Abschleppkostenbescheid gegenüber früherem Halter

Gericht

VGH Kassel


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

18. 05. 1999


Aktenzeichen

11 UE 343/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs, dessen Zustand den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung widerspricht, stellt einen Verstoß gegen § 16 StVZO dar und begründet deshalb eine polizeirechtliche Gefahr.

  2. Der Verkäufer eines Fahrzeugs verletzt seine Pflicht nach § 27 III 1 StVZO, der Zulassungsstelle unverzüglich die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, auch dann, wenn er fahrlässig eine falsche Adresse des Käufers mitteilt.

  3. Der frühere Eigentümer eines Kraftfahrzeugs ist nicht deshalb als Verhaltensstörer für die durch das rechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs eintretende polizeirechtliche Gefahr verantwortlich, weil er nach dem Verkauf des Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 27 III 1 StVZO der Zulassungsstelle die Adresse des Erwerbers nicht oder fahrlässig eine falsche Adresse mitgeteilt hat. Da sein Pflichtverstoß nicht kausal für den Eintritt der Gefahr ist, die durch das Abschleppen des Kraftfahrzeugs beseitigt wird, ist er nicht zum Ersatz der dadurch entstehenden Kosten verpflichtet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. begehrt die Aufhebung eines Kostenbescheids der Bekl., mit dem ihm die Kosten des Abschleppens und Verschrottens eines Kraftfahrzeugs in Rechnung gestellt wurden, dessen Eigentümer er bis zum November 1991 gewesen war. Das VG gab der Klage statt.

Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kostenbescheid der Bekl. vom 11. 12. 1992 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 1. 8. 1995 ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Kl., der Bekl. die Kosten für die unmittelbare Ausführung der durchgeführten Maßnahme zu ersetzen, nach § 8 I HessSOG in der hier anzuwendenden, auf den Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids im August 1995 bezogenen Fassung vom 31. 3. 1994 (GVBl I, 174 [284]) liegen nicht vor …

Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 8 II HessSOG, nach dem die nach den §§ 6 oder 7 HessSOG Verantwortlichen zum Ersatz der Kosten verpflichtet sind, die den Gefahrenabwehrbehörden durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstehen. Die Gefahrenabwehrbehörden können eine Maßnahme selbst oder durch eine beauftragte dritte Person unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 6 oder 7 HessSOG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. § 8 HessSOG ist im vorliegenden Falle richtige Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid, da die von der allgemeinen Ordnungsbehörde der Bekl. durchgeführte Maßnahme, das Abschleppen und Verschrotten des schrottreifen Kraftfahrzeugs wegen Verstoßes gegen ein unmittelbar in der Straßenverkehrszulassungsordnung normiertes Gebot erfolgte und zudem der in Anspruch genommene Kl. das Kraftfahrzeug an dem Ort, von dem es abgeschleppt wurde, nicht selbst abgestellt hatte. Da es insoweit an einer Grundverfügung fehlt, kommt eine Ersatzvornahme nach § 49 I HessSOG nicht in Betracht (vgl. zu dieser Abgrenzung zwischen § 8 HessSOG und § 49 I HessSOG grundsätzlich: VGH Kassel, NVwZ-RR 1999, 23 = JMBl 1998, 412). Die Inanspruchnahme eines Verhaltens- oder Zustandsstörers nach §§ 6 oder 7 HessSOG setzt voraus, daß der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage einer hier nicht möglichen Grundverfügung vorliegt (Hornmann, HessSOG, 1997, § 8 Rdnr. 7). Ermächtigungsgrundlage ist im vorliegenden Fall § 11 HessSOG, nach dem die Gefahrenabwehrbehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen kann, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit lag hier vor, da das Abstellen des nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs einen Verstoß gegen § 16 I StVZO darstellte. Danach sind zum Verkehr auf öffentlichen Straßen alle Fahrzeuge zugelassen, die den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung und der Straßenverkehrsordnung entsprechen, soweit nicht für die Zulassung einzelner Fahrzeugarten ein Erlaubnisverfahren vorgeschrieben ist. Für Kraftfahrzeuge ist eine besondere Zulassung nach § 18 I StVZO vorgeschrieben. Danach dürfen Kraftfahrzeuge mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie durch Erteilung einer Betriebserlaubnis und durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens zum Verkehr zugelassen sind. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, denn das ohne amtliches Kennzeichen abgestellte Kraftfahrzeug wurde in dem Zustand, in dem es abgeschleppt wurde, nicht „in Betrieb gesetzt„. Nach § 69a StVZO ist ein im öffentlichen Verkehrsraum abgestelltes Fahrzeug noch nicht „in Betrieb genommen„ (Jagusch/Hentschel, StraßenverkehrsR, 34. Aufl. [1997], § 69a Rdnr. 9). Das Inbetriebsetzen eines Kraftfahrzeugs setzt wie das „Führen„ gem. § 21 I Nr. 1 StVG voraus, daß das Kraftfahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskraft in Bewegung gesetzt wird (Jagusch/Hentschel, § 21 StVG Rdnr. 11). „Führen„ bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als in Betrieb setzen in eigener Verantwortung. Da es an einem „In-Bewegung-Setzen„ des Kraftfahrzeugs hier fehlt, liegt kein „Inbetriebsetzen„ und damit kein Verstoß gegen die gegenüber § 16 StVZO speziellere Vorschrift des § 18 I StVZO vor.

