Wohnungsbrand durch Weihnachtskerzen und grobe Fahrlässigkeit

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

03. 03. 1998


Aktenzeichen

4 U 49/97


Leitsatz des Gerichts

Die Versicherungsnehmerin, die Weihnachten mit ihrem quengelnden Kind den neuen Puppenwagen kurz vor der Haustür ausprobiert und die dabei nicht an das Adventsgesteck mit brennenden, erst zu einem Viertel herabgebrannten dicken Kerzen denkt, die ihr im Hause bleibender Ehemann nicht direkt im Blick hat, trifft wegen des während ihrer kurzen Abwesenheit ausgebrochenen Brandes nicht der Vorwurf eines auch subjektiv grob fahrlässigen Verhaltens, so daß der Hausratversicherer nicht leistungsfrei ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. nimmt die Bekl. aus einer Hausratversicherung wegen der Folgen eines Wohnungsbrands, für den die Bekl. aus Kulanz bereits 25000 DM gezahlt hat, auf weitere 25000 DM in Anspruch. Ursächlich für den am 25. 12. 1995 ausgebrochenen Brand war entweder ein technischer Defekt oder die brennende Kerze eines Adventsgestecks, welches die Kl. unbeaufsichtigt in der Wohnung zurückgelassen hatte, als sie sich mit ihrer kleinen Tochter kurze Zeit auf die Straße begab.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Bekl. ist - über die von ihr kulanzhalber bereits gezahlten 25000 DM hinaus - verpflichtet, auch die mit der Klage eingeforderten weiteren, der Höhe nach nicht Bestrittenen Versicherungsleistungen aus der Hausratversicherung zu erbringen.

Entgegen dem angefochtenen Urteil ist die Bekl. nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls (Brand, § 3 Nr. 1 VHB 84) leistungsfrei (§ 61 VVG, § 9 Nr. 1 lit.a VHB 84).Dabei kann offenbleiben, ob der Wohnungsbrand darauf zurückgeht, daß die Adventskerzen nicht gelöscht worden waren, oder ob ein technischer Defekt zu dem Feuer geführt hat. Geht man davon aus, daß das Adventsgesteck Feuer gefangen hat, so mag der Kl. objektiv der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen sein, weil sie das Haus - wenn auch nur für kurze Zeit - verlassen hat, ohne die Kerzen zuvor gelöscht oder für eine Aufsicht gesorgt zu haben. Es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß die Kl. subjektiv der Vorwurf trifft, sich unverzeihlich verhalten zu haben. Grobe Fahrlässigkeit setzt nämlich nicht nur einen objektiv besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die verkehrserforderliche Sorgfalt voraus, sondern darüber hinaus ein in subjektiver Hinsicht gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden, welches als schlechthin unentschuldbar anzusehen ist (vgl. BGH, r+s 1989, 193; Senat, NJW-RR 1996, 220 = r+s 1995, 424 m.w. Nachw.). Sache des bekl. Versicherers ist es, naheliegende Möglichkeiten, die das Verhalten in milderem Licht erscheinen lassen, zu widerlegen (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 705 = VersR 1986, 254). Dies ist hier nicht gelungen. Man kann nämlich Verständnis dafür aufbringen, daß die Kl. an die brennenden Kerzen nicht mehr gedacht oder aber das Gefühl gehabt hat, die Kerzen seien schon gelöscht gewesen, als sie am 25. 12. 1995 dem kranken, quengelnden Kind nachgab und sich bereitfand, den neuen Puppenwagen „mal eben“ vor der Tür auszuprobieren. Das Bewußtsein einer aktuellen Gefährdung durch das Adventsgesteck konnte überdies nachvollziehbarer Weise auch deshalb zurückgedrängt sein, weil die Kl. ihren Mann noch im Hause wußte und angesichts der gerade erst um ein Viertel herabgebrannten „Kilokerzen“ leicht ein Gefühl trügerischer Sicherheit erwachsen konnte. Es ist durchaus denkbar, daß das Gesteck infolge Durchzugs etwa infolge Öffnens der Haustür Feuer gefangen hat. Unter den hier gegebenen Umständen ist es zwar als schuldhaft, aber eben nicht als unverzeihlich zu qualifizieren, einen solchen Hergang nicht von vornherein ins Auge gefaßt zu haben (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 705 = VersR 1986, 254 sowie VersR 1986, 671; OLG Hamm, r+s 1989, 334; a.A. OLG Hamburg, NJW-RR 1994, 1249 = VersR 1994, 89 und Senat, VersR 1986, 780).

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Normen

VVG § 61; VHB 84 § 9 Nr. 1 lit.a