Befristete Verträge bei Sporttrainern sind zulässig

Gericht

BAG 7. Senat


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

29. 10. 1998


Aktenzeichen

7 AZR 436/97


Leitsatz des Gerichts

Die Befristung des Arbeitsvertrages eines Sporttrainers kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn mit der Aufgabe, Spitzensportler oder besonders talentierte Nachwuchssportler zu betreuen, die Gefahr verbunden ist, daß die Fähigkeit des Trainers zur weiteren Motivation der anvertrauten Sportler regelmäßig nachläßt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch rechtswirksame Befristung zum 30. 4. 1995 geendet hat.

Der Bekl. ist ein eingetragener Verein, der sich die Förderung des Tennissports zur Aufgabe gemacht hat. Er fördert und trainiert Nachwuchs- und Spitzensportler in insgesamt vier sog. Bezirksstützpunkten, die dem von dem Bekl. betriebenen Landesleistungszentrum Leimen zugeordnet sind. Die Stützpunktleiter und -trainer sind für die Fördergruppenarbeit verantwortlich. Die erfolgreichsten und talentiertesten Jugendlichen werden zusätzlich von drei Verbandstrainern im Landesleistungszentrum trainiert und während der Turniere betreut.

Der Kl. war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 13. 11. 1991 seit 1. 5. 1992 bei der Bekl. als Verbandstrainer tätig. § 3 des Arbeitsvertrags lautet:

„Der Vertrag wird für die Dauer von drei Jahren geschlossen. Nach Ablauf von zwei Jahren kann über die Vertragsgestaltung neu verhandelt werden. Die Probezeit beträgt sechs Monate, in der jeder der beiden Vertragspartner mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende kündigen kann. Im übrigen gilt nach Ablauf des für drei Jahre geschlossenen Vertrags die gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende, es kann jedoch auch ein längerfristiger Vertrag neu abgeschlossen werden.“

Die Aufgabenstellung und Tätigkeit des Kl. folgte gemäß § 2 des Arbeitsvertrags aus der Übersicht „Tätigkeitsfelder und Aufgabenstellungen“ des Landessportverbandes Baden-Württemberg für Landestrainer. Mit Ausnahme von anfangs zwei und später einem Tag pro Woche Stützpunktraining war der Kl. ausschließlich im Landesleistungszentrum tätig. Vormittags versah er u.a. Verwaltungstätigkeiten und führte Elterngespräche. Nachmittags war er, arbeitsteilig mit den beiden anderen Trainern, damit beschäftigt, mindestens viermal pro Woche von 14.00-16.00 Uhr sowie von 16.00-18.00 Uhr jugendliche Tennissportler zu trainieren und Tennistalente zu beurteilen. Daneben wurde sog. Blocktraining durchgeführt, in dem ein Trainer ausschließlich eine bestimmte Gruppe über einen Zeitraum von vier Wochen betreute. Zu den Aufgaben der Trainer gehörte desweiteren die Turnierbetreuung, die Durchführung von Tennislagern und die Betreuung von sog. Spitzensportlern. Mit Schreiben vom 26. 1. 1995 teilte der Bekl. dem Kl. mit, daß der Arbeitsvertrag zum 30. 4. 1995 ende und nicht verlängert werde.

Der Kl. hat zum einen die Auffassung vertreten, eine Befristung seines Arbeitsvertrages sei nicht vereinbart worden. Dies ergebe sich daraus, daß eine Probezeit und Kündigungsfristen für die Zeit nach Ablauf der Befristung vereinbart worden seien und § 8 des Vertrags eine betriebliche Altersversorgung ab dem 3. Jahr der Beschäftigung regele. Zum anderen hat er eine Befristung des Arbeitsverhältnisses für unwirksam gehalten, da ein sachlicher Grund für die Befristung nicht vorliege.

Der Kl. hat beantragt: Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 30. 4. 1995 hinaus fortbesteht.

