Nichtigkeit der Regelung zur Ausbildungsentschädigung für innerhalb der Regionalliga wechselnden Fußballvertragsamateur
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
27. 09. 1999
Aktenzeichen
II ZR 305/98
Die in Nr. III.4.3.1. der Rahmenbedingungen der Regionalliga des Niedersächsischen Fußballverbandes (i.d. im Juli 1996 geltenden Fassung) vorgesehene Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung beider Verpflichtung eines Amateurspielers als sogenannten Vertragsamateur durch einen Verein der Regionalliga ist wegen Verstoßes gegen § 138 I BGB i.V. mit Art. 12 I GG nichtig.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder des Niedersächsischen Fußballverbandes (NFV), der seinerseits Mitglied des Deutschen Fußballbundes (DFB) ist. Sie streiten um die Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung für den Wechsel zweier Fußballspieler vom Kl. zum Bekl. In den Rahmenbedingungen der Regionalliga des NFV in der zum maßgeblichen Zeitpunkt - Juli 1996 - geltenden Fassung (im folgenden: RRNFV) heißt es in Abschnitt III hierzu:
4.3. Ausbildungs- und Förderungsentschädigung. Verpflichtet ein Verein der Regionalligen . . . einen Amateur . . . eines anderen Vereins durch Vertrag (§ 15 Nr. 2 DFB - Spielordnung), so ist er unter nachstehenden Voraussetzungen zur Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung an den abgebenden Verein verpflichtet, sobald der Vertrag wirksam geworden ist.
4.3.1. Verpflichtung eines Amateurs . . . durch einen Verein der Regionalliga Ausbildungs- und Förderungsentschädigung für den abgebenden Verein ohne Rücksicht auf die Spielklasse des abgebenden Vereins DM 25000, es sei denn, die beteiligten Vereine treffen einvernehmlich eine abweichende schriftliche Vereinbarung.
4.5. Nichtzahlung einer geschuldeten Ausbildungs- und Förderungsentschädigung. Wird eine fällige Ausbildungs- und Förderungsentschädigung nicht, nur teilweise oder verspätet gezahlt, wird dies als unsportliches Verhalten geahndet.
Die beiden Fußballspieler spielten seit ihrer Kindheit beim Kl. als Amateure, zuletzt während der Spielzeit 1995/1996 in dessen ersten Mannschaft in der Landesliga. Für die folgende Spielzeit wechselten sie nach entsprechender Freigabeerklärung des Kl. zum Bekl. Für diesen sollten sie aufgrund entsprechender Verträge als sogenannte Vertragsamateure vom 1. 7. 1996 bis 30. 6. 1998 in der Regionalliga spielen. Nachdem der Bekl. sich geweigert hatte, die satzungsmäßige Ausbildungs- und Förderungsentschädigung für die beiden Fußballspieler zu zahlen, wurde er durch das Oberste Verbandssportgericht des NFV, bestätigt durch das BerufungsG des DFB, wegen unsportlichen Verhaltens zu einer Geldstrafe von 750 DM verurteilt. Mit seiner Klage begehrt der Kl. vom Bekl. Zahlung der Ausbildungs- und Förderungsentschädigung für die beiden Fußballspieler in Höhe von insgesamt 50000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer und Zinsen.
Das LG hat der Klage mit Ausnahme der Mehrwertsteuer stattgegeben, das BerGer. hat sie insgesamt abgewiesen. Die Revision blieb ebenfalls erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
Mit Recht hat das BerGer. einen Anspruch des Kl. gegen den Bekl. auf Zahlung der Ausbildungs- und Förderungsentschädigung für die beiden Fußballspieler gem. Nr. III 4.3.1. RRNFV verneint.