Gleichwohl lag ein Verstoß gegen § 16 I StVZO vor, da das schrottreife Fahrzeug nicht den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung und der Straßenverkehrsordnung entsprach und trotzdem am Verkehr der öffentlichen Straßen teilnahm. Ausweislich des Prüfberichts der Bekl. vom 24. 11. 1992 war das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit, viele Teile waren „ausgeschlachtet„. Ausweislich des in der Behördenakte enthaltenen Polaroid-Fotos fehlten dem Fahrzeug die gesamte Motorklappe, die Vorderscheinwerfer, die Abdeckung für den Kühler u.a. Das den Straßenverkehrsvorschriften nicht entsprechende Fahrzeug war auch Teil des Verkehrs auf öffentlichen Straßen. Dem öffentlichen Straßenverkehr dienen alle Flächen, die der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken offen stehen (Jagusch/Hentschel, § 1 StVO Rdnr. 13). Dazu gehören insbesondere auch öffentliche Parkplätze, wie im vorliegenden Fall der Park and Ride-Parkplatz. Zur Teilnahme am Verkehr gehörte deshalb auch das Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Parkplatz (Jagusch/Hentschel, § 1 StVO Rdnr. 17). Das von der Bekl. abgeschleppte Kraftfahrzeug nahm somit unter Verstoß gegen § 16 I StVZO am öffentlichen Straßenverkehr teil. Dieser Verstoß begründete eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, bei deren Vorliegen die Bekl. grundsätzlich berechtigt war, die erforderliche Maßnahme zur Abwehr der Gefahr, hier durch Abschleppen des Fahrzeugs, zu treffen. Es ist auch davon auszugehen, daß die Bekl. sachgerecht ihr Ermessen dahingehend ausüben durfte, das Kraftfahrzeug abschleppen und verschrotten zu lassen. Auch die weitere Voraussetzung des § 8 I 1 HessSOG, daß der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme des verantwortlichen Verhaltens- oder Zustandsstörers nicht rechtzeitig erreicht werden konnte, lag unabhängig davon, wer als verantwortlicher Störer heranzuziehen war, offensichtlich vor. Da das Kraftfahrzeug keine amtlichen Zulassungsschilder mehr aufwies, hätte es längerer Ermittlungen bedurft, um den wirklichen Pflichtigen festzustellen. Zur Ermittlung des Fahrers, Halters oder Eigentümers eines rechtswidrig abgestellten Kraftfahrzeugs ist die Behörde zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen der Beseitigung der praktischen Auswirkungen des Verkehrsverstoßes grundsätzlich nicht verpflichtet, wenn der Pflichtige nicht ausnahmsweise leicht erreichbar ist (VGH Mannheim, DVBl 1991, 1370; VGH Kassel, NVwZ-RR 1999, 23). Da die Bekl. die Maßnahme auch durch eine beauftragte dritte Person, hier den Abschlepp- und Bergungsdienst ausführen lassen durfte, ist die unmittelbare Ausführung der Maßnahme insgesamt ermessensgerecht. Damit liegen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Ausführung der Maßnahme nach § 8 I 1 HessSOG vor. Die Bekl. kann aber zum Ersatz dieser Kosten nicht den Kl. in Anspruch nehmen, da er kein nach §§ 6 oder 7 HessSOG verantwortlicher Störer ist. Während dem Kostenbescheid der Bekl. im Hinblick auf die notwendige Störerauswahl nicht zu entnehmen ist, ob der Kl. als Verhaltensstörer nach § 6 HessSOG oder als Zustandsstörer nach § 7 HessSOG in Anspruch genommen wurde, wird der Kl. ausweislich des widerspruchsbescheids „als Verantwortlicher i.S. von § 7 HessSOG„ in Anspruch genommen, weil davon auszugehen sei, daß der Kl. immer noch Eigentümer dieses Kraftfahrzeugs und deshalb i.S. des § 7 II HessSOG für dessen Zustand verantwortlich sei. Diese Bewertung des Sachverhalts ging davon aus, daß das unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Kraftfahrzeug von dem Käufer noch nicht vollständig bezahlt und ihm nicht übergeben worden sei. Beide Voraussetzungen liegen aber, wie der Kl. glaubhaft in der mündlichen Verhandlung vor dem VG am 19. 8. 1996 bekundet hat, vor. Er hat am Tage des Verkaufs den vollen Kaufpreis von dem Käufer bar erhalten und ihm das Fahrzeug anschließend übergeben. Auch eine Verantwortlichkeit des Kl. nach § 7 III HessSOG, nach dem Maßnahmen gegen diejenige Person gerichtet werden kann, die das Eigentum an einer herrenlosen Sache aufgegeben hat, liegen nicht vor, da der Kl. das Eigentum an dem Kraftfahrzeug durch bestimmungsgemäße Übergabe des Fahrzeugs zur Erfüllung des Kaufvertrags an den Käufer übertragen hat.

