Verfassungswidrigkeit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers von Arbeitslosengeld nach § 148 SGB III

Gericht

BVerfG


Art der Entscheidung

Beschluss über Verfassungsbeschwerde


Datum

10. 11. 1998


Aktenzeichen

1 BvR 2296/96


Leitsatz des Gerichts

Es ist mit Art. 12 I GG unvereinbar, daß der Arbeitgeber nach § 128a AFG (jetzt: § 148 SGB III) für die Dauer einer Vereinbarung über die Unterlassung von Wettbewerb zusätzlich zur arbeitsrechtlichen Entschädigung (§§ 74 II ,74c I HGB) die gesamten Kosten der Arbeitslosigkeit seines früheren Arbeitnehmers (Arbeitslosengeld und Sozialversicherungsbeiträge) ohne Rücksicht darauf zu tragen hat, ob die Arbeitslosigkeit durch eine Wettbewerbsvereinbarung verursacht ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen die auf § 128a AFG und jetzt § 148 I SGB III beruhende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstattung von Arbeitslosengeld, das die Bundesanstalt für Arbeit an Arbeitslose zahlt, die als Arbeitnehmer durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über die Unterlassung von Wettbewerb in ihrer beruflichen Tätigkeit für eine bestimmte Zeit beschränkt sind (Erstattungspflicht bei Konkurrenzklausel). § 128a AFG wurde durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz - AFKG) vom 22. 12. 1981 (BGBl I, 1497) in das Arbeitsförderungsgesetz eingefügt. Er hatte folgenden Wortlaut:

§ 128a. Ist der Arbeitslose durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt, so erstattet der bisherige Arbeitgeber der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen für die Zeit gezahlt worden ist, in der diese Beschränkung besteht . . .

Die im Grundkonzept bis heute unverändert gebliebene Regelung soll die Gemeinschaft der Beitragszahler von den Kosten der Arbeitslosigkeit für solche Arbeitnehmer entlasten, die durch eine Wettbewerbsabrede in ihrer beruflichen Tätigkeit eingeschränkt sind, weil derartige Abreden die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit allein im Interesse des bisherigen Arbeitgebers erschweren. Den sozialen Schutz bei Arbeitslosigkeit des in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkten Arbeitnehmers hat nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der bisherige Arbeitgeber zu tragen (vgl. BT-Dr 9/846, S. 46). Durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. 12. 1985, (BGBl I, 2484) wurde § 128a AFG durch einen Satz 3 dahingehend ergänzt, daß sich der Arbeitnehmer das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber erstattet, wie Arbeitsentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen muß. § 128a AFG erhielt durch das Gesetz zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften (vom 21. 6. 1991 (BGBl I, 1306; im folgenden: AFG 1991) mit Wirkung vom 1. 7. 1991 folgende, für das vorliegende Verfahren maßgebliche Fassung:

§ 128a. (1) Ist der Arbeitslose durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt, so erstattet der bisherige Arbeitgeber der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen für die Zeit gezahlt worden ist, in der diese Beschränkung besteht. §§ 146 und 152 II gelten entsprechend. Das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber erstattet, muß sich der Arbeitnehmer wie Arbeitsentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen.

(2) Soweit nach Abs. 1 Arbeitslosengeld zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ein.