I. Nr. III 4.3.1. RRNFV unterliegt als Verbandsnorm der gerichtlichen Inhaltskontrolle gem. §§ 138 , 242 BGB. Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist eine derartige Kontrolle verbandsinterner, die Rechtsstellung der Mitglieder regelnder Normen jedenfalls für Vereine oder Verbände mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich zulässig und erforderlich (BGHZ 105, 306 [318] = NJW 1989, 1724 = LM § 25 BGB Nr. 26; BGHZ 128, 93 [101ff.] = NJW 1995, 583 = LM H. 6/1995 § 25 BGB Nr. 34). Der NFV hat als einer der Landesverbände des DFB eine derartige Machtstellung. Beim Fußballsport handelt es sich um eine der besonders populären Massensportarten. Für die Organisation und Durchführung von Wettkämpfen sowie insbesondere für die Möglichkeit, das Fußballspielen als Beruf zu erlernen und zu betreiben, nehmen der DFB und seine Landesverbände, die über beträchtliche Mitgliederzahlen verfügen und erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben, eine Monopolstellung ein.
II. Die in Nr. III 4.3.1. RRNFV (i.d. im Juli 1996 geltenden Fassung) getroffene Regelung zur Ausbildungs- und Förderungsentschädigung bei der Verpflichtung eines Amateurs durch einen Verein der Regionalliga hält der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie verstößt gegen § 138 I BGB i.V. mit Art. 12 I GG und ist daher nichtig.
1. Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln, vor allem der §§ 138 und 242 BGB, ist zu beachten, daß das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts enthält. Diese Grundentscheidungen entfalten sich durch das Medium derjenigen Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, und haben vor allem auch Bedeutung bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln (BVerfGE 7, 198 [205] = NJW 1958, 257; BVerfGE 42, 143 [148] = NJW 1976, 1677). Indem § 138 BGB und § 242 BGB ganz allgemein auf die guten Sitten, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Deshalb sind die Zivilgerichte von Verfassungs wegen verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln die Grundrechte als „Richtlinien„ zu beachten (BVerfGE 89, 214 [229] = NJW 1994, 36; so auch BGH in st. Rspr., vgl. z.B.: Senat, NJW 1986, 2944 = LM § 138 [Cf ] BGB Nr. 14 m.w. Nachw.).
2. Die Berufsfreiheit kann nach Art. 12 I GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Solche Regelungen können auch durch Satzungen getroffen werden, wenn eine hierzu ermächtigende Norm vorliegt (BVerfGE 98, 106 [117] = NJW 1998, 2341). Satzungsbestimmungen ohne Ermächtigungsnorm genügen dann, wenn sie innerhalb bestimmter Grenzen von einer mit Autonomie begabten Körperschaft erlassen werden (BVerfGE 33, 125 [155f.] = NJW 1972, 1504; BVerfGE 54, 224 [234] = NJW 1980, 1900). Diese Grenzen werden durch Nr. III 4.3.1. RRNFV in bezug auf die betroffenen Amateurfußballspieler überschritten.
a) Das Grundrecht des Art. 12 I GG gewährleistet dem einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als „Beruf„ zu ergreifen, d.h., zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen (BVerfGE 7, 377 [397] = NJW 1958, 1035; BVerfGE 54, 301 [313] = NJW 1981, 33; BVerfGE 97, 228 [253] = NJW 1998, 1627). Der Schutz des Art. 12 I GG umfaßt die Tätigkeit nicht nur von professionellen Sportlern (Fritzweiler/Pfister/Summerer, PHB Sport 1/6; Turner, MDR 1991, 570; Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 36f.), sondern - jedenfalls im Bereich des Fußballsports - auch von sogenannten Vertragsamateuren. Diese erhalten für ihre Tätigkeit - anders als „reine„ Amateure nicht lediglich eine Aufwandsentschädigung (§ 15 Nr. 1 DFB-Spielordnung); vielmehr üben Vertragsamateure „das Fußballspiel mit vertraglicher Bindung gegen Entgelt„ aus (§ 15 Nr. 2 DFB-Spielordnung; Nr. II 1b I RRNFV) und erzielen damit Einkommen für den Lebensunterhalt. So verhält es sich auch bei den beiden hier betroffenen Spielern. Nach den Feststellungen des BerGer. bezogen sie aufgrund ihrer - als unstreitig geltenden (§ 138 III ZPO) - Arbeitsverträge mit dem Bekl. ein monatliches Grundgehalt von 1000 DM, eine Punktprämie gemäß Prämienordnung sowie eine Zusatzprämie in Höhe von 250 DM brutto pro Einsatz.