Der Bekl. wird verurteilt, den Kl. zu den bisherigen Bedingungen als Tennis-Verbandstrainer bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

Der Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Befristung für wirksam gehalten. Aufgabe des Kl. sei es gewesen, besonders talentierte jugendliche Tennisspieler zu finden und sie zu Spitzenleistungen zu bringen. Dabei habe die Möglichkeit von Verschleißerscheinungen bestanden. Die Befristung von Tennistrainerverträgen sei üblich. Sie entspreche auch der Auffassung vernünftiger und verantwortungsbewußter Vertragsparteien, weil der Erfolg und Mißerfolg eines Trainers auf Unwägbarkeiten beruhten, die nicht von guten oder schlechten Leistungen des Trainers, sondern von vielen Faktoren im menschlich-psychischen Bereich abhängig seien.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Die vom LAG zugelassene Revision des Kl. ist begründet.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Entgegen der Würdigung des LAG ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die vereinbarte Befristung zum 30. 4. 1995 nicht beendet worden, weil es für sie an einem sachlichen Grund fehlte.

I.
Das LAG hat den Arbeitsvertrag der Parteien vom 13. 11. 1991 rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, daß die Parteien eine Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. 4. 1995 vereinbart haben. Bei dem Arbeitsvertrag vom 13. 11. 1991 handelt es sich um einen nichttypischen Vertrag, dessen Auslegung durch das Berufungsgericht im Revisionsverfahren nur daraufhin erfolgt, ob gegen Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentlicher Auslegungsstoff nicht vollständig verwertet worden ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z.B. Urteil vom 26. 6. 1996 - 7 AZR 674/95 - AP Nr. 23 zu § 620 BGB Bedingung [III 1 der Gründe], m.w.N.). Ein derartiger Rechtsfehler des LAG ist nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das LAG die Vereinbarung in § 3 Satz 4 des Vertrags ausreichend berücksichtigt. Es handelt sich lediglich um eine vorsorgliche Regelung für den Fall der unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Gleiches gilt für die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung in § 8 des Vertrags. Sie ist ebenso vorsorglich für den Fall erfolgt, daß von der Möglichkeit der unbefristeten Weiterbeschäftigung Gebrauch gemacht würde. Eine vorsorgliche Regelung für den Fall der unbefristeten Beschäftigung führt nicht zur Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

II.
Zu Unrecht hat das LAG jedoch die Rechtswirksamkeit der Befristungsvereinbarung bejaht. Es ist zwar zutreffend von der Erforderlichkeit eines sachlichen Grundes ausgegangen; entgegen seiner Würdigung liegt jedoch kein sachlicher Grund vor.

1.
Das LAG hat im Anschluß an das Urteil des BAG vom 19. 6. 1986 (2 AZR 570/85 - [nicht veröffentlicht]) gemeint, die Befristung eines Arbeitsvertrages sei gerechtfertigt, wenn das Schwergewicht der Tätigkeit eines Trainers in der Betreuung von Spitzensportlern liege. Denn dann sei die Gefahr gegeben, daß sich die persönliche Beziehung zwischen Trainer und Sportler und insbesondere die Fähigkeit des Trainers zur Motivierung des Sportlers mit der Zeit abnutze (sog. Verschleißtatbestand). Diese Gefahr sei im vorliegenden Fall gegeben gewesen. Denn selbst wenn bei der Tätigkeit des Kl. die allgemeine Sichtung von Talenten aus der Masse der sporttreibenden Jugend quantitativ im Vordergrund gestanden haben sollte, so sei jedoch die individuelle Betreuung von Spitzensportlern durch den Kl. in qualitativer Hinsicht wesentlich wertvoller, weil sie intensiver als die allgemeine Sichtungsarbeit des Kl. sei.

