Schadensberechnung nach § 249 S. 2 BGB bei der Beschädigung eines Kfz

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

30. 11. 1999


Aktenzeichen

VI ZR 219/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Bei der Ersatzbeschaffung gem. § 249 S. 2 BGB genügt der Geschädigte im Allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn er im Totalschadensfall das Unfallfahrzeug zu dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen Restwert verkauft oder in Zahlung gibt.

  2. Weist der Schädiger ihm jedoch eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nach, kann der Geschädigte im Interesse der Geringhaltung des Schadens verpflichtet sein, davon Gebrauch zu machen.

  3. Der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich der Geschädigte erst noch bemühen muss, genügt indessen nicht, um seine Obliegenheiten zur Schadensminderung auszulösen.

  4. Zu den Voraussetzungen der Sachdienlichkeit bei Zulassung einer Klageänderung.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. verlangen von den Bekl. Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens wegen eines Verkehrsunfalls vom 18. 5. 1995, bei dem das von dem Kl. gefahrene Kraftfahrzeug der Kl. Totalschaden erlitt. Der Kl., der seinerzeit als Außendienstleiter auf Provisionsbasis tätig war, wurde erheblich verletzt. Die Einstandspflicht der Bekl. für die Unfallschäden ist zwischen den Parteien außer Streit. In der Revisionsinstanz geht es nur noch um die Bewertung des Restwerts des Unfallfahrzeugs der Kl. bei der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs und um die Verbringungs- und Umbaukosten des Ersatzfahrzeugs sowie um den Provisionsausfall des Kl. Mit Anwaltsschreiben vom 28. 6. 1995 legten die Kl. dem Bekl. zu 3 als dem Haftpflichtversicherer der Bekl. zu 1 ein Sachverständigengutachten vor, in dem der Wiederbeschaffungswert für das klägerische Unfallfahrzeug mit 40500 DM und dessen Restwert mit 5500 DM (jew. ohne MWSt) veranschlagt war. Mit Antwortschreiben vom 3. 7. 1995 wies der Bekl. zu 3 auf ein so genanntes Restwertangebot der Firma R in G. in Höhe von 10000 DM hin. Dieses Angebot wiesen die Kl. mit Anwaltsschreiben vom 6. 7. 1995 als unrealistisch zurück und forderten den Bekl. zu 3 auf, ihnen bis zum 12. 7. ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Am 18. 7. 1995 wandten sie sich an die Firma R mit der Bitte um ein Angebot. Dem Bekl. zu 3 teilten sie mit Anwaltsschreiben vom 26. 7. 1995 mit, sie hätten die Firma R gebeten, ein verbindliches Restwertangebot abzugeben; dies sei bisher jedoch nicht geschehen. Ihnen lägen in Bezug auf ein Ersatzfahrzeug nur zwei Angebote für vergleichbare Fahrzeuge zu einem Nettopreis von 47721 DM vor. Noch bevor die Firma R mit Telefax vom 27. 7. auf die Anfrage vom 18. 7. 1995 antwortete und ihr Angebot von 10000 DM bestätigte, verkauften die Kl. ihr Fahrzeug für 5500 DM. Der Bekl. zu 3 zahlte an die Kl. noch vor Zustellung der Klage, mit der die Kl. auf der Grundlage eines Wiederbeschaffungswerts von 47721 DM und eines Restwerts von 5500 DM die Zahlung von 44491 DM und ein angemessenes Schmerzensgeld für den Kl. verlangt haben, 34000 DM auf die materiellen Schäden der Kl. Dabei legte er seiner Abrechnung einen Restwert von 10000 DM einschließlich Mehrwertsteuer zugrunde.