b) Nr. III 4.3.1. RRNFV schränkt die Möglichkeit der betroffenen Amateure unzulässig ein, den Beruf des Fußballspielers sowie einen entsprechenden Arbeitsplatz zu wählen.
aa) Diese Verbandsnorm führt dazu, daß Amateurspieler den Beruf des Fußballspielers nur ergreifen und ausüben können, wenn sie einen Verein finden, der sie nicht nur hinsichtlich ihrer spielerischen (sportlichen) Fähigkeiten akzeptiert und ihnen dafür Gehalt zahlt, sondern der darüber hinaus bereit ist, für sie eine Ausbildungs- und Förderungsentschädigung zu leisten. Finden die betroffenen Amateure lediglich interessierte Vereine, denen die in Nr. III 4.3.1. RRNFV vorgesehene Entschädigung vom Ansatz her unangemessen oder zu hoch erscheint oder die sie nicht zahlen können, besteht für sie im Geltungsbereich der Rahmenbedingungen für die Regionalliga des NFV keine Möglichkeit, als Fußballspieler berufstätig zu werden.
bb) Die in Nr. III 4.3.1. RRNFV vorgesehene Entschädigung ist mit der erheblichen Höhe von 25000 DM geeignet, einen interessierten Verein davon abzuhalten, Amateure eines anderen Vereins als Vertragsamateure zu übernehmen. Bereits ein Vergleich mit dem für die hier betroffenen Spieler in ihren Arbeitsverträgen vorgesehenen Gehalt zeigt, daß dem Entschädigungsbetrag bei der Entscheidung des übernehmenden Vereins wesentliche Bedeutung zukommt. Die Entschädigung ist nämlich um 1000 DM höher als das Bruttogehalt, das die Spieler für die zweijährige Vertragsdauer insgesamt als festes Basiseinkommen neben den variablen Zusatzprämien beanspruchen konnten.
cc) Die einschränkende Wirkung des Entschädigungsbetrags auf die Möglichkeiten der Berufs- und Arbeitsplatzwahl von Amateuren wird nicht dadurch abgemildert oder gar beseitigt, daß die Erteilung der Spielerlaubnis für den übernehmenden Verein rechtlich unabhängig von der Entschädigungszahlung erfolgt. Insoweit kommt es nämlich entscheidend auf die faktische Wirkung des Entschädigungsbetrags an. Für die Entscheidung des übernehmenden Vereins ist es unabhängig von einer rechtlichen Verknüpfung zwischen Spielerlaubnis und Entschädigungszahlung von maßgeblicher Bedeutung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er finanzielle Verpflichtungen eingeht, wenn er einen Amateurspieler eines anderen Vereins als Vertragsamateur übernimmt (vgl. hierzu: EuGH, EuGHE I 1995, 4921 [5082] = NJW 1996, 505 [510] = NZA 1996, 191 - Bosman; BAGE 84, 344 [355] = NZA 1997, 647 = NJW 1997, 2065 L). In diesem Zusammenhang spielt es für den übernehmenden Verein zudem eine Rolle, daß er bei Verweigerung der Entschädigung einer Ahndung durch die Verbandsgerichte wegen unsportlichen Verhaltens ausgesetzt ist - wie hier durch Auferlegung einer Geldbuße geschehen.
dd) Soweit die Revision meint, die Berufsfreiheit der betroffenen Spieler werde durch die Entschädigungsverpflichtung nicht eingeschränkt, weil die an der Übernahme interessierten Vereine ausnahmslos bei jeder Verpflichtung eines Vertragsamateurs eine Entschädigung an einen anderen Verein zu zahlen hätten und dadurch ein globaler Ausgleich stattfinde, trifft das bereits tatsächlich nicht zu. Die interessierten Vereine haben nämlich im Einzelfall die Möglichkeit, auch ohne Entschädigung Vertragsamateure einzustellen. Dies gilt etwa - wie sich aus Nr. III 4.4.1. I RRNFV ergibt - für die Verpflichtung von Amateuren, die länger als drei Jahre zum eigenen Mitgliederkreis gehören, sowie - seit der Entscheidung des EuGH im Falle Bosman (EuGH, EuGHE I 1995, 4921 [5082] = NJW 1996, 505 [510] = NZA 1996, 191 - Bosman) - für die Verpflichtung von Amateuren aus einem anderen EU-Staat. Abgesehen davon würde eine „flächendeckende„ Entschädigungspflicht - wie behauptet - die dadurch bewirkte einschneidende Beschränkung der Berufsfreiheit gerade nicht beseitigen.
ee) Die mit Nr. III 4.3.1. RRNFV verbundene Einschränkung der Möglichkeit, den Beruf des Fußballspielers zu ergreifen und einen entsprechenden Arbeitsplatz zu wählen, ist nicht gerechtfertigt. Sie wirkt wie eine objektive Zulassungsschranke. Solche Einschränkungen der Berufsfreiheit sind grundsätzlich nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt (BVerfGE 7, 377 [408f.] = NJW 1958, 1035; BVerfGE 84, 133 [148] = NJW 1991, 1667). Diese Voraussetzungen liegen für die Verbandsnorm der Nr. III 4.3.1. RRNFV nicht vor. Die Massensportart Fußball kann angesichts ihrer beträchtlichen Popularität und sozialen Bedeutung in der heutigen Zeit zwar als ein wichtiges Gemeinschaftsgut angesehen werden; die Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit, insbesondere durch Förderung und Sicherung einer guten Jugendarbeit und Jugendausbildung, ist auch im Interesse der Allgemeinheit sinnvoll. Ob darüber hinaus diese Sportart gar von überragender Bedeutung für die Gemeinschaft ist und zur Sicherung und Förderung der genannten Ziele geeignete Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit notwendig sind, kann offen bleiben. Selbst wenn man dies annehmen wollte, so stellten die in Nr. III 4.3.1. RRNFV vorgesehenen Entschädigungen hierfür keine hinreichende Grundlage dar. Da die sportliche Zukunft junger Amateurspieler nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist und sich nur eine begrenzte Anzahl von ihnen einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit widmet, sind die Entschädigungen durch einen Eventualitäts- und Zufallscharakter gekennzeichnet; entsprechende Zahlungen an die in der Jugendarbeit tätigen Vereine sind nämlich davon abhängig, daß sich unter ihren Mitgliedern mit Blick auf eine Berufstätigkeit förderungsgeeignete Talente befinden. Der Entschädigungsbetrag ist zudem pauschal und ohne Anknüpfung oder Anpassungsmöglichkeit an die finanziellen Gegebenheiten und Bedürfnisse der betroffenen Vereine festgelegt; er bezieht sich auch nicht konkret auf die dem betroffenen Spieler zuteil gewordene Ausbildung und Förderung (vgl. auch: EuGH, EuGHE I 1995, 4921 [5082] = NJW 1996, 505 [510] = NZA 1996, 191 - Bosman). Maßnahmen in diesem Zusammenhang vermögen jedenfalls dann Eingriffe in die Berufsfreiheit betroffener Spieler durch objektive Zulassungsschranken nicht zu rechtfertigen, wenn sie eher wirtschaftlichen Zielen einzelner Vereine als ideellen Zwecken und der Gemeinschaft dienen (vgl. hierzu: Fritzweiler, PHB Sport 1/8). Nr. III 4.3.1. RRNFV dient aber - zumindest in erster Linie - nicht ideellen Zielen und der Gemeinschaft, sondern wirtschaftlichen Zwecken. Letztlich erscheint es nicht einleuchtend, zur Sicherung und Förderung der Jugendarbeit eine Maßnahme wie die der Ausbildungs- und Förderungsentschädigungsregelung zu ergreifen, die dazu führt, daß ein möglicher Erfolg besonders gut gelungener Jugendarbeit, nämlich die Wahl des Fußballspielens als Beruf und eine entsprechende Arbeitsplatzwahl, eingeschränkt wird.
3. Dem Kl. stehen keine Grundrechte zu, die mit der Freiheit der Berufswahl der durch die Entschädigungsregelung in Nr. III 4.3.1. RRNFV tangierten Spieler konkurrieren könnten.
a) Auf das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 I GG) kann sich der Kl. nicht mit Erfolg berufen. Das Grundrecht des Art. 9 I GG gewährleistet die Freiheit, sich zu Vereinigungen des privaten Rechts zusammenzuschließen. Mit dem Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden, garantiert Art. 9 I GG das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung. Der Schutz des Grundrechts umfaßt sowohl für Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte sowie - unbeschadet der Frage der Rechtsfähigkeit - das Recht auf Entstehen und Bestehen (BVerfGE 80, 244 [252f.] = NJW 1990, 37; BVerfGE 84, 372 [378] = NJW 1992, 549). Dieses Grundrecht des Kl. ist nicht tangiert.
