Vorzeitige Beendigung eines unbezahlten Sonderurlaubs

Gericht

BAG 9. Senat


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

06. 09. 1994


Aktenzeichen

9 AZR 221/93


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Arbeitgeber ist regelmäßig nur dann verpflichtet, der vorzeitigen Beendigung eines nach tarifvertraglichen Bestimmungen gewährten unbezahlten Sonderurlaubs zuzustimmen, wenn diese Möglichkeit tarifvertraglich vorgesehen oder einzelvertraglich vereinbart ist.

  2. Eine Pflicht zur Einwilligung in die vorzeitige Beendigung des Sonderurlaubs aufgrund arbeitsrechtlicher Fürsorgepflicht könnte allenfalls dann bestehen, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich und zumutbar ist und wenn der Grund für die Bewilligung des Sonderurlaubs weggefallen ist oder schwerwiegende negative Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers eingetreten sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Bekl., in die Beendigung eines Sonderurlaubs einzuwilligen.

Die Kl. ist als Teilzeitbeschäftigte im Kanzleidienst des SG Düsseldorf beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag i. d. jeweiligen Fassung (BAT) Anwendung. Die Kl. hat am 7. 2. 1991 ein Kind geboren. Im Anschluß an den gesetzl. Erziehungsurlaub wurde ihr auf ihren Antrag für die Zeit vom 7. 8. 1992 bis 6. 8. 1995 Sonderurlaub gem. § 50 Abs. 2 BAT gewährt. Bereits während des Erziehungsurlaubs wurde die Kl. erneut schwanger. Als voraussichtl. Geburtstermin war der 27. 11. 1992 errechnet worden. Mit Schreiben vom 21. 5. 1992 bat die Kl. das Land um die Einwilligung zur Aufhebung der Sonderurlaubsvereinbarung und um Beschäftigung vom 7. 8. 1992 bis 16. 10. 1992. Das bekl. Land lehnte den Antrag der Kl. mit Schreiben vom 1. 6. 1992 ab, weil über die Stelle zwischenzeitl. anderweitig verfügt worden sei.

Die Kl. hat mit ihrer im Juni 1992 erhobenen Klage nach Änderung des Klageantrags zuletzt beantragt festzustellen, daß das bekl. Land verpflichtet gewesen ist, in die Beendigung des Sonderurlaubs der Kl. nach § 50 BAT ab 7. 8. 1992 einzuwilligen.

Das bekl. Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Kl. hatte keinen Anspruch gegen das bekl. Land auf Einwilligung zur Beendigung des Sonderurlaubs.

1. Zutreffend ist das LAG davon ausgegangen, daß durch die Gewährung des Sonderurlaubs die beiderseitigen Hauptpflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis ruhen (BAG Urt. vom 27. 11. 1986 - 8 AZR 163/84 - AP Nr. 13 zu § 50 BAT). Sie können nicht einseitig durch den Arbeitnehmer wiederhergestellt werden. Hierzu bedarf es einer einvernehml. Aufhebung des Sonderurlaubs durch die Parteien. Im Streitfall war das Land nicht verpflichtet, in die Aufhebung einzuwilligen.

2. Regelmäßig ist ein Arbeitgeber nur verpflichtet, der vorzeitigen Beendigung des nach einer tarifvertragl. Bestimmung gewährten Sonderurlaubs zuzustimmen, wenn diese Möglichkeit tarifvertragl. vorgesehen oder einzelvertragl. vereinbart ist.

a) Die Kl. hat keinen tarifvertragl. Anspruch. Der BAT hat die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung eines antragsgemäß gewährten Sonderurlaubs nicht geregelt.

b) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien oder aus der Sonderurlaubsvereinbarung. Beide Verträge enthalten dazu keine Abreden.

3. Das bekl. Land war nicht aufgrund Fürsorge verpflichtet, das Angebot der Kl. auf Aufhebung des Sonderurlaubs anzunehmen. Es kann dahinstehen, ob die arbeitsrechtl. Fürsorgepflicht überhaupt geeignet ist, einen entspr. Anspruch zu begründen. Das könnte allenfalls dann denkbar sein, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich und zumutbar ist und wenn der wichtige Grund i. S. des § 50 Abs. 2 BAT für die Bewilligung des Sonderurlaubs weggefallen ist oder schwerwiegende negative Veränderungen in den wirtschaftl. Verhältnissen des Arbeitnehmers oder seiner Familie eingetreten sind. Keine dieser Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

Für die Kl. besteht der wichtige Grund fort, aufgrund dessen Sonderurlaub nach § 50 Abs. 2 BAT gewährt worden ist (Möglichkeit der ganztägigen Betreuung und Erziehung ihres im Februar 1991 geborenen Kindes). Schwerwiegende negative Veränderungen in ihren wirtschaftl. Verhältnissen hat sie nicht vorgetragen. Die Geburt eines weiteren Kindes und die damit verbundenen Kosten und Belastungen zählen dazu nicht.

Dem Bekl. war die Beschäftigung der Kl. auch nicht möglich. Nach den Feststellungen des LAG ist die Stelle der Kl. besetzt und eine andere Stelle nicht frei gewesen. Die Rüge der Revision, das LAG habe insoweit zu Unrecht den Vortrag des bekl. Landes als unstreitig angesehen, und es hätte über Behauptungen des bekl. Landes Beweis erheben müssen, sind unbegründet. Die unrichtige Behandlung des Tatsachenvortrags ist mit einer Tatbestandsberichtigung anzugreifen. Bei angebl. fehlender Berücksichtigung von Parteivortrag und fehlender Aufklärung muß die Revision im einzelnen darlegen, aufgrund welchen Vortrags das LAG zu welchen Tatsachenfeststellungen hätte gelangen müssen.

Schließl. ist fragl., ob es dem bekl. Land zumutbar war, in die vorzeitige Beendigung des Sonderurlaubs einzuwilligen, weil die Aufhebung der Sonderurlaubsvereinbarung ledigl. zur Folge gehabt hätte, daß die Kl. vom 7. 8. 1992 bis Mitte Oktober 1992 (Beginn ihrer Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG) hätte arbeiten müssen.

Vorinstanzen

LAG Düsseldorf, 11 Sa 1337/92, 03.02.1993

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BAT § 50 Abs. 2; BGB § 242 Fürsorgepflicht