Das LG hat dem Kl. ein Schmerzensgeld von 12000 DM nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen haben Kl. und Bekl. Berufung eingelegt. Die Kl. haben nunmehr die Zahlung von 10491 DM an die Kl. sowie an den Kl. die Zahlung eines Schmerzensgelds von 40000 DM und von 150000 DM für Provisionsausfall verlangt. Ferner haben sie die Feststellung begehrt, dass die Bekl. dem Kl. sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen haben. Das OLG hat durch Teilurteil die Verpflichtung der Bekl. zum Ersatz sämtlicher unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden des Kl. - vorbehaltlich des Forderungsübergangs auf Sozialversicherungsträger - festgestellt. Die Entscheidung über das Schmerzensgeld hat es dem Schlussurteil vorbehalten und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgten die Kl. den Zahlungsanspruch der Kl. nur noch hinsichtlich eines Betrags von 3745 DM sowie vollumfänglich den Anspruch des Kl. auf Ersatz von Provisionsausfall. Die Bekl. hatten Anschlussrevision eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage in vollem Umfang begehrten. Die Revision und die Anschlussrevision waren überwiegend erfolgreich und führten insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat durch Teilurteil entschieden, weil die geltend gemachten Ansprüche bis auf die Höhe des Schmerzensgelds, die noch einer weiteren Beweisaufnahme bedürfe, zur Endentscheidung reif seien. Es hält den Feststellungsantrag für begründet, da die Ersatzpflicht der Bekl. für die materiellen und immateriellen Schäden des Kl. feststehe und weitere Spätschäden nicht auszuschließen seien. Dagegen sei die auf Zahlung des Ersatzes für den materiellen Schaden der Kl. gerichtete Klage unbegründet. Der vom Wiederbeschaffungswert des geschädigten Fahrzeugs abzuziehende Restwert betrage 10000 DM (ohne MWSt 8695,65 DM), so dass der kl. Anspruch durch die Zahlung der Bekl. zu 3 abgegolten sei. Soweit der Kl. in der Berufungsinstanz seine Klage auch auf Ersatz entgangener Provision erstreckt habe, handele es sich um eine Klageänderung, die mangels Sachdienlichkeit nicht zuzulassen sei, weil der Vortrag der Kl. völlig unsubstantiiert und daher eine Entscheidung nur aufgrund zusätzlichen neuen Vortrags und einer neuen umfangreichen Beweisaufnahme möglich sei, wodurch der Rechtsstreit erneut erheblich verzögert würde.

II. A. Anschlussrevision der Bekl.

Die Anschlussrevision der Bekl. ist begründet. Sie rügt zu Recht, dass das Teilurteil wegen Verstoßes gegen § 301 ZPO insgesamt unzulässig ist, soweit als zulässig behandelte Ansprüche des Kl. betroffen sind. Ein Teilurteil darf nach ständiger Rechtsprechung nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr widerstreitender Erkenntnisse, auch durch die Rechtsmittelgerichte, nicht besteht (BGHZ 107, 236 [242] = NJW 1989, 2821 = LM § 301 ZPO Nr. 37; BGHZ 120, 376 [380] = NJW 1993, 784 = LM H. 5/1993 § 823 [Aa] BGB Nr. 143). Diese Gefahr besteht hier.

a) Der Feststellungsausspruch in der Urteilsformel ist dahin auszulegen, dass darin, wie von den Kl. auch beantragt, die Ersatzpflicht der Bekl. nur hinsichtlich der künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall festgestellt wird. Dass das BerGer. nur eine dahingehende Entscheidung treffen wollte, ergibt sich eindeutig aus den Urteilsgründen, in denen das BerGer. den Feststellungsausspruch damit rechtfertigt, dass „weitere Spätschäden des Kl. nicht auszuschließen“ seien. Dementsprechend wird die Ersatzpflicht in der Urteilsformel auch nur insoweit festgestellt, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte „übergehen“, womit nur die künftigen, nicht dagegen die bereits entstandenen Ansprüche gemeint sein können. Bei diesem Verständnis des Feststellungsausspruchs geht die Rüge einer Verletzung des § 308 ZPO ins Leere.