Zwar wird die Jugendarbeit und die Heranbildung fähiger Sportler bei einem Sportverein regelmäßig in den Bereich der grundrechtlich geschützten Vereinigungsfreiheit fallen. Anders liegt es aber, wenn es darum geht, ob und von wem der Verein für seine Bemühungen ein Entgelt verlangen kann. Eine solche „Aufwandsentschädigung„ mag für den Verein wirtschaftliche Bedeutung haben; mit dem Vereinszweck ist sie jedoch nicht notwendigerweise verbunden. Eine Forderung dieser Art knüpft nicht an die Intensität und Qualität der Jugendarbeit an. Es ist vielmehr weitgehend dem Zufall überlassen, ob ein Jugendspieler, auch wenn er das Trainingsprogramm mit großem Einsatz absolviert, den Sprung in das sogenannte „Profilager„ schafft.
Im übrigen kommt der Vereinsautonomie nicht derselbe Stellenwert zu wie der Berufsfreiheit. Dem gemeinsam verfolgten Vereinszweck wird durch die Vereinsautonomie kein weiterreichender Schutz vermittelt als einem individuell verfolgten Zweck (BVerfGE 54, 237 [251] = NJW 1980, 2123). Privatrechtliche Beziehungen eines Vereins zu anderen Privatrechtssubjekten sind nicht anders zu beurteilen als entsprechende Beziehungen unter natürlichen Personen (BVerfG, NJW 1996, 1203). Nimmt eine Vereinigung wie jedermann am Rechtsverkehr teil, so ist für den Grundrechtsschutz dieser Betätigung nicht Art. 9 I GG maßgebend; die Vereinigung und ihre Tätigkeit bedürfen insoweit nicht als solche des Grundrechtsschutzes. Dieser richtet sich vielmehr nach den materiellen (Individual-)Grundrechten (BVerfGE 70, 1 [25] = NJW 1986, 772). Die „Ausbildungsentschädigung„ hat eine solche vereinszweckrealisierende Außenwirkung. Selbst wenn Art. 9 I GG zugunsten des Kl. Anwendung fände, würde dies ihm nicht weiterhelfen. Der Freiheit der Berufswahl käme eindeutig der Vorrang zu, weil sie nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerwiegender Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut eingeschränkt werden könnte (BVerfGE 7, 377 [408] = NJW 1958, 1035; BVerfGE 85, 360 [374] = NJW 1992, 1373; vgl. auch oben II 2b ee).
b) Auch Art. 12 I GG kommt nicht zugunsten des Kl. zum Zuge. Die in Art. 12 I GG gewährleistete Berufsfreiheit umfaßt jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Beruf ist danach nicht nur die aufgrund einer persönlichen „Berufung„ ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit, sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft. Bei diesem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff ist das Grundrecht gem. Art. 19 III GG auch auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar. Handelt es sich bei der juristischen Person um einen Verein, schützt Art. 12 I GG dessen Tätigkeit allerdings nur dann, wenn die Führung des Geschäftsbetriebs zu seinen satzungsmäßigen Zwecken gehört (BVerfGE 97, 228 [253] = NJW 1998, 1627f. m.w. Nachw.). Ein solcher satzungsmäßig geführter Geschäftsbetrieb scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil es sich beim Kl. um einen Amateurverein handelt. Ein derartiger Verein ist ein Idealverein i.S. des § 21 BGB, sein (Haupt-)Zweck ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, sondern darauf, den Mitgliedern die geeigneten Bedingungen für die sportliche Betätigung zu schaffen. Soweit es sein Nebenzweck ist, Einnahmen aus Punkt- und Freundschaftsspielen zu erzielen, nimmt ihm dies nicht die Eigenschaft als Idealverein (Reuter, in: MünchKomm, 3. Aufl., §§ 21, 22 Rdnrn. 17ff.; vgl. dort auch Rdnr. 36a zu den Bundesligavereinen). Ob es sich bei einem Amateurverein um eine Ausbildungsstätte i.S. des Art. 12 I GG handeln könnte, bedarf keiner näheren Erörterung. Träger des Grundrechts ist nur der Auszubildende, nicht aber der Inhaber der Ausbildungseinrichtung (Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 12 Rdnr. 27; Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl., Art. 12 Rdnr. 45; Tettinger, in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 12 Rdnr. 58; vgl. auch Krogmann, S. 42f.).