Der Kl. kann auch nicht als Verhaltensstörer nach § 6 HessSOG in Anspruch genommen werden, wie die Bekl. erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat. Das Abstellen auf die Verantwortlichkeit des Kl. als Verhaltensstörer mit der Begründung, er sei verantwortlich für das illegale Abstellen des schrottreifen Fahrzeugs, weil er seine Pflicht nach § 27 III 1 StVZO unzureichend erfüllt habe, stellt eine zusätzliche, im Verwaltungsverfahren nicht vorgenommene Ermessensausübung dar. Dies ist nach § 114 S. 2 VwGO zulässig. Danach kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Da die Bekl. schon im Kostenbescheid auch eine Verantwortlichkeit des Kl. als Verhaltensstörer nach § 6 HessSOG erwähnt hatte, können die Ausführungen dazu im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Ergänzung dieser Ermessenserwägung qualifiziert werden. Auch diese Erwägungen können aber nicht zur Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide führen, da der Kl. nicht als Verhaltensstörer i.S. des § 6 HessSOG zu qualifizieren ist. Nach § 6 I HessSOG sind die Maßnahmen gegen die Person zu richten, die eine Gefahr verursacht. Der Kl. hat die hier maßgebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die durch den Verstoß gegen § 16 StVZO begründet wurde, nicht verursacht.

