Frontalzusammenstoß infolge Benutzung des rechten Fahrstreifens einer englischen Landstraße

Gericht

LG Mainz


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 08. 1998


Aktenzeichen

7 O 391/97


Leitsatz des Gerichts

Die Kaskoversicherung muss nicht für Schäden aufkommen, wenn der Versicherte in England auf der rechten Straßenseite fuhr und dadurch einen Unfall verursachte. Ein solches Verhalten im Straßenverkehr ist als grob fahrlässig einzustufen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. nimmt den Bekl. aus der Vollkaskoversicherung für das von ihr gehaltene Kfz Opel Omega in Anspruch. Dieses Kfz stand dem Zeugen P, Prokurist bei der Kl., als Firmenwagen und zur Privatnutzung zur Verfügung. Sämtliche Kosten für Pflege, Wartung und Reparatur des Fahrzeugs trug hierbei die Kl.; der Zeuge war auch in keiner Form mit der Verwaltung des Versicherungsvertrags betraut. Der Zeuge P erlitt auf einer Urlaubsreise am 23. 6. 1997 in England auf der Straße von Rochester nach Ashborn/Derbyshire einen Frontalzusammenstoß. Zu dem Unfall kam es, nachdem der Zeuge P aus der Auffahrt eines Anwesens gefahren und nach wenigen Metern nach links auf die Landstraße nach Ashborn eingebogen war. Diese Landstraße ist allenfalls 4 m breit und an beiden Seiten mit 2-3 m hohen Büschen gesäumt. Der Zeuge befuhr die Landstraße mit einer Geschwindigkeit von 35-40 km/h und passierte eine Linkskurve, an die sich eine ca. 75 m lange Gerade anschließt. Am Ende dieser Geraden folgt eine sehr scharfe Rechtskurve, die aufgrund der Büsche am Wegesrand nicht einsehbar ist. Als der Zeuge P nahezu das Ende der Geraden erreicht hatte, kam ihm aus der Rechtskurve ein dunkelgrauer Ford entgegen. Da der Zeuge auf der rechten Fahrbahn fuhr, kam es zum Frontalzusammenstoß. Die Kl. macht auf Grund dieses Geschehens Versicherungsleistungen in Höhe von 36500 DM nebst Zinsen geltend. Der Bekl. ist der Auffassung, er sei nach § 61 VVG von der Leistung frei. Der Zeuge P, der als Repräsentant der Kl. zu gelten habe, sei möglichst weit rechts gefahren, was eine grob fahrlässige Verhaltensweise darstelle.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Kl. hat gegen den Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung der Ersatzleistung aus der Kaskoversicherung, da der Bekl. nach § 61 VVG von der Ersatzpflicht frei geworden ist.

Nach § 61 VVG wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Auch in der Kaskoversicherung haftet der Versicherte für eine grob fahrlässige Herbeiführung eines Verkehrsunfalls durch seinen Repräsentanten ebenso wie für eigenes Fehlverhalten (BGH, NJW 1996, 2935 = LM H. 1/1997 § 6 VVG Nr. 88 = VersR 1996, 1229; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 602 = VersR 1995, 1086 [1087]; a.A. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 61 Rdnr. 3 m.w. Nachw.). Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht dabei nicht aus. Ein Repräsentant muss befugt sein, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Allerdings braucht nicht hinzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat (BGH, NJW 1996, 2935 = LM H. 1/1997 § 6 VVG Nr. 88 = VersR 1996, 1229).

Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass der Zeuge P als Repräsentant der Kl. handelte. Gerade wenn die Dispositionsbefugnis so weit geht, dass der Dritte das Kraftfahrzeug auch zu Privatzwecken benutzen kann, muss die Repräsentanteneigenschaft angenommen werden (Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 16. Aufl., § 2 AKB Rdnr. 49). Denn damit hat die Kl. ihren Prokuristen in die Lage versetzt, selbständig und in nicht unbedeutendem Umfang für sie zu handeln, hat ihm also Risikoverwaltung übertragen. Dass der Zeuge P weder die Kosten für die Fahrzeugunterhaltung zu tragen hatte, noch den Versicherungsvertrag verwaltete, steht dem nicht entgegen.

Das Verhalten des Zeugen P ist weiter als grob fahrlässig einzustufen. Unstreitig fuhr der Zeuge bereits auf der rechten Fahrbahnseite, als ihm das andere Kfz entgegenkam. Dies hat die Kl. nach Vorlage der Unfallschilderung des Zeugen durch den Bekl. nicht substantiiert bestritten. (Wird ausgeführt.)

Mangels hinreichender Substantiierung des Klägervortrags ist somit davon auszugehen, dass das kl. Fahrzeug sich vollständig auf der rechten Fahrbahn befand.

Ob der Zeuge das Lenkrad bei Auftauchen des Ford nach rechts geworfen hat, mag demzufolge dahinstehen, denn die Schlussfolgerung der Kl., das Herumwerfen des Lenkrads sei ursächlich für den Unfall gewesen, kann unter obengenannten Voraussetzungen denknotwendig nicht zutreffen. Unerheblich für die Beurteilung, ob der Zeuge grob fahrlässig handelte, ist auch die Geschwindigkeit des anderen Fahrzeugs, die darüber hinaus von der Kl. nicht hinreichend genau angegeben wurde.

Dass der Zeuge auf der rechten Fahrbahn fuhr, rechtfertigt objektiv den Vorwurf grober Fahrlässigkeit. In England gilt Linksverkehr, sodass der Zeuge mit dem Fahren auf der rechten Fahrbahn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer acht gelassen und das nicht beachtet hat, was in dieser Verkehrssituation jedem Verkehrsteilnehmer einleuchten musste. Er hat das selbstverständliche Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration nicht aufgebracht, das von jedem an Rechtsverkehr gewöhnten Verkehrsteilnehmer in England aufgebracht werden muss. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Zeuge bei diesem Aufenthalt erst seit zwei Tagen in England bewegte; dass Kraftfahrzeuge dort die linke Straßenseite zu benutzen haben, war offensichtlich. Die objektiv schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzung lässt auch subjektiv den Schluss auf grobe Fahrlässigkeit zu. Dass der Zeuge erst in einer Reflexhandlung das Fahrzeug weit auf die rechte Gegenseite gezogen hätte, ist nach dem oben Dargelegten nicht hinreichend vorgetragen, andere Gründe zur Entlastung sind nicht ersichtlich.

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Normen

VVG § 61