c) Endlich scheidet auch Art. 2 I GG aus. Zwar schützt dieses Grundrecht als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr und die Vertragsfreiheit (BVerfGE 98, 218 [259] = NJW 1998, 2515 m.w. Nachw.). Doch schließen die besonderen Grundrechtsnormen für ihren Bereich die Anwendung des Art. 2 I GG aus (BVerfGE 67, 157 [171] m.w. Nachw.). Eine Norm, die Art. 12 I GG verletzt, kann daher nicht unter Hinweis auf Art. 2 I GG aufrechterhalten werden.
4. An dieser am Maßstab des Art. 12 I GG ausgerichteten Bewertung der Entschädigungsregelung in Nr. III 4.3.1. RRNFV als nichtig sieht sich der Senat nicht durch die Entscheidung des III. Zivilsenats des BGH vom 13. 11. 1975 (NJW 1976, 565 = LM § 242 [Bb] BGB Nr. 80) gehindert. Die dortigen Ausführungen zu einer Ablöseentschädigung im Zusammenhang mit der Geschäftsgrundlage für den Transfer eines in den sogenannten Bundesligaskandal verwickelten Lizenzspielers bezogen sich ohne nähere Auseinandersetzung und insbesondere ohne grundrechtliche Überprüfung auf die inzwischen nicht mehr aktuellen damaligen Statuten des DFB sowie die ebenfalls nicht mehr aktuellen Anschauungen und Begleitumstände des damaligen Profi-Spielertransfers; sie sind bereits deshalb nicht auf die hier zur Entscheidung anstehenden Fragen übertragbar.
Die am Maßstab des Art. 12 GG vorgenommene Bewertung der vorliegenden Verbandsnorm steht im übrigen in Einklang mit den Wertmaßstäben, die sich aus der in Art. 48 EGV a.F. (= Art. 39 EGV i.d.F. d. Amsterdamer Vertrags v. 2. 10. 1997 [BGBl. 1998 II, 387]) gewährleisteten Freizügigkeit innerhalb der europäischen Gemeinschaft ergeben (so auch: BAGE 84, 344 [359]). Nach der vom EuGH im Fall Bosman (EuGH, EuGHE I 1995, 4921 [5082] = NJW 1996, 505 [510] = NZA 1996, 191 - Bosman) getroffenen Entscheidung steht Art. 48 EGV a.F. der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegen, nach denen ein Berufsfußballspieler, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, bei Ablauf seines Vertrags nur dann von einem anderen Verein beschäftigt werden kann, wenn dieser dem bisherigen eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung gezahlt hat. Diese Wertentscheidung läßt sich auf die am Maßstab des Art. 12 GG orientierte Bewertung der in Nr. III 4.3.1. RRNFV (mit-)geregelten Fallkonstellation des jungen Amateurs übertragen: So wie der Berufsspieler durch eine Entschädigungsregelung an der Möglichkeit des Arbeitsplatzwechsels gehindert wird, wird der Amateur in seiner durch Art. 12 GG geschützten Berufswahl und der Wahl seines ersten Arbeitsplatzes unzulässig beeinträchtigt.
III. Da Nr. III 4.3.1. RRNFV bereits wegen Verstoßes gegen die in Art. 12 I GG zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Grundgesetzes sittenwidrig i.S. des § 138 I BGB und damit nichtig ist, bedarf die Frage, ob diese Verbandsnorm zudem mit dem im Art. 3 GG verankerten Diskriminierungsverbot unvereinbar ist sowie wettbewerbsrechtlichen Bedenken begegnet und auch deshalb unwirksam ist, keiner Entscheidung.
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