2.
Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a)
Der vorliegende Streitfall veranlaßt keine abschließende Stellungnahme des Senats, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Befristung des Arbeitsvertrages eines Sporttrainers wegen der Möglichkeit von Verschleißerscheinungen sachlich gerechtfertigt sein kann und ob insbesondere den im angeführten Urteil des Zweiten Senats vom 19. 6. 1986 hierzu aufgestellten Maßstäben uneingeschränkt zu folgen ist. Denn Voraussetzung für das Vorliegen eines Verschleißtatbestandes als sachlicher Befristungsgrund ist zumindest, daß die vereinbarte Befristung überhaupt geeignet ist, der Gefahr eines Verschleißes in der Beziehung zwischen dem Trainer und den zu betreuenden Sportlern wirksam vorzubeugen.

b)
Schon diese Voraussetzung liegt nicht vor. Denn selbst wenn der Kl. in nennenswertem Umfang auch Spitzensportler und besonders talentierte Nachwuchssportler betreut haben sollte und wenn bei einer derartigen Tätigkeit die Gefahr eines Verschleißes gegeben wäre, so war doch die vereinbarte Befristung nicht geeignet, dieser Gefahr vorzubeugen. Nach den Feststellungen des LAG betrug die Verweildauer insbesondere der zu Spitzensportlern heranzubildenden Hoffnungsträger im Leistungszentrum des Bekl. im Schnitt zwei bis drei Jahre. Hieraus folgt, daß während der gewählten dreijährigen Befristungsdauer ohnehin in aller Regel ein Austausch der zu betreuenden Sportler stattfand. Der Befristungsgrund eines Verschleißtatbestandes aber rechtfertigt sich nicht durch den Wechsel der zu betreuenden Sportler, sondern allenfalls gerade durch das Bedürfnis, während der Dauer der Betreuung derselben Sportler die Person des Trainers auszuwechseln.

3.
Dem LAG kann auch nicht in seiner weiteren Begründung gefolgt werden, das Feststellungsbegehren des Kl. scheitere im übrigen daran, daß der Kl. nicht substantiiert vorgetragen habe, die Befristung von Trainerverträgen in der Tennisbranche sei im Arbeitsleben nicht üblich.

a)
Die Frage der Üblichkeit von Befristungsvereinbarungen ist für deren Wirksamkeit nicht von eigenständiger, sondern allenfalls von indizieller Bedeutung. Schon der Große Senat des BAG hat in seinem grundlegenden Beschluß vom 12. 10. 1960 (GS 1/59 - BAG 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) darauf hingewiesen, daß es darauf ankomme, was verständige und verantwortungsbewußte Parteien zu vereinbaren pflegen. In der Folgezeit hat das BAG dies in ständiger Rechtsprechung dahin verstanden, daß die Üblichkeit der Befristung von Arbeitsverträgen nur insoweit zu berücksichtigen ist, wie sich nach Auffassung verständiger und verantwortungsbewußter Vertragspartner als berechtigt anzusehen ist (vgl. z.B. Urteil vom 16. 10. 1987 - 7 AZR 614/86 - BAG 56, 241 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Hochschule [II 3a der Gründe], m.w.N.). Der für Rechtsfragen der Befristung von Arbeitsverträgen nunmehr allein zuständige erkennende Senat neigt darüber hinausgehend dazu, der Üblichkeit von Befristungsvereinbarungen nur dann Bedeutung zuzumessen, wenn sie ihrerseits von einem sachlich rechtfertigenden Grund getragen ist. Eine rechtserhebliche Üblichkeit dürfte regelmäßig nicht konstitutiv für einen sachlichen Befristungsgrund sein, sondern lediglich dessen Folge.

b)
Auch insoweit bedarf es indessen für die Entscheidung des vorliegenden Falles keiner abschließenden Stellungnahme des Senats. Verständige und verantwortungsbewußte Vertragspartner können die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Sporttrainern nur dann als üblich ansehen, wenn die Trainer Sportler betreuen sollen, die auf die mit einem Wechsel des Trainers verbundenen veränderten Umstände angewiesen sind. Da eine solche Gefahr für einen Verbandstrainer mit dem Aufgabenfeld des Kl. nicht bestand, kommt es auf das Bestehen einer dahingehenden Übung und damit insbesondere auch nicht darauf an, ob das LAG dem Kl. zu Recht die Darlegungslast hinsichtlich des Nichtbestehens einer derartigen Übung auferlegt hat.

Vorinstanzen

LAG Baden-Württemberg

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 611 Berufssport, § 620 Befristeter Arbeitsvertrag