b) Über den Schmerzensgeldantrag, der die bis zur letzten mündlichen Verhandlung entstandenen immateriellen Schäden betrifft, hat das BerGer. dagegen noch keine Entscheidung getroffen. Eine Vorabentscheidung über den Grund des bezifferten Schmerzensgeldanspruchs gem. § 304 ZPO wäre auch gar nicht in Betracht gekommen, weil die Einstandspflicht der Bekl. als solche zwischen den Parteien nicht streitig war und deshalb die Voraussetzungen für ein Grundurteil nicht vorgelegen haben (vgl. Senat, NJW-RR 1989, 1149 = LM § 301 ZPO Nr. 35 = VersR 1989, 603; BGH, NJW 1992, 2487 = LM H. 12/1992 § 152 ZVG Nr. 6). Das Berufungsurteil ist daher dahin zu verstehen, dass die Entscheidung über den bezifferten Schmerzensgeldantrag insgesamt, nicht nur hinsichtlich der Höhe dem Schlussurteil vorbehalten werden sollte.

c) Bei dieser Sachlage besteht die Möglichkeit, dass das BerGer. die Haftungsfrage im Rahmen der Entscheidung über das Schmerzensgeldbegehren - etwa weil im Laufe des weiteren Verfahrens über die Einstandspflicht der Bekl. aus dem Unfall als solche Streit entsteht - anders beurteilt als in dem Feststellungsausspruch hinsichtlich der künftigen Ansprüche. Da eine solche Möglichkeit nicht auszuschließen ist, kann das Teilurteil keinen Bestand haben.

B. Revision der Kl.

Die Revision der Kl. ist im Wesentlichen ebenfalls begründet. Das BerGer. hat zu Unrecht bei der Schadensberechnung einen Restwert für das Unfallfahrzeug von 10000 DM brutto zugrunde gelegt und die Klage hinsichtlich des Provisionsanspruchs des Kl. als unzulässig abgewiesen.

1. Im Ansatz geht das BerGer. zutreffend davon aus, dass die Kl. im Totalschadensfall wie hier nur Ersatz des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts verlangen kann (BGHZ 115, 364 [372] = NJW 1992, 302 = LM H. 3/1992 § 249 [Fa] BGB Nr. 19; Senat, NJW 1992, 903 = LM H. 7/1992 § 249 [Ga] BGB Nr. 19 = VersR 1992, 457; BGH, NJW 1993, 1849 = LM H. 10/1993 § 249 [Ga] BGB Nr. 21 = VersR 1993, 769). Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, steht die Ersatzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gem. § 249 S. 2 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat (BGHZ 115, 364 [368f.] = NJW 1992, 302 = LM H. 3/1992 § 249 [Fa] BGB Nr. 19; BGHZ 115, 375 [378] = NJW 1992, 305 = LM H. 3/1992 § 249 [Fa] BGB Nr. 20; BGHZ 132, 373 [376] = NJW 1996, 1958 = LM H. 9/1996 § 249 [Aa] BGB Nr. 20).

a) Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt, wie der Senat ebenfalls mehrfach betont hat, auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss (Senat, NJW 1992, 903 = LM H. 7/1992 § 249 [Ga] BGB Nr. 19 = VersR 1992, 457; BGH, NJW 1993, 1849 = LM H. 10/1993 § 249 [Ga] BGB Nr. 21 = VersR 1993, 770), denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte grundsätzlich im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. Das beruht auf dem Gedanken, dass er bei der Ersatzbeschaffung nach § 249 S. 2 BGB nur den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen kann.

Dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit leistet der Geschädigte indessen im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 S. 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er das Unfallfahrzeug auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens und des darin ausgewiesenen Restwerts verkauft oder in Zahlung gibt. Denn das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen bildet in aller Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwerts, so dass der Geschädigte den so ermittelten Restwertbetrag grundsätzlich seiner Schadensberechnung zugrunde legen darf. Der Schädiger kann den Geschädigten deshalb insbesondere nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielen könnte (Senat, NJW 1992, 903 = LM H. 7/1992 § 249 [Ga] BGB Nr. 19 = VersR 1992, 457; BGH, NJW 1993, 1849 = LM H. 10/1993 § 249 [Ga] BGB Nr. 21 = VersR 1993, 770; OLG Hamm, NJW 1993, 404; OLG Nürnberg, NJW 1993, 404 [405]; vgl. auch BGHZ 132, 373 [378] = NJW 1996, 1958 = LM H. 9/1996 § 249 [Fa] BGB Nr. 20).