§ 128a AFG 1991 trat mit Ablauf des 31. 12. 1997 außer Kraft. An seine Stelle ist am 1. 1. 1998 § 148 SGB III getreten (vgl. Art. 1 § 148 i.V. mit Art. 83 I des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung [Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG] v. 24. 3. 1997, BGBl I, 594), der im wesentlichen der Vorgängerregelung entspricht. Die arbeitsrechtlichen Fragen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sind im Handelsgesetzbuch geregelt (§§ 74f. HGB). Ein solches Verbot, dessen Vereinbarung formgebunden ist (§ 74 I HGB), ist gem. § 74 II HGB nur verbindlich, wenn eine Karenzentschädigung vorgesehen ist und diese mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Vertragsmäßige Leistungen in diesem Sinne sind auch Einmalzahlungen, Tantiemen, Provisionen sowie Naturalleistungen. Die Wettbewerbsabrede unterliegt bestimmten inhaltlichen Schranken (§ 74a I 1, II HGB) und darf sich nicht über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an erstrecken (§ 74a I 3 HGB). Anderweitigen Verdienst muß sich der Arbeitnehmer gem. § 74c I 1 HGB auf die Entschädigung anrechnen lassen. Der Entschädigungsanspruch entfällt, als die Entschädigung zusammen mit dem anderweitig erzielten Verdienst 110% der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen übersteigt. Ist der frühere Arbeitnehmer gezwungen, seinen Wohnsitz zu verlegen, so liegt die Anrechnungsgrenze bei 125% (§ 74c I 2 HGB). Das Arbeitslosengeld muß sich der Arbeitnehmer wie Arbeitsentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen (§ 128a I 3 AFG 1991). Kündigt der Arbeitnehmer wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers oder kündigt der Arbeitgeber aus einem anderen als einem erheblichen, in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grunde, so kann sich der Arbeitnehmer vom Wettbewerbsverbot lösen (§ 75 I , II HGB). Die Vereinbarung wird in diesen Fällen für beide Seiten mit der Erklärung des Arbeitnehmers unwirksam. Kündigt der Arbeitgeber aus Gründen, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, so hat er keine Möglichkeit, sich von der Wettbewerbsvereinbarung und der damit verbundenen Entschädigungsverpflichtung zu lösen; die diese Möglichkeit eröffnende vorkonstitutionelle Bestimmung (§ 75 III HGB) wurde vom BAG für verfassungswidrig erklärt (vgl. BAGE 29, 30 = NJW 1977, 1357). Im Bereich des Arbeitsförderungsrechts eröffnet die Rechtsprechung des BSG, das § 128a AFG für verfassungsgemäß hält (vgl. BSGE 66, 250 [254f.] = NZA 1990, 906), dem Arbeitgeber die Möglichkeit, „jederzeit„ vor und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot mit der Folge zu verzichten, daß der von der gem. § 128a AFG bestehenden Verpflichtung zur Erstattung der Leistungen frei wird (vgl. BSGE 66, 250 [257] = NZA 1990, 906). Das Bundessozialgericht vertritt weiter die Auffassung, die Erstattungspflicht des Arbeitgebers sei nicht vom Nachweis abhängig, daß das Wettbewerbsverbot die Vermittlung verhindert. Sie bestehe selbst dann, wenn das Wettbewerbsverbot die Arbeitsplatzsuche auch nur unwesentlich beeinträchtige. Es genüge, daß die Vermittlung zumutbarer Tätigkeit durch ein solches Verbot typischerweise erschwert werde. Die Forderung, das Wettbewerbsverbot müsse zumindest „wesentlich„ zur Arbeitslosigkeit beigetragen haben, ergebe keinen praktikablen Maßstab (vgl. BSGE 66, 250 [256] = NZA 1990, 906). Die Erstattungspflicht entsteht allerdings nach ständiger Rechtsprechung nur, wenn die Bundesanstalt für Arbeit den Arbeitgeber darüber belehrt, daß er sich durch den Verzicht auf die Wettbewerbsabrede dem Erstattungsanspruch entziehen kann (vgl. BSGE 69, 280 [282] = NZA 1992, 573 m.w. Nachw.).

