Unterhaltsrechtliche Behandlung einer Abfindung
Gericht
OLG Koblenz
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
10. 01. 2000
Aktenzeichen
13 UF 370/99
Eine aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gewährte Abfindung dient als Ersatz des fortgefallenen Arbeitseinkommens dazu, eine Zeit lang die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse aufrechtzuerhalten. Der Abfindungsbetrag ist auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Durch Urteil des Senats vom 6. 4. 1987 ist der Kl. verpflichtet worden, Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 720 DM an die Bekl. zu zahlen. Mit der vorliegenden Klage erstrebt der Kl. den Wegfall dieser Unterhaltsverpflichtung ab 1. 1. 1998. Die Bekl. macht ihrerseits im Wege der Widerklage ab 1. 4. 1998 höheren Unterhalt (2836 DM) geltend. Das AG hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage den Kl. zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 1461 DM vom 1. 4. 1998 bis zum 30. 9. 2000 verurteilt. Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Der Kl. begehrt jetzt eine Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich 216,92 DM vom 1. 1. 1998 bis zum 30. 9. 2000 und auf 0 DM für die Zeit ab 1. 10. 2000. Die Bekl. verfolgt ihr ursprüngliches Klagebegehren in Höhe von 1660 DM weiter. Lediglich die Berufung der Bekl. war teilweise erfolgreich.
Auszüge aus den Gründen:
Die Abänderungsbegehren beider Parteien sind nach § 323 ZPO zulässig, da sich seit der letzten mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren (16. 3. 1987) die Verhältnisse wesentlich geändert haben. Der Kl. ist zum 31. 12. 1996 als Vorstandsmitglied aus dem Dienstverhältnis bei der R-Bank ausgeschieden, hat eine Abfindung erhalten, im Jahr 1997 Arbeitslosengeld bezogen und bekommt seit 1. 1. 1998 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Bekl. hat ihre frühere Teilzeitstelle verloren, anschließend verschiedene Tätigkeiten ausgeübt und ist seit Herbst 1998 arbeitslos.
Die Abänderungsklage des Kl. ist insgesamt unbegründet, diejenige der Bekl. teilweise begründet.
Der Senat hat im Ausgangsurteil vom 6. 4. 1987 Ehegattenunterhalt in Höhe von 720 DM entsprechend dem damaligen Antrag der Bekl. zugesprochen. Grundlagen hierfür waren das Einkommen des Kl. als hauptamtlicher Vorstand der R-Bank sowie die eheprägenden Einkünfte der Bekl. aus einer Teilzeitbeschäftigung als Telefonistin. Auf den hieraus errechneten eheangemessenen Bedarf der Bekl. wurden weitere fiktive Einkünfte angerechnet, da der Senat davon ausging, die Bekl. könne als Büroangestellte oder Verkäuferin vollschichtig arbeiten.
Ausgehend hiervon hat die Bekl. weiterhin Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach §§ 1573 II , 1578 BGB, da ihre erzielten und erzielbaren Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach wie vor zum vollen Unterhalt nicht ausreichen.
Das der Unterhaltsbemessung zu Grunde zu legende Einkommen des Kl. hat sich gegenüber dem Ausgangsurteil erhöht. Er hat in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab 1. 1. 1998 nicht nur Rente wegen Arbeitslosigkeit bezogen; daneben ist auch die zum 1. 1. 1997 erhaltene Abfindung zu berücksichtigen. Der Senat schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des AG in dem angefochtenen Urteil in vollem Umfang an. Eine Abfindung ist grundsätzlich unterhaltspflichtiges Einkommen (vgl. Kalthoener/Büttner, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., Rdnr. 794), das wie jede höhere Einmalzahlung zeitlich zu verteilen ist. Der auf Grund des Aufhebungsvertrages vom 25. 9. 1996 erhaltene Betrag sollte allerdings nicht nur den Einkommensverlust des Kl. im Jahre 1997 ausgleichen, wie der Kl. behauptet, sondern diente nach dem Wortlaut des Vertrages allgemein „zum Ausgleich der mit der Beendigung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile“. Dies entspricht dem gewöhnlichen Zweck von Abfindungen bei Arbeitsplatzverlust auf Grund eines Sozialplans oder aus Anlass der Aufhebung eines Arbeitsvertrages. Eine Abfindung dient nämlich als Ersatz des fortgefallenen Arbeitseinkommens dazu, eine Zeit lang die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse aufrechterhalten zu können. Insbesondere ein Abfindungsbetrag wegen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben ist auf einen längeren Zeitraum zu verteilen (vgl. Wendl/Staudigl, Das UnterhaltsR in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 1 Rdnr. 72). Angemessen erscheint vorliegend, die Zeit bis zum Beginn der Regelaltersrente (1. 10. 2000) zu überbrücken, das sind insgesamt 45 Monate.
Das AG hat dies in dem angefochtenen Urteil getan, wobei es zu Gunsten des Kl. für 1997 - für dieses Jahr wird noch keine Abänderung begehrt - die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse voll umfänglich aufrechterhalten und zu diesem Zweck das frühere Gehalt aus dem Jahr 1996 zu Grunde gelegt und die Abfindung zur Auffüllung des Arbeitslosengeldes auf ein monatliches Einkommen von rund 10640 DM (Jahresnettoeinkommen 127688,65 DM) verwendet hat.
Diese Vorgehensweise wird von den Parteien in der Berufungsinstanz nicht angegriffen. Nur der danach noch vorhandene Teilbetrag der Abfindung - nach der nicht zu beanstandenen Berechnung des AG 103120,66 DM - ist auf die Folgezeit bis zum 30. 9. 2000 - ab 1. 10. 2000 bezieht der Kl. Regelaltersrente -, mithin auf 33 Monate umgelegt worden.
