Beschäftigungszeiten ohne Arbeitsentgelt zur Erfüllung der Anwartschaftszeit

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

03. 12. 1998


Aktenzeichen

B 7 AL 108/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Zur Frage, wann bei Arbeitnehmern im Rundfunk- und Fernsehbereich, die häufig und in unregelmäßigen Abständen zu Arbeitseinsätzen herangezogen werden, Zwischenzeiten ohne Arbeitsentgelt, die vier Wochen nicht überschreiten, zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld dienen.

  2. Liegt von vornherein ein Dauerarbeitsverhältnis vor oder sind jedenfalls die Kriterien erfüllt, bei deren Vorliegen arbeitsrechtlich aus einzelnen befristeten Arbeitseinsätzen - nach gewisser Zeit - ein Dauerarbeitsverhältnis entsteht, ist auch sozialversicherungsrechtlich von einem Dauerbeschäftigungsverhältnis und damit - hinsichtlich der Zwischenzeiten - von Beschäftigungszeiten i.S. von § 104 I 3 AFG auszugehen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Streitig ist, ob dem Kl. für die Zeiten vom15./16. 10. 1991, 2. 1. bis 20. 2. 1992 und ab 9. 3. 1992 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zustehen, insbesondere die Anwartschaftszeit erfüllt ist.

Der 1954 geborene Kl. ist seit dem 4. 7. 1988 bei dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) mit Unterbrechungen als Tontechniker tätig. In den Arbeitsbescheinigungen des ZDF ist für folgendeZeiträume Lohn als abgerechnet angegeben: 4. 7. 1988 bis 9. 8. 1988, 1. 9. 1988 bis 8. 9. 1988, . . . 17. 10. 1991 bis 24. 10. 1991, 15. 11. 1991 bis 31. 12. 1991. Ein Teil der Beschäftigungen ist inden Arbeitsbescheinigungen als beitragsfrei wegen unständiger Beschäftigung bezeichnet.

Am 15. 10. 1991 meldete sich der Kl. bei der Bekl. erstmals arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Diesen Antrag lehnte die Bekl. ab, weil der Kl. mit 248 Kalendertagen beitragspflichtiger Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Dem Kl. stehe auch kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu; er habe nicht innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung Alg bezogen und auch nicht mindestens 150 Tage, sondern nur 51 Tage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Hiergegen erhob der Kl. Klage.

Nachdem sich der Kl. am 2. 1. 1992 erneut arbeitslos gemeldethatte und vom 21. 2. bis 6. 3. 1992 wieder beschäftigt war, meldete er sich am 9. 3. wieder arbeitslos und beantragte Alg. Die Bekl. verneinte einen Anspruch auf Alg sowohl für die Zeit ab 2. 1. 1992 als auch für die Zeit ab 9. 3. 1992 und führte aus, der Kl. sei innerhalbder Rahmenfrist von drei Jahren nicht 360 Kalendertage, sondern nur 266 bzw. 281 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Ein Anspruch auf Alhi bestehe ebenfalls nicht. Auch hiergegen hat der Kl. Klage erhoben.

Nach weiteren Beschäftigungen in der Zeit vom 5. 5. bis 11. 11.1992 bezog der Kl. ab 20. 11. 1992 Alg - unterbrochen von weiteren Beschäftigungszeiträumen - bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 7. 2. 1994. Den Antrag des Kl. vom 28. 12. 1993 auf „erneutes und aktualisiertes Arbeitslosengeld„ lehnte die Bekl. mit dem Hinweis ab, daß nur noch ein Restanspruch für 32 Werktage bestehe,darüber hinaus aber keine neue Anwartschaft erfüllt worden sei. Auch hiergegen wurde Klage erhoben.

Die drei Klagen hat das SG abgewiesen. Das LSG hat die drei Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die drei Berufungen zurückgewiesen. Die Revisionhatte i.S. der Zurückverweisung Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Ob die Bekl. Ansprüche des Kl. auf Alg für die oben genannten Zeiträume zu Recht verneint hat, vermag der Senat nach den tatsächlichen Feststellungendes LSG nicht zu beurteilen. Hierzu bedarf es weiterer Ermittlungen. Im Hinblick hierauf kann der Senat wegen der Subsidiarität des Alhi-Anspruchs gegenüber dem Alg-Anspruch (§ 134 I 1 Nr. 2 AFG) auch nicht über einen Anspruch des Kl. auf Alhi entscheiden.

Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Alg ist § 100 I AFG. Danach hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, derArbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Der Kl. hatte sich am 15. 10. 1991, am 2. 1. und am 9. 3. 1992 jeweils arbeitslos gemeldet und auch Algbeantragt. Die Anwartschaftszeit hat nach § 104 AFG (i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 15. 10. 1984, BGBl I 1277) erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflichtbegründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (Abs. 1 Satz 1). Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre (Abs. 3) und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbarvoraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind (Abs. 2). Zeiten einer Beschäftigung, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, dienen nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Dies gilt nicht für Beschäftigungszeiten ohne Arbeitsentgelt,die jeweils vier Wochen nicht überschreiten (Abs. 1 Satz 3). Wird diese Frist allerdings überschritten, dient die Beschäftigungszeit insgesamt (also nicht nur der vier Wochen überschreitende Teil) nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (vgl. BSG, Beschluß vom 20. 6. 1995 - 10 RKg 10/94 -,nicht veröffentlicht).

§ 104 I 4 AFG greift zugunsten des Kl., worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend hingewiesen haben, nicht ein. Danach beträgt die Beschäftigungszeit nach § 104 I 1 bei Arbeitnehmern, die allein wegen der Besonderheiten ihres Arbeitsplatzes regelmäßig weniger als 360 Kalendertage im Kalenderjahr beschäftigt werden, lediglich 180 Kalendertage. Zweck dieser Vorschrift ist es, vor allem Saisonarbeitern den Zugang zum Schutz der Arbeitslosenversicherung zuerleichtern. Der Verordnungsgeber hat in § 1 II Anwartschaftszeit-Verordnung (AnwZV vom 29. 1. 1982 i.d.F. vom 15. 10. 1984 - BGBl I 1277) den Kreis der Begünstigten zulässigerweise danach abgegrenzt, ob sie in Betrieben beschäftigt sind, deren Beschäftigungen von regelmäßigenUnterbrechungen bzw. Schwankungen gekennzeichnet sind (vgl. hierzu BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 14 S. 63ff. m.w. N.). Die dort genannten Fallgestaltungen - jährlichwiederkehrende Einstellungen der Produktion für eine zusammenhängende Zeit, Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aus witterungsbedingten Gründen, Einstellung von Arbeitnehmern wegen Produktionssteigerung - liegen hier ersichtlich nicht vor.

Der Kl. hätte mithin - bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen - die Anwartschaftszeit für einen Anspruch aufAlg ab 15. 10. 1991 (ggf. erst für die Zeit ab 2. 1. und/oder ab 9. 3. 1992) nur dann erfüllt, wenn er in dem der ersten Antragstellung vorhergehenden Dreijahreszeitraum (oderjedenfalls in dem der zweiten oder dritten Antragstellung vorhergehenden Dreijahreszeitraum) außer den festgestellten 248 (266 oder 281) Kalendertagen beitragspflichtiger Beschäftigung weitere Beschäftigungszeiten - und zwar biszu jeweils 360 Kalendertagen - zurückgelegt hätte,

1) die entweder Beitragspflicht begründet haben (§§ 104 I 1 i.V.m. 168 I AFG)

2) oder aber als Beschäftigungszeiten ohne Entgeltzahlung i.S. von § 104 I 3 AFG zu bewerten sind, sofern sie jeweils vier Wochen nicht überschreiten.