Die Bf. ist ein Wirtschaftsunternehmen, das Schrauben, Befestigungsteile und Werkzeuge vertreibt. Sie erzielte 1997 einen Jahresumsatz von 6,2 Mrd. DM und beschäftigte etwa 24700 Mitarbeiter, von denen 13200 im Außendienst tätig sind (vgl. Handelsblatt Nr. 83 v. 30. 4. 1998, S. 20). Der Arbeitnehmer K, der bei der Bf. als Reisevertreter beschäftigt war, schloß 1993 eine nachvertragliche Wettbewerbsvereinbarung, in der er sich verpflichtete, während der Dauer eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein. Die Bf. erklärte sich bereit, ihm als Gegenleistung eine Karenzentschädigung in Höhe von 50% der zuletzt bezogenen vertraglichen Leistungen zu bezahlen. Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung der Bf. zum 30. 9. 1995. Der ehemalige Arbeitnehmer beantragte Arbeitslosengeld, das ihm gewährt wurde. Die Bundesanstalt für Arbeit teilte der Bf. mit, sie müsse mit einer Erstattungspflicht nach § 128a AFG rechnen, und belehrte sie, daß die Erstattungspflicht entfalle, wenn auf die Einhaltung der Wettbewerbsabrede verzichtet werde. Dazu war die Bf. nicht bereit. Daraufhin stellte die Bundesanstalt für Arbeit den Eintritt der Erstattungspflicht fest und verlangte von der Bf. die Erstattung der von ihr gegenüber dem Arbeitnehmer erbrachten Leistungen (Arbeitslosengeld, Sozialversicherungsbeiträge) für bestimmte Zeiträume und in bestimmter Höhe. Das SG wies die hiergegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage ab. Die gegen das sozialgerichtliche Urteil eingelegte Berufung wies das LSG zurück und ließ die Revision nicht zu. In der Begründung nahm das LSG auf Entscheidungen des BSG Bezug, die bereits früher gegen die Bf. als Bet. ergangen waren und in denen eine Verletzung ihrer Grundrechte verneint wurde. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde nicht eingelegt. Die Bf. hielt die Erschöpfung des Rechtswegs angesichts der gefestigten Rechtsprechung des BSG für nicht zumutbar. Auch im zweiten Ausgangsverfahren ist die Erstattungspflicht der Bf. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem als Reisevertreter tätigen Arbeitnehmer, mit dem sie eine Wettbewerbsabrede getroffen hatte, streitig. Die gegen die Feststellung des Eintritts der Erstattungspflicht erhobene Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Das BSG verwarf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG als unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache sei nicht hinreichend dargelegt. Die Bf. hat unmittelbar gegen die Gerichtsentscheidungen und mittelbar gegen § 128a AFG 1991 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie hält die auf dieser Vorschrift beruhende Erstattungspflicht für die Auferlegung einer unzulässigen Sonderabgabe und sieht sich in ihren Grundrechten aus Art. 3 I , 12 I und Art. 14 GG verletzt.

Die Verfassungsbeschwerden hatten Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

B. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Die Erschöpfung des Rechtswegs war nicht erforderlich, weil die Bf. in der Vergangenheit in gleichgelagerten Fällen bereits erfolglos gegen die Nichtzulassung der Revision vorgegangen war und eine andere Entscheidung in den hier zu beurteilenden Verfahren im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung des BSG zu § 128a AFG nicht erwartet werden konnte (vgl. BVerfGE 69, 188 [202] = NJW 1985, 2939; BVerfGE 78, 155 [160] = NJW 1988, 2292).

C. Die Verfassungsbeschwerden sind auch begründet. Die unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen und die ihnen zugrundeliegende Bestimmung des § 128a I , II AFG 1991 verletzen die Bf. in ihrem Grundrecht aus Art. 12 I GG.

I. 1. Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung ist vorrangig Art. 12 I GG. Die Berufsausübung der Arbeitgeber ist dadurch berührt, daß ihnen durch § 128a AFG an die Berufstätigkeit anknüpfende finanzielle Lasten aufgebürdet werden, denen sie nur entgehen können, indem sie auf den Abschluß von Wettbewerbsvereinbarungen verzichten (vgl. BVerfGE 81, 156 [188] = NZA 1990, 161 = NJW 1990, 1230).

