Polizeiliche Sicherstellung und Vernichtung eines Radarwarngeräts

Gericht

VGH München


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

16. 07. 1998


Aktenzeichen

24 ZS 98/1588


Leitsatz des Gerichts

Durch ein im Kfz mitgeführtes, betriebsbereites Radarwarngerät wird versucht, Geschwindigkeitsbegrenzungen ohne Folgen zu missachten. Dies stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar und begründet die Sicherstellung und Vernichtung des Gerätes.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Am 13. 1. 1997 stellten Beamte der Verkehrspolizei im Pkw des Ast. ein Radarwarngerät sicher, das sich zu diesem Zeitpunkt in Betrieb befand. Die Beamten, deren Pkw zuvor vom Ast. überholt worden war, hatten nach ihrer Darstellung durch Nachfahren festgestellt, daß der Ast. die zulässige Geschwindigkeit überschritten hatte.

Nachdem der Ast. ohne Erfolg die Herausgabe des Geräts verlangt und deswegen Widerspruch erhoben hat, wies das Polizeipräsidium den Widerspruch zurück und ordnete zugleich die Vernichtung des Geräts an. Das Gerät sei bei der Kontrolle in Betrieb gewesen und habe eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet (Art. 25 Nr. 1 PAG). Eine Herausgabe sei nicht möglich, weil durch eine sinnvolle Nutzung des Geräts erneut die Voraussetzungen für die Sicherstellung eintreten würden (Art. 28 I 3 PAG); gleiches gelte für die Versteigerung des Geräts. Die Vernichtung sei die einzig sachgerechte Maßnahme, da im Fall der Unbrauchbarmachung kein Sachwert verbleibe.

Der Ast. beantragte daraufhin beim VG wegen der drohenden Vernichtung des Radarwarngeräts die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen die Sicherstellung anzuordnen und so die Vernichtung des Gerätes zu verhindern. An der Rechtmäßigkeit der Sicherstellung bestünden erhebliche Zweifel, weil durch das Telekommunikationsgesetz eine Gesetzesänderung eingetreten sei. Das VG lehnte den Antrag ab.

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde war abzulehnen, da an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses keine ernstlichen Zweifel bestehen (§§ 146 IV , 124 II Nr. 1 VwGO), denn es liegen keine gewichtigen Gründe dafür vor, daß der Ast. im Beschwerdeverfahren obsiegen könnte.

Die Rüge, das VG habe in bezug auf die Geschwindigkeitskontrolle eine zweifelhafte Sachverhaltsdarstellung vorgenommen, führt nicht zur Zulassung der Beschwerde. Da im Verfahren auf Zulassung der Beschwerde gegen eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Beweisaufnahme in Betracht kommt - dies würde dem Charakter des Zulassungsverfahrens widersprechen -, könnte die Rüge der unzutreffenden Sachverhaltsfeststellung nur durchgreifen, wenn es sich dem objektiven Beobachter geradezu aufdrängt, daß der zu beurteilende Sachverhalt unzutreffend sein muß. Hiervon wäre etwa dann auszugehen, wenn ohne nähere Umstände ein Sachverhalt angenommen wird, der der Lebenserfahrung widerspricht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Allein der Umstand, daß gegen den Ast. kein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Überschreitens der zulässigen Geschwindigkeit eingeleitet worden ist, belegt nicht, daß er tatsächlich nicht die zulässige Geschwindigkeit überschritten hat. Nach Darstellung der Beamten, die mit der Verkehrsüberwachung betraut waren, haben sie durch Nachfahren festgestellt, daß der Ast. die Geschwindigkeit überschritten hatte. Sie waren auf das Nachfahren angewiesen, weil die Geschwindigkeit des vom Ast. gelenkten Fahrzeugs nicht mittels Radar gemessen werden konnte. Die Tatsache, daß die Beamten überhaupt Anlaß gesehen haben, den Ast. anzuhalten und bei der Kontrolle ein in Betrieb befindliches Warngerät festgestellt haben, was vom Ast. nicht substantiiert bestritten wird, läßt den vom VG festgestellten Sachverhalt plausibel erscheinen. Allein der Verzicht auf die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung kann diese Sachverhaltsfeststellung nicht grundlegend erschüttern. Hat aber eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgelegen, so war damit zum Zeitpunkt der Sicherstellung eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S. des Art. 25 Nr. 1 PAG gegeben, die durch die polizeiliche Maßnahme abzuwehren war (vgl. BVerwG, v. 18. 9. 1984 - 1 C 154/80). Die Sicherstellung des Radarwarngeräts war die geeignete und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Maßnahme. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses ergeben sich auch nicht im Hinblick darauf, daß es für die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung nach Auffassung des Gerichts nicht auf die Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes - TKG - (BGBl I 1996, 1120) ankommt (zur Rechtslage nach Inkrafttreten des TKG vgl. Jagusch/Hentschel, StraßenverkehrsR, 34. Aufl., § 3 StVO Rdnr. 59 m.w. Nachw.). Allein die Tatsache, daß das Mitführen eines Radarwarngerätes nach wohl herrschender Meinung keinen Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 96 TKG erfüllt, kann die Rechtswidrigkeit der Sicherstellung nicht begründen. Jedenfalls hat die Widerspruchsbehörde rechtlich zutreffend dargelegt, daß der Zweck der Sicherstellung darin bestand, eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wegen Mißachtens der Verkehrsvorschriften abzuwehren. Daß das Mitführen eines betriebsfähigen Radarwarngerätes nur den Zweck haben kann, Geschwindigkeitsüberschreitungen folgenlos begehen zu können, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung.

Zutreffend haben Widerspruchsbehörde und VG im einzelnen dargelegt, daß im Hinblick auf die technischen Besonderheiten eine Unbrauchbarmachung des Radarwarngeräts ebenso ausscheidet wie eine Verwertung im Wege der Versteigerung und damit als geeignete Maßnahme nur die Vernichtung des Radarwarngerätes in Betracht kommt. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß das Gerät nicht bestimmungsgemäß eingesetzt wird und dadurch eine erneute Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eintritt. Damit entspricht die Vernichtung des Geräts als einzige wirkungsvolle Möglichkeit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG). Daß es sich bei dem vom Ast. geforderten Verkauf des Gerätes durch Angehörige der deutschen Polizei im Ausland um keine geeignete und vor allem rechtlich mögliche Maßnahme handelt, ist so offenkundig, daß dieser Gesichtspunkt keiner weiteren Vertiefung bedarf.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht

Normen

BayPAG Art. 4, 25 Nr. 1