Das LSG hat die Zwischenzeiten zwischen den festgestellten Arbeitseinsätzen, auch soweit sie vier Wochen nichtüberschreiten, nicht als anwartschaftsbegründende Zeiten i.S. von § 104 I 3 AFG gewertet, weil sie nicht in einem „durchgängigen„ Arbeitsverhältnis zurückgelegt wordenseien; ein solches habe zwischen dem Kl. und dem ZDF nicht bestanden, sondern nur während der jeweiligen Arbeitseinsätze. Das LSG dürfte insoweit zwar zu Recht davon ausgegangen sein, daß es sich bei den Arbeitseinsätzen desKl. als Tontechniker beim ZDF um eine abhängige Beschäftigung handelt und nicht etwa um eine Tätigkeit als „freier (selbständiger) Mitarbeiter„, der weisungfrei an Programmgestaltungen mitwirkt (zur Abgrenzung vgl. BAGE 78, 343, 352f.). Hinsichtlich der nicht programmgestaltenden, aberrundfunk- und fernsehtypischen Mitarbeit an Sendungen hat das BAG mehrfach ausgesprochen, daß sich derartige Arbeiten in der Regel nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchführen lassen (vgl. BAG NZA 1998, 1277, 1278m.w. N.). Denn diese Mitarbeiter sind weitgehend weisungsgebunden; sie können nicht im wesentlichen frei ihre Arbeit gestalten, was sich auch aus der Art der zu verrichtenden Tätigkeit ergibt. Das dürfte - wovon auch die Bet. ausgehen - auch für Tontechniker gelten, die zum betriebstechnischen Personal gehören und eine eher untergeordnete Tätigkeit ausüben, die keinen nennenswerten eigenen Gestaltungsspielraum zuläßt. Soweit das LSG jedoch von einem „nicht durchgängigen Arbeitsverhältnis„ ausgegangenist, hat es weder dargelegt, was es darunter versteht, noch hat es Feststellungen getroffen, die Aufschluß über die Art und Weise der Arbeitseinsätze (Dispositionspraxis), die insoweitgetroffenen Absprachen oder Vereinbarungen oder sonstige Umstände der Beschäftigung geben können. Derartige Feststellungen sind jedoch erforderlich, um beurteilen zu können, ob - von vornherein - ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis vorgelegen hat oder ob jedenfalls die Kriterien erfüllt sind, bei denen Vorliegen nach der Rechtsprechung des BAG zu den Arbeitsverhältnissen von Rundfunk- und Fernsehmitarbeitern aus einzelnen befristeten Arbeitseinsätzen -nach gewisser Zeit - ein Dauerarbeitsverhältnis entsteht. Denn jedenfalls in diesen Fällen ist auch in den Zwischenzeiten zwischen den Arbeitseinsätzen, in denen Arbeitsentgelt nicht gezahlt wird, eine Beschäftigungszeit i.S. von § 104 I 3 AFG zu bejahen, sofern sie jeweils vier Wochennicht überschreiten.

Was unter einer Beschäftigungszeit i.S. von § 104 I 3 AFG zu verstehen ist, insbesondere unter welchen Voraussetzungen bzw. Bedingungen eine Beschäftigung anzunehmen ist, obwohl kein Entgelt gezahlt und auch keine Arbeitsleistungerbracht wird, ist in § 104 AFG selbst nicht näher geregelt. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, kann der Begriff Beschäftigung im AFG auch nicht abschließend undallgemein bestimmt werden, weil er je nach Sinnzusammenhang, in dem er steht, unterschiedliche Bedeutung erlangen kann (zur funktionsdifferenten Auslegung: BSGE 59, 183, 184ff. = SozR 4100 § 168 Nr. 19; BSGE 73, 90, 93f. =SozR 3-4100 § 101 Nr. 4; BSGE 73, 126, 128f. = SozR 3-4100 § 101 Nr. 5). Die Rechtsprechung unterscheidet insoweit einen leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses, der an den tatsächlichen Verhältnissen ausgerichtet ist, und einen beitragsrechtlichen bzw. versicherungsrechtlichen Begriff, der im wesentlichen mit den Merkmalen des Arbeitsverhältnisses übereinstimmt und der Unterbrechungen der tatsächlichen Beschäftigung „von begrenzter Dauer„ für den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimißt, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht und Arbeitgeber und Arbeitnehmer denWillen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (BSGE 13, 263, 264; 33, 254, 257; BSGE 41, 24, 25f. = SozR 2200 § 165 Nr. 8; BSGE 41, 41, 52f. = SozR 2200 § 1259 Nr. 13; BSGE 68, 236, 240).