2. Eingriffe in die Berufsausübung sind gem. Art. 12 I 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 81, 156 [188] = NZA 1990, 161 = NJW 1990, 1230; BVerfGE 95, 193 [214] = LKV 1997, 325 = NVwZ 1997, 989 L).

a) Der Bund kann sich bei der in § 128a AFG normierten Erstattungspflicht auf seine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 I Nr. 12 GG („Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung„) stützen. Sie umfaßt auch die Regelung der Finanzierung der Sozialversicherung. Dies gilt nicht nur für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen, sondern auch für Regelungen über die Erstattung und den Ausgleich erbrachter Sozialversicherungsleistungen (vgl. BVerfGE 81, 156 [185] = NZA 1990, 161 = NJW 1990, 1230). Für die kompetenzrechtliche Zulässigkeit der in § 128a AFG getroffenen Regelung gelten nicht die besonderen Voraussetzungen, die eine nichtsteuerliche Sonderabgabe erfüllen muß. Die hier geregelte Erstattungspflicht ist keine Sonderabgabe im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, weil eine Gegenleistung der öffentlichen Hand erbracht wird. Der Gesetzgeber hat das Risiko der Arbeitslosigkeit karenzpflichtiger Arbeitnehmer in grundsätzlich zulässiger Weise dem Arbeitgeber überantwortet. Die von der Bundesanstalt für Arbeit an Arbeitnehmer, die wegen eines Wettbewerbsverbots ohne Beschäftigung sind, erbrachten Leistungen stehen daher in dem erforderlichen Korrespondenzverhältnis zu der von § 128a AFG geforderten Erstattung und entsprechen ihr auch der Höhe nach (vgl. BVerfGE 81, 156 [186f.] = NZA 1990, 161 = NJW 1990, 1230).

b) Die mit der Erstattungsregelung verfolgten Ziele sind durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Es erscheint sachgerecht, die Arbeitgeber an den sozialen Folgekosten zu beteiligen, wenn sie frühere Mitarbeiter durch Wettbewerbsverbote in ihrer beruflichen Tätigkeit beschränken. Der Gesetzgeber kann die Gemeinschaft der Beitragszahler vom Risiko der Arbeitslosigkeit solcher Arbeitnehmer entlasten, die infolge der Wettbewerbsabrede nicht auf dem gesamten Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn er die Arbeitgeber nach dem Verursacherprinzip an den Kosten der Arbeitslosigkeit beteiligt, weil derartige Wettbewerbsabreden die Wiedereingliederung des Arbeitslosen im Interesse der Arbeitgeber erschweren.

c) Die in § 128a AFG 1991 getroffene Regelung ist zwar geeignet und erforderlich, jedoch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Der durch sie bewirkte Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Bf. steht nicht mehr in angemessenem Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck (vgl. BVerfGE 7, 377 [405f.] = NJW 1958, 1035).