Zwar hat der Kl. seine Pflicht nach § 27 III 1 StVZO, nach der der Veräußerer eines Kraftfahrzeugs unverzüglich der Zulassungsstelle, die dem Fahrzeug ein amtliches Kennzeichen zugeteilt hat, die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen hat, unzureichend erfüllt und damit seine entsprechende Pflicht verletzt. Denn der Kl. hat, worauf die Bekl. zu Recht hinweist, die Pflicht, der Zulassungsstelle die richtige Adresse des Käufers mitzuteilen; es reicht nicht aus, wenn der Verkäufer irgendeine, insbesondere auch falsche Adresse der Zulassungsstelle mitteilt. Da nach § 69a II Nr. 12 StVZO auch ordnungswidrig handelt, wer fahrlässig die Vorschrift über die Anzeigepflichten bei Veräußerungen des Fahrzeugs nach § 27 III 1 StVZO zuwiderhandelt, geht der Gesetzgeber ganz offensichtlich davon aus, daß den Veräußerer im Rahmen des § 27 III 1 StVZO eine Sorgfaltspflicht dahingehend trifft, daß er das ihm Zumutbare tun muß, um seiner Pflicht, der Zulassungsstelle die richtige Adresse des Erwerbers mitzuteilen, zu genügen. Dafür ist jedenfalls erforderlich, daß sich der Veräußerer ein Ausweispapier des Erwerbers, z.B. Personalausweis, Identitätskarte oder Reisepaß vorlegen läßt, das es ermöglicht, Nachforschungen nach dem Erwerber anzustellen, wenn dieser für den Veräußerer nicht erkennbar eine falsche Adresse angibt. Entgegen der Auffassung des VG spricht es selbstverständlich nicht gegen ein solches Erfordernis, daß Ausweispapiere auch gefälscht sein könnten. Im vorliegenden Falle hat der Kl. sich keinen Ausweis des Erwerbers vorlegen lassen. Der Erwerber hat dem Kl. nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung am 19. 8. 1996 nur ein Papier vorgelegt, das der Kl. als „eine Meldebescheinigung angesehen„ habe, ohne daß er noch wisse, von wem diese Bescheinigung ausgestellt gewesen sei. In der Anhörung vor dem Anhörungsausschuß Nr. 7 der Bekl. am 14. 12. 1994 hat der Kl. ausgeführt, auf dieser „Meldebescheinigung„ sei eine Adresse nicht vermerkt gewesen. Danach kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, daß der Kl. seiner Pflicht, die richtige Adresse des Käufers zu erfahren und diese der Zulassungstelle mitzuteilen, ausreichend genügt hat. Wenn das VG ausführt, der Kl. habe insoweit „etwas leichtfertig„ gehandelt, ist dies rechtlich dahin zu qualifizieren, daß der Kl. fahrlässig die ihm obliegende Sorgfaltspflicht nach § 27 III 1 StVZO zur Übermittlung der richtigen Adresse des Erwerbers an die Zulassungsstelle verletzt hat.