b) Diese Grundsätze, von denen auch das BerGer. ausgegangen ist, schließen es freilich nicht aus, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seiner sich aus § 254 II BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Denn der Geschädigte steht bei der Schadensbehebung gem. § 249 S. 2 BGB nicht nur unter dem allgemeinen Gebot, einen wirtschaftlich zulässigen Weg zu wählen. Vielmehr kann er aus dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB (vgl. BGHZ 132, 373 [376] = NJW 1996, 1958 = LM H. 9/1996 § 249 [Fa] BGB Nr. 20) auch gehalten sein, unter besonderen Umständen von einer zulässigen Verwertung Abstand zu nehmen und andere sich ihm darbietende Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen. Dass der Sachverständigenschätzwert nicht ausnahmslos der Schadensabrechnung zugrunde gelegt werden darf, hat der Senat bisher schon anerkannt, so insbesondere für den Fall, dass der Geschädigte bei dem Verkauf oder der Inzahlunggabe ohne überobligationsmäßige Anstrengung tatsächlich einen höheren Preis erzielt hat (Senat, NJW 1992, 903 = LM H. 7/1992 § 249 [Ga] BGB Nr. 19 = VersR 1992, 457). Deshalb gilt der Grundsatz, dass der von einem Sachverständigen ermittelte Restwert eine geeignete Grundlage für die Schadensabrechnung bilde, nur „in aller Regel“. Desgleichen können auch Ausnahmen von dem Grundsatz, dass sich der Geschädigte nicht auf spezialisierte Restwertaufkäufer verweisen zu lassen brauche, nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Doch müssen derartige Ausnahmen, deren Voraussetzungen zur Beweislast des Schädigers stehen, in engen Grenzen gehalten werden, weil andernfalls die dem Geschädigten nach § 249 S. 2 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde (Senat, NJW 1992, 903 = LM H. 7/1992 § 249 [Ga] BGB Nr. 19 = VersR 1992, 457; BGH, NJW 1993, 1849 = LM H. 10/1993 § 249 [Ga] BGB Nr. 21 = VersR 1993, 770). Nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. Diese Stellung darf ihm durch eine zu weite Ausnahmehandhabung nicht genommen werden. Insbesondere dürfen ihm bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden.

c) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann dem BerGer. nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Kl. habe hier mit dem Verkauf des Unfallfahrzeugs zu dem Schätzwert des Sachverständigen gegen ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 II BGB verstoßen. Zwar kann dem BerGer. im Ansatz durchaus in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos einen höheren Erlös zu erzielen vermag oder wenn der Schädiger ihm eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist, sich den höheren, ihm möglichen Erlös im Rahmen des Zumutbaren zurechnen lassen muss. Doch hat das BerGer. die tatsächlichen Voraussetzungen für eine solche Sachgestaltung nicht festgestellt.

aa) Die Bekl. zu 3 hatte die Kl. mit Schreiben vom 3. 7. 1995 lediglich auf ein Restwertangebot der Firma R über 10000 DM (brutto) hingewiesen. Der Nettopreis von 8695,65 DM lag zwar mit 3195,55 DM wesentlich über dem vom Sachverständigen geschätzten Wert von 5500 DM. Doch der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich die Kl. erst noch hätte bemühen müssen, genügte nicht, um deren Schadensminderungsobliegenheiten auszulösen. Da ein bindendes Angebot der Firma R gegenüber der Kl. - anders als in dem mit Senatsurteil vom 21. 1. 1992 (Senat, NJW 1992, 903 = LM H. 7/1992 § 249 [Ga] BGB Nr. 19 = VersR 1992, 457) entschiedenen Fall - bisher nicht vorlag, hätte sich diese erst noch selbst an die Firma R wenden müssen, wie sie es mit Schreiben vom 18. 7. 1995 dann auch getan hat, um von dieser ein konkretes und verbindliches Angebot einzuholen. Es kann also schon deswegen keine Rede davon sein, dass die Kl. mühelos einen höheren Erlös hätte erzielen können oder die Bekl. zu 3 ihr eine günstigere Verwertungsmöglichkeit nachgewiesen hätte. Der Kl. wurde vielmehr erst noch die Entfaltung eigener Initiative zum Verkauf an einen Restwertaufkäufer abverlangt, zu der sie nicht verpflichtet war.