aa) Mit dem gewählten Mittel der vollen Kostenerstattung belastet der Gesetzgeber den Arbeitgeber mit allen Vermittlungsrisiken des Arbeitsmarktes. Er beschränkt sich nicht auf den Ausgleich der Folgelasten des besonderen Vermittlungshindernisses, das sich aus der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Unterlassung von Wettbewerb im Wirtschaftszweig des Arbeitgebers ergibt. Gem. § 74a I 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot nur insoweit verbindlich, als es dem Schutz der berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers dient. Die Unterlassungspflicht muß sich deshalb auf den Unternehmensgegenstand des Arbeitgebers beziehen. Gibt es keine freien Arbeitsplätze in dem von der Klausel betroffenen Arbeitsmarktsegment, fehlt es überhaupt an einer besonderen Verantwortungsbeziehung zwischen dem früheren Arbeitgeber und dem von der Bundesanstalt für Arbeit zu zahlenden Arbeitslosengeld. Weil es die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches ausschließen, die Unterlassungspflicht auf den gesamten Arbeitsmarkt zu erstrecken, bleibt der karenzpflichtige Arbeitnehmer vermittelbar, wenn auch nur im nicht geschützten Bereich des Arbeitsmarktes. Kann er hier nicht vermittelt werden, beruht die Arbeitslosigkeit nicht wesentlich auf dem Wettbewerbsverbot, sondern auf der allgemeinen Arbeitsmarktlage oder den persönlichen Eigenschaften des Arbeitslosen. Unter diesen Umständen läßt sich nicht generell sagen, daß Wettbewerbsabreden die typische Ursache für die Arbeitslosigkeit sind. Hat der Arbeitgeber aber nur abstrakt eine von mehreren möglichen Ursachen für das Fortbestehen der Arbeitslosigkeit gesetzt, ist es nicht angemessen, ihm die vollen Kosten der Arbeitslosigkeit aufzuerlegen.

bb) Die Regelung des § 128a AFG 1991 belastet die Arbeitgeber auch deshalb unverhältnismäßig, weil diese sich zur Hälfte an der Finanzierung der Versicherung ihrer Arbeitnehmer gegen Arbeitslosigkeit beteiligen (§ 167 S. 2 AFG; § 346 I 1 SGB III). Der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beruht auch auf den Beiträgen der Arbeitgeber. Es verbietet sich deshalb, die Arbeitgeber zusätzlich in voller Höhe zur Refinanzierung der Versicherungsleistungen heranzuziehen (vgl. BVerfGE 81, 156 [197] = NZA 1990, 161 = NJW 1990, 1230). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn das Gesetz die Erstattungspflicht an eine besondere Verantwortung des Arbeitgebers für das Fortbestehen der Arbeitslosigkeit angeknüpft hätte. § 128a AFG nimmt indes keine Rücksicht darauf, ob diese Voraussetzung tatsächlich erfüllt ist. Die Verantwortung des Arbeitgebers für die Aufwendungen der Arbeitslosenversicherung wird nach der Konzeption des § 128a AFG allein im Abschluß der Wettbewerbsvereinbarung gesehen. Andere Vermittlungshindernisse, die sich aus der Lage des Arbeitsmarktes oder der Person des Arbeitnehmers ergeben können, liegen aber nicht im Verantwortungsbereich des früheren Arbeitgebers. § 128a AFG verpflichtet ihn jedoch auch in solchen Fällen zur Erstattung, in denen sich ein Risiko verwirklicht, das nicht durch die Konkurrenzklausel ausgelöst wird. Die Regelung sieht keinen Ausnahmetatbestand vor, der die Erstattungspflicht dem Grunde oder der Höhe nach von der erforderlichen Verantwortungsbeziehung abhängig macht.

cc) Die durch § 128a AFG 1991 getroffene Regelung führt schließlich auch in ihrem Zusammenwirken mit den die Vorschriften des Handelsgesetzbuches (§§ 74 II, 74c I) zu einem übermäßigen Eingriff. Die Zugehörigkeit der Vorschriften zu verschiedenen Rechtsgebieten rechtfertigt es nicht, die jeweils durch das Sozialrecht und das Arbeitsrecht ausgelöste Beschwer des Arbeitgebers isoliert zu betrachten. Beide Regelungen knüpfen an die Wettbewerbsabrede an und stehen durch die Anrechnungsvorschrift des § 128a I 3 AFG auch in rechtlichem Zusammenhang. Die Gesamtbelastung des Arbeitgebers addiert sich durch das Zusammenwirken der Regelungen auf bis zu 138% (110% für die Erstattung des Arbeitslosengeldes und für die Leistung der arbeitsrechtlichen Karenzentschädigung; etwa 28% für die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge) der letzten vertragsgemäßen Vergütung. Da die zu erstattenden Beiträge dem Arbeitnehmer nicht zufließen, kann insoweit eine Anrechnung auf die Karenzentschädigung nicht erfolgen; andererseits erhöht aber ihre Erstattung die Belastung des Arbeitgebers erheblich. Damit wird durch das Arbeitsförderungsrecht die in § 74c I HGB statuierte Belastungsgrenze deutlich überschritten.