Diese Sorgfaltspflichtverletzung, die nach § 69a II Nr. 12 StVO als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße behandelt werden kann, war aber nicht ursächlich für die hier eingetretene Gefahr durch Abstellen des schrottreifen Fahrzeugs auf einem öffentlichen Parkplatz. Nach der im Polizeirecht von der h.M. zugrunde gelegten Theorie der unmittelbaren Verursachung verursacht nur die Person verantwortlich eine Gefahr, die mit ihrem Handeln selbst die Grenze zur konkreten Gefahr unmittelbar überschreitet (Hornmann, § 6 Rdnr. 28). Dies setzt in jedem Falle voraus, daß das Verhalten des vermeintlichen Störers, hier das Unterlassen des Kl., der Zulassungsstelle die richtige Adresse des Erwerbers mitzuteilen, jedenfalls äqivalent kausal für den Eintritt der Gefahr ist. Kausal ist danach nur die Ursache, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele (Denninger, in: Lisken/Denninger, Hdb. des PolizeiR, 2. Aufl. [1996], E 60). So liegt es aber im vorliegenden Falle nicht. Denn auch wenn der Kl. seine Mitteilungspflicht nach § 27 III 1 StVZO durch Mitteilung der richtigen Adresse an die Zulassungsstelle erfüllt hätte, hätte er zu der hier maßgeblichen Gefahr des illegalen Abstellens eines schrottreifen Kraftfahrzeugs kommen können. Das Verhalten des Kl. war somit für die eingetretene Gefahr nicht conditio sine qua non, d.h. die Gefahr ist unabhängig von dem Verstoß des Kl. gegen § 27 III 1 StVZO eingetreten. Die polizeiliche Gefahr realisierte sich nicht aufgrund des sorgfaltspflichtwidrigen Verhaltens des Kl., sondern durch die maßgebliche Handlung desjenigen, der das Fahrzeug ohne Zulassung auf dem öffentlichen Parkplatz abgestellt hat (Verhaltensstörer), oder desjenigen, der in diesem Zeitpunkt Halter oder Eigentümer des Kraftfahrzeugs war (Zustandstörer). Beides war der Kl. jedenfalls nicht. Insoweit hat sich durch den Verstoß des Kl. gegen § 27 III 1 StVZO nicht die Gefahr realisiert, deren Beseitigung die unmittelbare Ausführung der Abschleppmaßnahme nach § 8 I HessSOG diente. Das Verhalten des Kl. war für diese Gefahr somit polizeirechtlich nicht ursächlich (vgl. zu der vergleichbaren Fallgestaltung, daß die Übermittlung der Adresse des Erwerbers an die Zulassungsstelle völlig unterlassen wurde: OVG Bautzen, NJW 1997, 2253).

Demgegenüber kann die Ursächlichkeit eines Verstoßes gegen § 27 II 1 StVZO für das spätere straßenrechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs nicht rein „normativ„ begründet werden (so VGH Mannheim, NZV 1996, 511 = DVBl 1996, 1055). Auch wenn in diesem Urteil nicht verkannt wird, „daß der Kl. mit diesem Unterlassen keine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne für den später durch einen Dritten bewirkten straßenrechtswidrigen Zustand infolge des Abstellens des nicht zugelassenen Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum gesetzt„ hat, kann diese Verursachungslücke nicht durch eine wertende Betrachtungsweise überbrückt werden. Denn das Vorliegen der „naturwissenschaftlichen„, jedenfalls äquivalenten Kausalität ist Voraussetzung auch für die Bejahung einer Verursachung in Polizeirecht. Die Theorie der unmittelbaren Verursachung dient ebenso wie die Theorie der rechtswidrigen Verursachung oder die Adäquanztheorie der Einschränkung der reinen Äquivalenztheorie, nach der nur Bedingungen, die für das Eintreten des Erfolgs nicht hinweggedacht werden können, als gleichwertig kausal für den Erfolg qualifiziert werden. Ist aber festzustellen, daß eine Bedingung im Sinne der Äquivalenztheorie gar nicht kausal war, weil sie hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, kann auch polizeirechtlich eine Kausalität nicht bejaht werden. Andernfalls würde das Erfordernis der Ursächlichkeit des Verhaltens eines Störers für eine polizeirechtliche Gefahr aufgegeben. Zwar mag der Gesetzgeber in beschränktem Umfang normativ Zurechnungen ohne den Nachweis einer zumindest äquivalenten Kausalität regeln können. Dies hat er aber für den vorliegenden Zusammenhang des Verstoßes gegen § 27 III 1 StVZO und der Haftung für die Kosten des rechtswidrigen Abstellens eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum nicht getan. Dann kam die Kausalitätslücke nicht durch die normative Wertung eines Gerichts geschlossen werden.