Der Kl. kann sich nicht darauf berufen, er habe den Abfindungsbetrag zum größten Teil bereits 1997, u.a. für eine bereits seit langem geplante Urlaubsreise nach Ostasien, verbraucht. Der Verbrauch von finanziellen Mitteln, die unterhaltsrechtlich dem laufenden Einkommen zuzurechnen sind, für Urlaubsreisen o.ä. können den Unterhaltsanspruch der Bekl. nicht schmälern. Solche Ausgaben gehören zum normalen Lebensbedarf. Sie müssen deshalb aus dem für den eigenen Unterhalt vorgesehenen Einkommensanteil bestritten werden. Eine andere Beurteilung könnte nur bei einem solchen Nachholbedarf erwogen werden, der durch besondere unabwendbare Gründe entstanden wäre (vgl. BGH, NJW 1982, 822 = FamRZ 1982, 250). Dies gilt vorliegend weder für die behauptete Restzahlung eines Darlehens aus Übernahme des Wohnhauses noch für die Vollzahlung der Lebensversicherung. Beide Sonderzahlungen waren nicht notwendig. Die Rückzahlung erhaltenen Arbeitslosengeldes ist bereits berücksichtigt; die laufenden Lebenshaltungskosten sind selbstredend aus dem für 1997 berücksichtigten Monatsbetrag von 10640 DM zu bestreiten. Zu der pauschal mit 20000 DM veranschlagten „Hochwasserschädenbeseitigung“ ist schon nicht hinreichend substanziiert vorgetragen.
Danach ist auf Seiten des Kl. für die Zeit ab 1. 1. 1998 von einem monatlichen Einkommen in Höhe von gerundet 6102 DM entsprechend der Berechnung des AG im angefochtenen Urteil auszugehen.
Auf Seiten der Bekl. ist unter Fortschreibung der Vorgaben des Ausgangsurteils ebenfalls von einem zwischenzeitlich erhöhten (um rund1/3) Einkommen aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Auch insoweit nimmt der Senat in vollem Umfang Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des AG in dem angefochtenen Urteil. Ein höheres Einkommen als die dort zu Grunde gelegten 2400 DM kann der Bekl. nicht zugerechnet werden. Die vom Kl. in der Berufungsbegründung „nachgewiesenen Stellen“ als Bankkauffrau stammen noch aus der Zeit vor Verkündung des Ausgangsurteils. In dieser Entscheidung hatte der Senat bereits festgestellt, dass die Bekl. keine Chance mehr hat, in ihrem erlernten Beruf als Bankkauffrau eine Anstellung zu finden, nachdem sie etwa 20 Jahre nicht mehr in diesem Beruf gearbeitet hatte. Dass die Bekl. eine Arbeitsstelle finden könnte, in der sie auf Dauer ein Einkommen von mehr als 2400 DM monatlich netto bereinigt erzielen könnte, ist auch nach dem übrigen Vorbringen des Kl. nicht zu erwarten. Damit können lediglich die früheren Einkünfte der Bekl. aus einer fiktiven Vollzeittätigkeit in Anpassung an die gewöhnliche Einkommensentwicklung fortgeschrieben werden, wie es das AG zutreffend getan hat.
Fiktive Einkünfte für gegenüber einem Lebensgefährten erbrachte Versorgungsleistungen können der Bekl. nicht zugerechnet werden. Aus den entsprechenden Behauptungen des Kl. kann nicht entnommen werden, dass der von ihm benannte Zeuge G jedenfalls in dem hier maßgeblichen Unterhaltszeitraum die Bekl. regelmäßig besucht und von ihr bei diesen Gelegenheit geldwerte Versorgungsleistungen empfängt.
Der Unterhaltsbedarf der Bekl. errechnet sich damit wie folgt:
Bereinigtes, insgesamt nicht mehr aus Erwerbstätigkeit stammendes Einkommen des Kl. 6102 DM
An die Einkommensentwicklung angepasstes (Erhöhung um 1/3) eheprägendes Einkommen der Bekl. aus Erwerbstätigkeit (1100 DM + 367 DM = 1467 DM), nach Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1/7 (210 DM) 1257 DM
Differenzeinkommen 4845 DM.
Der Bedarf der Bekl. beträgt 1/2 hiervon = 2423 DM. Hierauf ist das weitere im Ausgangsurteil fiktiv angerechnete Einkommen aus einer nach der Scheidung aufgenommenen vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach Anpassung an die Einkommensentwicklung (2400 DM), soweit es die Einkünfte aus der prägenden Teilzeitstelle (1467 DM) übersteigt (933 DM), nach Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1/7 (133 DM) = 800 DM anzurechnen, so dass ein offener Ehegattenunterhaltsanspruch von 1623 DM bleibt. Dieser Betrag liegt über dem durch das Urteil des Senats vom 6. 4. 1987 titulierten monatlichen Unterhalt von 720 DM.
Wie das AG zu Recht angenommen hat, konnte das Ausgangsurteil insoweit nur für die Zeit vom 1. 4. 1998 (Beginn des Erhöhungsverlangens der Bekl.) bis zum 30. 9. 2000 abgeändert werden, da nicht absehbar ist, wie sich die Einkommensverhältnisse insbesondere des Kl. ab 1. 10. 2000 darstellen werden, da dieser ab diesem Zeitpunkt nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Regelaltersrente bezieht.
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