§ 104 I AFG knüpft für die Anwartschaftszeit an den beitragsrechtlichen Begriff der Beschäftigung an, wie sich bereits aus der Verweisung in Satz 1 auf § 168 AFG ergibt. Beitragspflichtig sind nach § 168 I AFG grundsätzlich Personen, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt (oder zu ihrer Berufsausbildung) beschäftigt sind. Mit Beschäftigung ist nach § 7 I SGB IV, auf den § 173a AFG für die Beitragspflicht inder Arbeitslosenversicherung ausdrücklich verweist, die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, gemeint. Diese arbeitsrechtliche Komponente, die auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abstellt, findetihren Niederschlag auch in § 104 I AFG. Grundsätzlich sollen nur diejenigen Versicherungsschutz erhalten, die bei Eintritt der Arbeitslosigkeit der Solidargemeinschaft über eine gewisse Zeit als Arbeitnehmer angehört haben. Vondem grundsätzlichen Erfordernis der Beitragspflicht des Arbeitnehmers bzw. seiner Beschäftigung „gegen Entgelt„ (§ 104 I 1 und 2 AFG i.V.m. § 168 I AFG) sieht Satz 3 in den Fällen ab, in denen für eine Zeit von begrenzter Dauerkein Arbeitsentgelt gezahlt wird, aber gleichwohl die Beschäftigung fortbesteht. Dies entspricht dem bisherigen, am Arbeitsverhältnis ausgerichteten Begriffsverständnis, wonach vorübergehende Unterbrechungen der (tatsächlichen) Arbeitsleistung bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis denBestand des Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich unberührt lassen, weil der Beschäftigung in diesem Sinne die Funktion zukommt, den Versicherungsschutz zu gewährleisten (vgl. ab 1. 1. 1998 § 24 III Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch, i.d.F. durch Art. 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. 3. 1997 - BGBl I 594, und ab 1. 1.1999 § 7 III 1 SGB IV i.d.F. des Rentenreform-Gesetzes 1999 vom 16. 12. 1997 - BGBl I 2998).

Wenn nach diesem Verständnis allgemein nicht nur Krankheit, bezahlter Urlaub, Freistellung von der Arbeit beiFortzahlung des Arbeitsentgelts, sondern auch unbezahlter Urlaub, Streik und unentschuldigtes Fehlen - jeweils von begrenzter Dauer - bei fortbestehendem Arbeitsverhältnisals unschädlich für den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses angesehen werden (vgl. die Einzelnachweise in BSGE 68, 236, 240), so muß dies auch im Rahmen des § 104 I 3 AFG gelten, wenn die in einem fortbestehendenArbeitsverhältnis liegenden Unterbrechungen der Arbeitsleistung auf der Art bzw. den Besonderheiten der Arbeit beruhen; in diesen Unterbrechungszeiten muß die Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers jedenfalls im Grundsatz bestehen bleiben.

Eine derartige Auslegung ist mit Sinn und Zweck des § 104 I 3 AFG vereinbar. Die durch das HStruktG-AFG(vom 18. 12. 1975, BGBl I 3113) in § 104 I 2 AFG eingeführte Regelung, daß Zeiten, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung nur dann unterbrechen, wenn sie jeweils drei Wochen überschreiten, ist zwar aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eingeführt worden. Die Bestimmung soll den Arbeitsaufwand bei Arbeitgebern, die nach früherem Recht jede kurzfristige Unterbrechung der Arbeit melden mußten, verringern, und das Verfahren bei den Arbeitsämtern vereinfachen (BR-Drucks. 575/75, S. 52). Die Dauer der unschädlichen Unterbrechung ist später auf vier Wochen erweitert worden (§ 104 I 3 i.d.F. des 5. AFGÄndG vom23. 7. 1979, BGBl I 1189). Es entspricht jedoch auch der Funktion der Anwartschaftszeit, verhältnismäßig kurze Unterbrechungen der Arbeitsleistung für die Erfüllung der Anwartschaftszeit mitzuberücksichtigen, wenn und solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitnehmer seineZugehörigkeit zur Solidargemeinschaft nicht gelöst hat. Da der Gesetzgeber nicht danach differenziert, auf welchen Gründen die Unterbrechung beruht, sieht der Senat keineBedenken, § 104 I 3 AFG auf „ruhende„ Beschäftigungszeiten bzw. Unterbrechungen der Arbeitsleistung auch dann anzuwenden, wenn sie im Rahmen eines untypischen Dauerarbeitsverhältnisses zurückgelegt werden und die Unterbrechungen auf der Art der Arbeitsleistung beruhen.

