Befristeter Arbeitsvertrag mit einer schwangeren Arbeitnehmerin
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
06. 11. 1996
Aktenzeichen
7 AZR 909/95
Eine dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannte Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin hindert nicht die Befristung des Arbeitsvertrages.
Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein freier Dauerarbeitsplatz mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt werden soll, kann allenfalls dann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich der Arbeitgeber bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags gegenüber einem auf unbestimmte Zeit einzustellenden Arbeitnehmer vertraglich gebunden hat (Anschluß an BAG, AP Nr. 33 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis mit dem 31. 12. 1994 infolge Befristung geendet hat. Die Kl. war als Apothekenhelferin im Krankenhaus Z des bekl. Landes als Zeitangestellte zur Vertretung einer langfristig erkrankten Angestellten für die Zeit vom 3. 9. 1992 bis zum 30. 4. 1994 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anzuwenden. Am 14. 3. 1994 vereinbarten die Parteien, daß das Arbeitsverhältnis spätestens am 31. 12. 1994 enden sollte, sofern die zu Vertretende nicht zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollte. Mit Ablauf des 31. 7. 1994 endete das Arbeitsverhältnis der Vertretenen infolge Rentenbezugs. Daraufhin erklärte das bekl. Land der Kl. mit Schreiben vom 9. 8. 1994, das Arbeitsverhältnis sei unter Einhaltung der tarifvertraglichen Auslauffrist vom 30. 9. 1994 beendet. Anschließend schrieb es diese Stelle für eine Apothekenhelferin zum 1. 10. 1994 oder einem späteren Zeitpunkt zur unbefristeten Besetzung aus. Neben drei weiteren Interessentinnen bewarb sich auch die Kl. Eine bei ihr bestehende Schwangerschaft war dem bekl. Land seit Juni 1994 bekannt. Das bekl. Land beabsichtigte, die Stelle mit einer anderen Bewerberin zu besetzen, die jedoch erst ab dem 1. 1. 1995 zur Verfügung stehen konnte. Daraufhin schlossen die Parteien am 7. 10. 1994 einen Arbeitsvertrag, nach dem die Kl. als Zeitangestellte für die Zeit vom 1. 10. bis 31. 12. 1994 auf ihrer bisherigen Stelle weiter beschäftigt wurde. Gegen diese Befristung setzte sich die Kl. mit Feststellungsklage zur Wehr.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das LAG die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt das bekl. Land die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Kl. beantragt die Zurückweisung der Revision. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Das LAG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 31. 12. 1994 geendet hat. Für die Befristung des letzten, allein zu überprüfenden Arbeitsvertrags fehlt es an einem Sachgrund.
1. Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 7. 10. 1994 hat einen Sachgrund verlangt. Die Kl. konnte durch die Befristung dem durch Kündigungsschutzbestimmungen gewährleisteten Bestandsschutz ihres Arbeitsverhältnisses entzogen werden. Der dafür erforderliche allgemeine Kündigungsschutz stand ihr schon deswegen zu, weil sie aufgrund ihrer vorangegangenen zweijährigen Vertretungstätigkeit die Wartefrist des § 1 I KSchG erfüllt hatte.
2. Entgegen der Ansicht des LAG kann das Feststellungsbegehren der Kl. nicht auf die Protokollnotiz Nr. 4 zur SR 2y gestützt werden. Danach sind die unter Nr. 1 der SR 2y BAT fallenden Angestellten bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen zu berücksichtigen, wenn die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Regelung schränkt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BAGE 58, 183 (193) = NZA 1988, 771 = AP Nr. 4 zu § 1 BeschFG1985 (zu II) m.w. Nachw.) das Auswahlermessen des Arbeitgebers bei der Besetzung einer Dauerstelle ein. Eine ermessensfehlerhafte Auswahl gewährt aber allenfalls einen Anspruch auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrags, den die Kl. nicht geltend gemacht hat. Sie bewirkt nicht, daß eine statt dessen vereinbarte Befristung unwirksam ist.
3. Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 7. 10. 1994 kann nicht mit einem Wunsch der Kl. gerechtfertigt werden. Das BAG geht zwar in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der Wunsch des Arbeitnehmers auf eine befristete Beschäftigung die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG, AP Nr. 91 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag m.w. Nachw.). Dazu müssen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers an einer befristeten Beschäftigung folgt. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot des Arbeitgebers auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrags nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte. Vorliegend fehlt es an objektiven Anhaltspunkten, die den Schluß auf einen Wunsch der Kl. auf eine befristete Beschäftigung zulassen. Zwar hat sie sich am 28. 9. 1994 für die ausgeschriebene Stelle befristet bis zum 31. 12. 1994 beworben. Diese Bewerbung beruhte jedoch auf der Tatsache, daß das bekl. Land sich für eine andere Bewerberin entschieden hatte, die ihre Arbeit nicht vor dem 1. 1. 1995 aufnehmen konnte. Im übrigen hat die Kl. mit ihrer unmittelbar vorangegangenen Bewerbung auf die externe Stellenausschreibung ihr vorrangiges Interesse an einer dauerhaften Beschäftigung zum Ausdruck gebracht.
4. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrags der Parteien ist nicht allein deshalb unwirksam, weil die Kl. im Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwanger gewesen ist. Eine dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannte Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin hindert nicht von vorneherein die Befristung des Arbeitsvertrags. Aus Art. 6 IV GG folgt kein generelles Verbot der Befristung von Arbeitsverhältnissen werdender Mütter. Im Anwendungsbereich des § 620 BGB verlangt diese Grundrechtsnorm jedoch einen wirksamen Schutz der Schwangeren davor, daß der Arbeitgeber die Schwangerschaft zum Anlaß der Befristung und einer darauf beruhenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses nimmt. Art. 6 IV GG zwingt bei der im Rahmen der Befristungskontrolle vorzunehmenden Abwägung schutzwürdiger Interessenlagen zwar nicht dazu, die Möglichkeit einer Schwangerschaft allen anderen Gesichtspunkten vorgehen zu lassen (BVerfG, AP Nr. 136a zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Doch ist die Schwangerschaft bei der Bewertung der Interessenlage der Vertragsparteien beim Abschluß befristeter Arbeitsverträge zu berücksichtigen.
5. a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses sachlich gerechtfertigt, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer bis zu dem Zeitpunkt beschäftigt werden soll, in dem ein Auszubildender des Arbeitgebers seine Berufsausbildung beendet und der Arbeitgeber dessen Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zugesagt oder zumindest konkret beabsichtigt hat (BAG, NZA 1994, 167 = AP Nr. 148 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag (zu II 4a) m.w. Nachw.). Das BAG erkennt insoweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer vorübergehenden Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers an, weil er Auszubildende unter erheblichem Aufwand für seine Zwecke ausbildet und für sie bei Ende der Berufsausbildung auch eine Beschäftigungsmöglichkeit zur Verfügung stellt.
b) Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse auch in anderen Fällen anzuerkennen ist, in denen er eine befristete Einstellung vornimmt, um den Zeitraum bis zur Arbeitsaufnahme eines anderen von ihm eingestellten Arbeitnehmers zu überbrücken, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ein solches Interesse setzt zumindest voraus, daß sich der Arbeitgeber bereits im Zeitpunkt des befristeten Vertragsschlusses gegenüber dem auf unbestimmte Zeit einzustellenden Arbeitnehmer vertraglich gebunden hat (BAG, AP Nr. 33 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag (zu 3b)). Das hat das bekl. Land nicht vorgetragen. Seine Ausführungen in den Vorinstanzen lassen weder erkennen, ob es mit der von ihm vorgezogenen Bewerberin überhaupt zu einem Vertragsschluß gekommen ist, noch daß die Stelle der Kl. tatsächlich zum 1. 1. 1995 besetzt worden ist. Diese Anforderungen gelten erst recht, wenn sich der befristet beschäftigte Arbeitnehmer auf dem dauerhaft und arbeitsorganisatorisch unverändert zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz bewährt hat, wie das bei der Kl. der Fall war. Denn ausweislich des vom bekl. Land erteilten Zeugnisses vom 30. 9. 1994 hat sie die anfallenden Aufgaben vollständig und zur vollsten Zufriedenheit ihres Arbeitgebers erledigt. Auch ihr durch die bekannte Schwangerschaft erhöhtes Interesse an einer Dauerbeschäftigung erforderte eine endgültige Bindung des Arbeitgebers an die ausgewählte Bewerberin, sollte eine weitere Befristung des Arbeitsvertrags der Kl. anstelle der tarifvertraglich bevorzugten Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis sachlich gerechtfertigt sein.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen