Keine Zweckbefristung nach § 21 Abs 3 BErzGG

Gericht

BAG 7. Senat


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

09. 11. 1994


Aktenzeichen

7 AZR 243/94


Leitsatz des Gerichts

Die Vorschrift des § 21 Abs. 3 BErzGG, nach der die Dauer der Befristung kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein muß, verbietet die Zweckbefristung eines Arbeitsvertrages, der für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und/oder für die Dauer eines Erziehungsurlaubs mit der Ersatzkraft abgeschlossen wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen vereinbarte befristete Arbeitsverhältnis über den 30. 9. 1993 hinaus unbefristet fortbesteht.

Die Kl. ist Volljuristin. Sie schloß mit der Bekl. unter dem 31. 3./1. 4. 1992 einen schriftl. Arbeitsvertrag, dessen § 1 lautet:

"Frau I. wird ab 1. 4. 1992 als Angestellte zur Aushilfe für die Dauer der Mutterschutzfrist der Frau B. und des sich evtl. anschließenden Erziehungsurlaubes, längstens bis zum 31. 5. 1995, eingestellt."

Ferner vereinbarten die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrages die Geltung des BAT so wie in § 6, daß Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen.

Die Mutterschutzfrist der Angestellten B. lief vom 29. 3. bis zum 21. 6. 1992. Auf ihren Antrag vom 14. 5. 1992 wurde ihr für die Zeit vom 22. 6. 1992 bis 30. 9. 1993 Erziehungsurlaub gewährt.

Die Kl. wurde ihrerseits schwanger und stellte am 28. 12. 1992 einen Antrag auf Erziehungsurlaub. Diesem Antrag entsprach die Bekl. mit Schreiben vom 18. 1. 1993 nur für die Zeit bis zum 30. 9. 1993, da nach Auffassung der Bekl. das Arbeitsverhältnis der Kl. mit Ablauf dieses Zeitpunktes enden werde.

Gegen diese Rechtsauffassung der Bekl. hat sich die Kl. mit ihrer am 24. 2. 1993 beim ArbG eingegangenen Klage gewandt und die Auffassung vertreten, die Befristung ihres Arbeitsvertrages sei unwirksam. Die Befristungsabrede verstoße gegen § 21 Abs. 3 BErzGG, weil die Dauer der Befristung nicht kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sei. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei nicht klar gewesen, ob und gegebenenfalls für welche Zeit die Angestellte B. Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen werde. Auch der in der Befristungsabrede genannte Endzeitpunkt (31. 5. 1995) könne das Arbeitsverhältnis nicht wirksam befristen, da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ungewiß gewesen sei, ob Frau B. Erziehungsurlaub verlangen werde, und deshalb ein Vertretungsfall nicht vorgelegen habe.

Die Kl. hat beantragt festzustellen, daß sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Bekl. stehe.

Die Bekl. hat Klageabweisung sowie im Berufungsverfahren zusätzl. hilfsweise die Feststellung beantragt, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 31. 5. 1995 enden werde. Sie hat im wesentl. die Ansicht vertreten, ein Verstoß gegen § 21 Abs. 3 BErzGG liege nicht vor, weil die Befristung bestimmbar gewesen und überdies der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Kl. bereits mit Schreiben vom 18. 1. 1993 mitgeteilt worden sei. Im übrigen regele § 21 BErzGG nicht das Verhältnis dieser Vorschrift zu anderen Befristungsregelungen in Gesetzen, TVen und Richterrecht. Die Befristungsmöglichkeiten hätten durch § 21 BErzGG weder ausgedehnt noch eingeschränkt werden sollen. Da die Kl. als vertretungsweise Aushilfsbeschäftigte nach Nr. 1c SR 2y BAT eingestellt worden sei, habe ihr nach der ständigen Rechtspr. des BAG ledigl. rechtzeitig das Ende der Beschäftigung mitgeteilt werden müssen. Dies sei durch das Schreiben der Bekl. vom 18. 1. 1993 geschehen. Zumindest aber sei das Arbeitsverhältnis wirksam zu dem im Vertrag genannten Zeitpunkt 31. 5. 1995 befristet worden, denn dieser Zeitpunkt sei kalendermäßig bestimmt. Die sachl. Rechtfertigung der Höchstbefristung liege in der allgemeinen Erfahrung, daß die Angestellten den Erziehungsurlaub in vollem Umfange ausschöpften. Hiervon sei auch die Bekl. bei Abschluß des Vertrages mit der Kl. zu deren Gunsten ausgegangen.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Berufung der Bekl. einschließl. ihres Hilfsantrages zurückgewiesen. Die vom LAG zugelassene Revision der Bekl. blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat zutreffend festgestellt, daß die Kl. zur Bekl. in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht. Denn sowohl die Befristung auf die Dauer "der Mutterschutzfrist ... und des sich evtl. anschließenden Erziehungsurlaubes" als auch die Höchstbefristung zum 31. 5. 1995 sind unwirksam.

I. Die Befristung auf die Dauer der Mutterschutzfrist und des sich eventuell anschließenden Erziehungsurlaubs ist schon deshalb unwirksam, weil sie, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, gegen § 21 Abs. 3 BErzGG verstößt. Nach dieser Vorschrift muß die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Hiermit ist eine Zweckbefristung bis zum noch ungewissen Ende einer Mutterschutzfrist bzw. eines Erziehungsurlaubs unvereinbar.

1. Das BAG hat diese Frage bisher - soweit ersichtl. - nicht entschieden; im nicht veröffentl. Urt. vom 13. 6. 1990 (7 AZR 309/89) hat es sie ausdrückl. offen gelassen. Nach der im Schrifttum h. M. schließt § 21 Abs. 3 BErzGG eine Zweckbefristung bis zum noch ungewissen Ende des Vertretungsfalles aus (vgl. zum Beispiel KR-Weller, 3. Aufl., § 21 BErzGG Rz 16, 17; Meisel/Sowka, MuSchG, 3. Aufl., § 21 BErzGG Rz 19, 21; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 5. Aufl., § 21 BErzGG Rz 15; Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Mai 1992, § 21 BErzGG Rz 12; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., S. 808; Halbach, DB Beil. 1986/1, S. 1, 18; Grüner/Dalichau, BErzGG, Bd. 1, Stand August 1994, § 21 BErzGG, Anm. III 2; Wiegand, BErzGG, Stand März 1987, § 21 Rz 13; a. A. Winterfeld, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 1986, S. 79, Rz 347 = Neues Arbeitsrecht, Stand Oktober 1986, Teil M, Rz 347).

2. Der Senat schließt sich der h. A. an. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 21 Abs. 3 BErzGG lassen nur die Auslegung zu, daß die Zweckbefristung eines zur Vertretung während der Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und/oder für die Dauer eines Erziehungsurlaubs abgeschlossenen Arbeitsvertrages unzulässig ist. Nach § 21 Abs. 3 BErzGG muß die Dauer eines solchen Arbeitsvertrages kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages muß sich also der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein nach dem Kalender errechnen lassen.

Zwar ist richtig, daß durch § 21 BErzGG die Einstellung von Ersatzkräften erleichtert werden sollte und daß nach der früheren Rechtspr. des BAG (vgl. zum Beispiel Urt. vom 17. 2. 1983, BAG 41, 391, 399 = AP Nr. 14 zu § 15 KSchG1969 [B II 2 der Gründe]) eine Zweckbefristung bis zum Ablauf der Mutterschutzfrist und des sich gegebenenfalls anschließenden Mutterschaftsurlaubs für zulässig gehalten wurde. Durch § 21 des BErzGG vom 6. 12. 1985 ist jedoch die Befristung für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und/oder für die Dauer des Erziehungsurlaubs abschließend geregelt worden. Die von ihm angestrebte Erleichterung der Einstellung von Ersatzkräften hat der Gesetzgeber durch die Einbeziehung der notwendigen Einarbeitungszeiten in die Befristungsdauer, die Gewährung eines Sonderkündigungsrechts und den Ausschluß des KSchG in § 21 Abs. 5 BErzGG verwirklicht (KR-Weller, aaO, § 21 BErzGG Rz 17 a. E.). Neben diesen Erleichterungen hat der Gesetzgeber jedoch erkennbar für den Bereich der Befristungen wegen der Mutterschutzfrist und/oder des Erziehungsurlaubs auch eine klare gesetzl. Rechtslage schaffen wollen. In der amtl. Begründung des RegEntw. (BT-Drucks. 10/3792) heißt es auf Seite 21 ausdrückl., für die befristete Einstellung einer Ersatzkraft, die bisher nur auf die Rechtspr. der ArbG gestützt werden konnte, solle eine eindeutige Grundlage im Gesetz geschaffen werden. Dementspr. heißt es auf Seite 22 (aaO) zum damaligen § 21 Abs. 4 des RegEntw., Abs. 4 regele die Art der Bestimmung der Befristungsdauer, damit der Endzeitpunkt des befristeten Arbeitsvertrages von Anfang an für die Vertragspartner klargestellt sei. Damit aber würde die Anerkennung einer Zweckbefristung im Bereich des § 21 BErzGG gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers verstoßen.

3. Die von der Bekl. aufgeworfene Frage des Verhältnisses von § 21 BErzGG zu tarifvertragl. Regelungen stellt sich im Entscheidungsfalle nicht, weil hier allein die SR 2y BAT in Betracht kommen und diese jedenfalls für zur Vertretung oder zeitweiligen Aushilfe eingestellte Arbeitnehmer (Nr. 1c SR 2y BAT) keine von § 21 BErzGG abweichenden Anforderungen für die Zulässigkeit einer Befristung aufstellen, sondern nur die Aufnahme bestimmter Angaben in den Arbeitsvertrag fordern (vgl. Nr. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 3 SR 2y BAT). Insbesondere enthalten die SR 2y BAT keine Bestimmung des Inhalts, daß mit zur Vertretung eingestellten Arbeitnehmer abweichend von § 21 Abs. 3 BErzGG auch eine Zweckbefristung vereinbart werden dürfe.

Dementspr. betreffen die von der Bekl. angeführten Senatsentscheidung vom 26. 3. 1986 (BAG 51, 319 = AP Nr. 103 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) und vom 12. 6. 1987 (AP Nr. 113 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) auch nur Vertretungsfälle außerhalb des Anwendungsbereichs des § 21 BErzGG und sind auch nicht zur Auslegung der SR 2y BAT ergangen. Vielmehr betreffen sie Bereiche, in denen im Gegensatz zu § 21 Abs. 3 BErzGG eine Zweckbefristung grundsätzl. zulässig ist. Für diese Bereiche hat der Senat ausgeführt, daß eine Zweckbefristung zwar unwirksam sei, wenn ihr Ende für den Arbeitnehmer nicht voraussehbar ist oder nicht in überschaubarer Zeit liegt, daß dies aber nur dazu führe, daß das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf einer der Mindestkündigungsfrist entspr. Auslauffrist ende. Auf den in § 21 BErzGG abschließend geregelten Bereich einer Befristung wegen einer Vertretung während einer Mutterschutzfrist oder eines Erziehungsurlaubs sind diese Entscheidung damit nicht übertragbar.

II. Dem LAG ist jedenfalls im Ergebnis auch in seiner Würdigung zu folgen, daß auch die vereinbarte Höchstbefristung zum 31. 5. 1995 unwirksam ist, so daß auch der Hilfsantrag der Bekl. keinen Erfolg haben kann.

1. Das LAG hat insoweit ausgeführt, nach der eigenen Darstellung der Bekl. habe auch insoweit kein anderer "sachl. Grund" vorgelegen als die Erwartung, daß die Angestellte B. Erziehungsurlaub verlangen werde. Damit hat das LAG - dem Sachvortrag der Bekl. entspr. - festgestellt, daß auch für die Zeit bis zum 31. 5. 1995 keine anderen Befristungsgründe als die in § 21 BErzGG abschließend geregelten Gründe der Vertretung während einer Mutterschutzfrist und/oder eines Erziehungsurlaubs vorgelegen haben. Es bedarf also keiner Entscheidung, ob die Bekl. die Befristung bis zum 31. 5. 1995 auch auf einen anderen Sachgrund als den in § 21 BErzGG geregelten hätte stützen können.

2. Nach dem mithin allein anwendbaren § 21 BErzGG ist die Befristung nur für die Dauer eines im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits verlangten Erziehungsurlaubs zulässig (vgl. dazu auch KR-Weller, aaO, § 21 BErzGG Rz 13). Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aber hatte Frau B. noch keinen Antrag auf Erziehungsurlaub gestellt.

Zwar sind die Worte "zu Recht verlangten", die noch in der bis zum 31. 12. 1991 geltenden Fassung des § 21 Abs. 1 BErzGG enthalten waren, in der Neufassung des § 21 Abs. 1 BErzGG durch das 2. Gesetz zur Änderung des BErzGG vom 6. 12. 1991 (BGBl. I, S. 2142, 2144), das am 1. 1. 1992 in Kraft getreten ist, nicht mehr enthalten. Eine sachl. Änderung der gesetzl. Regelung, daß nur für die Zeit eines bereits verlangten Erziehungsurlaubs die befristete Einstellung einer Ersatzkraft zulässig ist, war hiermit jedoch erkennbar nicht beabsichtigt, zumal die gesamten Materialien zum 2. Gesetz zur Änderung des BErzGG (vgl. insbesondere BT-Drucks. 12/1125, S. 9) hierzu auch nicht den geringsten Hinweis enthalten. Offenbar handelte es sich ledigl. um eine redaktionelle Änderung, durch die die sprachl. Fassung des § 21 Abs. 1 BErzGG gestrafft werden sollte. Allenfalls ist noch vorstellbar, daß der Gesetzgeber mit der Streichung der Worte "zu Recht" die Absicht verband, die Wirksamkeit einer mit der Ersatzkraft vereinbarten Befristung in Zukunft nicht mehr daran scheitern zu lassen, daß im Einzelfall kein Anspruch auf den Erziehungsurlaub bestand. Daß der Gesetzgeber aber auch von dem Erfordernis eines Antrags auf Gewährung des Erziehungsurlaubs hätte absehen wollen, ohne daß sich in den gesamten Materialien ein Hinweis auf eine solche Absicht fände, kann nicht angenommen werden.

Vorinstanzen

LAG Niedersachsen, 9 Sa 1444/93, 11.02.1994

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BErzGG § 21 Abs. 1 und Abs. 3