Hinsichtlich der mithin für die Anwendung des § 104 I 3 AFG maßgeblichen Frage, ob es sich beim Kl. um ein Dauerarbeitsverhältnis/Dauerbeschäftigungsverhältnis handeltoder um mehrere befristete Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisse, kommt es zunächst darauf an, ob ausdrückliche Vereinbarungen über das Bestehen eines unbefristeten Rechtsverhältnisses vorliegen oder ob das Verhalten beiderParteien sonst darauf schließen läßt, daß sie sich über die jeweils verabredeten Einsätze hinaus auf unbestimmte Zeit binden wollten. Schon hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen, sondern lediglich ausgeführt, es liege kein „durchgehendes„ Arbeitsverhältnis vor. Soweit es damit einArbeitsverhältnis mit grundsätzlich ununterbrochen fortdauernder Beschäftigung gemeint haben sollte, kommt es darauf im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Denn ein Dauerarbeitsverhältnis bzw. ein Dauerbeschäftigungsverhältnis kann auch vorliegen, wenn sich die einzelnen Arbeitseinsätze von Anbeginn an in gewissen Abständen vereinbarungsgemäß wiederholen; es genügt, daß den Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Rahmenvertrag zugrunde liegt oder eine sonstige - auch stillschweigende - Abrede, aus der sich ergibt, daß die Rechtsbeziehung auf Dauer angelegt sein soll (vgl. hierzu auchBSG SozR 2200 § 168 Nr. 6 S. 10f.; vgl. aber zu vereinbarten „Aussetzzeiten„ Urteil des erkennenden Senats vom 10. 9. 1998 - B 7 AL 96/97).

Aber auch dann, wenn ausdrückliche oder stillschweigende (anfängliche) Vereinbarungen über das Bestehen eines Dauerrechtsverhältnisses fehlen, kann bei der Aufnahme ineinen Kreis immer wieder beschäftigter oder zur Verfügung stehender Personen trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit ein Dauerarbeitsverhältnis entstehen; dabei kann es sich auch um ein - typisches oder atypisches - „Abrufarbeitsverhältnis„ handeln. Das BAG hat insoweit zu denRechtsverhältnissen von Mitarbeitern von Rundfunk- und Fernsehanstalten wiederholt entschieden, daß ein Dauerarbeitsverhältnis auch dann vorliegen kann, wenn die einzelnen Einsätze jeweils vorher verabredet werden, und zwar auch dann, wenn dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumtwird, einzelne Einsätze abzulehnen. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber auf diese Weise keinen Spitzen- oder Saisonbedarf, sondern einen Dauerbedarf an Arbeitskräften abdecke, er also auf Dauer mehr Arbeitnehmer benötige, als er unbefristet eingestellt habe. Voraussetzung seijedoch, daß der einzelne Arbeitnehmer häufig und ohne größere Unterbrechungen herangezogen werde und er von seinem Ablehnungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch mache, der Arbeitnehmer also darauf vertrauen könne, auch inZukunft herangezogen zu werden (vgl.: BAG NZA 1998, 1277, 1278f. m.w. N.; BAG, Urteil vom 22. 4. 1998 - 5 AZR 92/97 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch indiesen Fällen ist u.a. darauf abgestellt worden, ob die Anstalt innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann (BAGE 77, 226, 234). Dies istinsbesondere dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang (ohne Abschluß dahingehender Vereinbarungen) zur Arbeit herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich „zugewiesen„ werden (BAGE 77, 226, 235). Ein Indiz für die ständige Dienstbereitschaft und damit für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses könne die Genehmigungspflicht von Urlaub sein, ebenfalls das Aufstellen von Dienstplänen, das regelmäßig nur dann sinnvoll sei,wenn Dienstbereitschaft der darin aufgenommenen Beschäftigten erwartet werden könne (BAGE 77, 226, 235f.). Auch bei Einsätzen aufgrund jeweils vorhergehender telefonischer Anfragen des Arbeitgebers könne ein Dauerarbeitsverhältnis entstehen, sofern die oben genannten Kriterien vorliegen (BAG, Urteil vom 22. 4. 1998 - 5 AZR 92/97).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Gesichtspunkte wird das LSG mithin zu ermitteln haben, wie die Beziehungen des Kl. zum ZDF seit ihrem Beginn im Juli 1988 imeinzelnen gestaltet waren und ob - falls nicht bestimmte Vereinbarungen getroffen worden sind oder ein auf den Kl. anwendbarer Tarifvertrag Hinweise auf eine Dauerbeziehung enthält - die Kriterien erfüllt sind, die für das Zustandekommen eines Dauerarbeitsverhältnisses sprechen. Ist ein solches zu bejahen, ist grundsätzlich auch von einem Dauerbeschäftigungsverhältnis auszugehen mit der Folge, daß auch mitden in dieses Dauerbeschäftigungsverhältnis eingebetteten „ruhenden„ Beschäftigungszeiten ohne Arbeitsentgelt die Anwartschaftszeit erfüllt werden kann, wenn sie vier Wochen nicht überschreiten. Mit dieser Auslegung des § 101 I 3 AFG dürfte auch den vom Kl. geäußerten Bedenken aus Art. 3 I GG Rechnung getragen sein.

Ob im Hinblick auf einen möglichen Wertungswiderspruch zwischen § 104 und § 101 AFG davon auszugehen ist, daß in solchen - kurzen - anwartschaftsbegründendenBeschäftigungszeiten ohne Arbeitsleistung und ohne Arbeitsentgelt nicht gleichzeitig Beschäftigungslosigkeit bzw. Arbeitslosigkeit i.S. von § 101 AFG angenommen und daher Alg oder Alhi für solche Zeiten nicht gewährt werden kann (zu diesen Überlegungen im Zusammenhang mit„Aussetzzeiten„ vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 10. 9. 1998 - B 7 AL 96/97), bedarf bei dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens noch keiner abschließenden Entscheidung.

Bei der Prüfung, ob ein Anspruch auf Alg für die Zeit ab15. 10. 1991 oder jedenfalls ab 2. 1. oder 9. 3. 1992 besteht bzw. insoweit die Anwartschaftszeit erfüllt ist, wird das LSG zu beachten haben, daß ein Dauerarbeitsverhältnis nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig nicht vor Ablauf vonsechs Monaten nach Aufnahme der ersten Beschäftigung entsteht, im vorliegenden Fall also frühestens im Januar 1989 oder - nach den Umständen des Falles - auch später, so daßdie in die Rahmenfrist fallenden Unterbrechungszeiten von weniger als vier Wochen Dauer möglicherweise nicht sämtlich für die Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen.

Schließlich wird das LSG auch zu prüfen haben, ob sämtliche der festgestellten Beschäftigungszeiten, für die Lohn abgerechnet worden ist, für die Anwaltschaftszeiterfüllungzu berücksichtigen sind, weil sie i.S. von § 104 I 1 i.V.m.§ 168 I AFG Beitragspflicht begründet haben. Es besteht Anlaß zu der Annahme, daß die Bekl. einen Teil dieser Zeiten nicht berücksichtigt hat, soweit sie vom ZDF als beitragsfrei (wegen unständiger Beschäftigung) behandelt worden sind. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Voraussetzungen einer unständigen Beschäftigung i.S. von § 169c Nr. 4AFG (in der Fassung, die § 169c AFG durch das Gesetz zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom20. 12. 1988 - BGBl I 2343 - erhalten hat) i.V.m. § 179 II SGB V (in der bis 31. 12. 1995 geltenden Fassung) bezüglich einzelner Beschäftigungen erfüllt sein können, wenn es sich um häufig wiederholte Beschäftigungen bei demselbenArbeitgeber handelt, die regelmäßig erheblich länger als eine Woche dauern. Jedenfalls handelt es sich nicht um unständige Beschäftigung, wenn die einzelnen Arbeitseinsätze im Rahmen eines Dauerarbeitsverhältnisses erfolgen bzw. Teileines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses sind (vgl. dazu Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl. 1966, § 169c Rdnrn. 6ff. m.w. N.). Das LSG wird ferner auch Feststellungen zu treffen haben, ob der Kl. in den Zeiträumen vom 15./16. 10. 1991, 2. 1. bis 20. 2. 1992 und 9. 3. bis 4. 5. 1992 arbeitslosund auch verfügbar war.

Vorinstanzen

Hess. LSG, L 10 Ar 496/94, 29.10.1996; L 10 Ar 497/94

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

AFG § 104 I 3, §§ 168, 169c Nr. 4; SGB_IV § 7; GG Art. 3