehmliche „Herabstufung“ der Kl. auf Nebenberuflichkeit zu verstehen sein sollte. Ob die Kl. haupt- oder nebenberufliche Versicherungsvertreterin war, beurteilt sich gem. § 92b III , IV HGB allein nach der Verkehrsauffassung. Ein Handelsvertreter, der wie die Kl. (vgl. oben zu II 2b) nach der Verkehrsauffassung hauptberuflich tätig ist, kann nicht durch Parteivereinbarung zum nebenberuflichen Vertreter „herabgestuft“ werden (Heymann-Sonnenschein, HGB, § 92b Rdnr. 12; Schlegelberger-Schröder, HGB, 5. Aufl., § 92b Rdnr. 7; v. Hoyningen-Huene, in: MünchKomm-HGB, § 92b Rdnr. 28; Küstner, in: Röhricht-Graf v. Westpahlen, HGB, § 97b Rdnr. 7; Küstner-v. Manteuffel-Evers, Hdb. des gesamten AußendienstR, I, 2. Aufl., Rdnr. 180). Eine etwaige Einigung der Parteien auf eine künftige Tätigkeit der Kl. als nebenberufliche Vertreterin würde daher zu ihrer Wirksamkeit voraussetzen, daß die Kl. ihre Vertretertätigkeit für die Bekl. auf ein Maß reduziert hätte, das nach der Verkehrsauffassung einer nebenberuflichen Handelsvertretertätigkeit entspricht. Derartiges ist indessen weder festgestellt noch von den Bekl. behauptet worden.

d) Da bei unstreitig fortbestehender hauptberuflicher Tätigkeit die Hauptberuflichkeit nicht der Parteidisposition unterliegt, stellt sich die vom BerGer. erörterte und nicht unbedenklich entschiedene Frage einer etwaigen Treuwidrigkeit der Kl. nicht.

Rechtsgebiete

Handelsvertreterrecht

Normen

HGB § 92b