dd) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird nicht dadurch gewahrt, daß der Arbeitgeber auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet und sich dadurch von der sozialrechtlichen Erstattungspflicht befreien kann (so aber BSGE 69, 280 [282] = NZA 1992, 573; st. Rspr.). Er bleibt auch in diesem Fall zur Zahlung der Karenzentschädigung ohne die Gegenleistung der Wettbewerbsunterlassung verpflichtet. Unterschiede ergeben sich lediglich je nach dem Zeitpunkt der Verzichtserklärung beim Umfang der Belastung. Verzichtet der Arbeitgeber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so muß er von der Erklärung des Verzichts an für die Dauer eines Jahres die Entschädigung bezahlen (§ 75a HGB), während der Arbeitnehmer unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen kann. Erklärt der Arbeitgeber den Verzicht nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so wird er zwar von der Erstattungspflicht nach § 128a AFG frei, bleibt aber ohne Gegenleistung für die gesamte Dauer der Wettbewerbsabrede, also bis zu zwei Jahren (§ 74a I 3 HGB), zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet. Der Arbeitgeber steht demnach vor der Wahl, entweder für die Wettbewerbsunterlassung etwa 138% der bisherigen vertragsgemäßen Vergütung aufzuwenden oder im Falle des Verzichts auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots die Karenzentschädigung bis zu zwei Jahre ohne eine entsprechende Gegenleistung zu bezahlen.

II. Ist die Erstattungspflicht nach § 128a AFG 1991 wegen Verstoßes gegen Art. 12 I GG verfassungswidrig, so bedarf es einer Prüfung der Vorschrift am Maßstab des Art. 3 I GG nicht mehr. Der Schutzbereich des Art. 14 I GG wird durch die beanstandete Vorschrift nicht berührt (vgl. BVerfGE 95, 267 [301] = NJW 1997, 1975).

D. 1. Der Verfassungsverstoß führt nicht zur Nichtigkeit der beanstandeten Norm, da der Gesetzgeber die Verfassungswidrigkeit auf verschiedene Weise beseitigen kann (vgl. BVerfGE 96, 260 [264] = NZA 1998, 27; st. Rspr.). Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, bestehen hierfür mehrere Anknüpfungspunkte. Es ist daher nur die Unvereinbarkeit der verfassungswidrigen Regelung mit Art. 12 I GG festzustellen. In diese Feststellung ist in entsprechender Anwendung des § 78 S. 2 BVerfGG die Nachfolgevorschrift des § 148 SGB III einzubeziehen (vgl. BVerfGE 94, 241 [265] = NJW 1996, 2293).

2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die beanstandete Regelung bis zum 1. 1. 2001 durch eine verfassungsgemäße Regelung zu ersetzen.

3. Die auf der beanstandeten Vorschrift des § 128a AFG 1991 beruhenden, mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des LSG und des SG sind aufzuheben und die Sachen an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Die Ausgangsverfahren sind auszusetzen, damit die Bf. die Möglichkeit erhält, aus der vom Gesetzgeber zu treffenden und für sie möglicherweise günstigen Neuregelung Nutzen zu ziehen (vgl. BVerfGE 94, 241 [267] = NJW 1996, 2293).

4. Die Kosten sind gem. § 34a II BVerfGG der Bundesrepublik Deutschland aufzuerlegen, da die Gerichtsentscheidungen auf einer verfassungswidrigen Rechtsnorm des Bundes beruhen (vgl. BVerfGE 40, 1 [6]).

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

GG Art. 12, 14; AFG § 128a; SGB III § 148