Dies gilt im übrigen auch im Hinblick auf die von dem VGH Mannheim in dem oben genannten Urteil herangezogene Zurechnungsnorm des § 823 II BGB, nach der die Verpflichtung zum Schadensersatz auch denjenigen trifft, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Auch bei einem Verstoß gegen ein Schutzgesetz i.S. des § 823 II BGB muß der Geschädigte neben dem Verstoß des Schädigers gegen das Schutzgesetz den ursächlichen Zusammenhang zwischen Verstoß und Schaden beweisen (Palandt/Thomas, BGB, 58. Aufl. [1999], § 823 Rdnr. 174). Dementsprechend hat der BGH in dem auch von dem VGH Mannheim herangezogenen Urteil vom 21. 2. 1974 (NJW 1974, 1086) festgestellt, daß der frühere Halter eines Kraftfahrzeugs, wenn er schuldhaft ihm als Veräußerer obliegende Meldepflichten nach § 27 III 1 StVZO verletze, die der BGH in diesem Zusammenhang als Schutzgesetz qualifiziert hat (a.A. BGH, NJW 1980, 1792), einem später beim Betrieb des veräußerten Fahrzeugs Geschädigten auf Schadensersatz hafte, soweit dieser seinen ihm durch den Zusammenstoß mit dem veräußerten Fahrzeug erwachsenen Schadensersatzanspruch aus § 7 StVG deshalb nicht verwirklichen könne, „weil infolge der Pflichtverletzung Name und Anschrift des Kfz-Halters unbekannt blieben„. Insoweit ist also auch erforderlich, daß der Verstoß gegen das Schutzgesetz ursächlich gerade den Erfolg verursacht, dessen Eintritt durch Befolgung der Pflicht verhindert werden soll. In der der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Konstellation konnte dies bejaht werden, da der dortige Kl. gerade deshalb seinen Schadensersatzanspruch nicht verwirklichen konnte, weil der Veräußerer die ihm obliegende Meldepflicht nach § 27 III 1 StVZO nicht erfüllt hatte. Dies ist aber mit dem Vorliegen der für § 8 I HessSOG erforderlichen, polizeirechtlichen Kausalität nicht vergleichbar. Denn während bei Erfüllung der Meldepflicht dem Kl. in dem zivilrechtlichen Verfahren Name und Anschrift des Kfz-Halters bekannt wären, somit bei pflichtgemäßem Verhalten des dortigen Bekl. der „Erfolg„ entfallen wäre, würde die hier maßgebliche polizeirechtliche „Gefahr„ des rechtswidrigen Abstellens eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenraum auch bei Erfüllung der Meldepflicht eintreten können. Der Hinweis auf § 823 II BGB kann deshalb nicht bedeuten, daß in diesen Fällen keine äquivalente Kausalität zwischen dem Verstoß gegen das Schutzgesetz und dem eingetretenen Schaden bestehen müßte. Diese von dem VGH Mannheim zur Begründung seiner Auffassung von der rein „normativen„ Kausalität angeführte Argumentation kann somit ebenfalls nicht zu dem Ergebnis führen, daß bei Fehlen äquivalenter Kausalität eine polizeirechtliche Verursachung einer Gefahr bejaht werden könnte.

Da somit die Verletzung der Meldepflicht nach § 27 III 1 StVZO durch den Kl. für die durch die unmittelbare Ausführung seitens des Bekl. behobene Gefahr nicht ursächlich war, kommt auch eine Verantwortlichkeit des Kl. als Verhaltensstörer nach § 6 I HessSOG nicht in Betracht. Der Kl. ist für diese Gefahr polizeirechtlich nicht verantwortlich. Die angegriffenen Bescheide sind deshalb rechtswidrig und von dem VG im Ergebnis zu Recht aufgehoben worden.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht

Normen

HessSOG §§ 6, 8; StVZO §§ 16, 27 III