bb) Die Revision weist auch zu Recht darauf hin, dass sich die Firma F in G. in erheblicher Entfernung vom Wohnort der Kl. befindet und das BerGer. nicht festgestellt hat, dass sich die Firma R bereitgefunden hätte, das Unfallfahrzeug abzuholen und auf ihre Kosten nach G. zu verbringen. Solange sich der Aufkäufer dazu nicht bereit erklärt, braucht sich der Geschädigte auf derartige Verwertungsmöglichkeiten nicht einzulassen. Vielmehr kann der Geschädigte bei Ausübung seiner Ersetzungsbefugnis zunächst auf den ihm zugänglichen allgemeinen Markt seiner Umgebung zurückgreifen (vgl. BGHZ 132, 373 [380] = NJW 1996, 1958 = LM H. 9/1996 § 249 [Fa] BGB Nr. 20).

cc) Zu Unrecht lastet das BerGer. der Kl. ferner als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht an, dass sie, ohne die Antwort der Firma R auf ihre Anfrage vom 18. 7. abzuwarten, ihren Wagen zu dem niedrigeren Schätzwert des Sachverständigen veräußert hat; es sei ihr ohne weiteres möglich gewesen, vor der Veräußerung bei der Firma R nachzufragen, ob diese an ihrem höheren Restwertangebot festhalte. Wie bereits bemerkt, hatte die Firma R der Kl. noch gar kein konkretes Angebot unterbreitet. Außerdem befand sich dieses Unternehmen außerhalb der engeren räumlichen Umgebung der Kl., so dass diese vor der Frage stand, wie und auf wessen Kosten das Unfallfahrzeug nach G. hätte verbracht werden sollen. Es wäre Sache der Bekl. gewesen, der Kl. diese Lasten abzunehmen.

Überdies kann die Kl. gute Gründe gehabt haben, den Unfallwagen zu verkaufen, bevor eine Antwort auf ihre Anfrage bei der Firma R eingegangen war. Wann und warum sie das Unfallfahrzeug verkaufte, hat das BerGer. nicht festgestellt. Es ist aber, auch unter Beachtung der Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast (Senat, NJW 1999, 714 = LM H. 6/1999 § 393 BGB Nr. 7 = VersR 1999, 774 m.w. Nachw.), Sache des Schädigers, die mitverschuldensbegründenen Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen. Ein Verstoß gegen die sich aus § 254 II BGB ergebende Pflicht zur Geringhaltung des Schadens kann dem Geschädigten erst dann vorgeworfen werden, wenn solche Umstände feststehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte im Allgemeinen ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Schadensbehebung hat und ihm deshalb ein längeres Zuwarten bei sich bietender sofortiger Verwertungsmöglichkeit unter Umständen nicht zuzumuten ist. Immerhin war hier seit dem Unfall am 28. 5. bereits geraume Zeit verstrichen, als die Kl. bei der Firma R mit Schreiben vom 18. 7. um ein Angebot bat, bis zum 26. 7. aber noch keine Antwort erhalten hatte. Bei dieser Sachlage kommt ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nur dann in Betracht, wenn Umstände feststehen, bei denen der Kl. ein weiteres Zuwarten durchaus zuzumuten gewesen wäre. Davon kann hier nach den bisherigen Feststellungen jedoch keine Rede sein.

2. Hinsichtlich der weiteren von der Kl. geltend gemachten Sachschäden ist die Revision dagegen nicht begründet. Das BerGer. hat dem LG folgend die Kosten für die Verbringung des Ersatzfahrzeugs von M. nach R. gem. § 287 ZPO auf 1200 DM (und nicht wie verlangt auf 2000 DM) veranschlagt. Das lässt einen Ermessensfehler nicht erkennen. Zur Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens war das BerGer. nicht verpflichtet. Die weiterhin zugesprochenen Abschleppkosten von 395 DM und die 304,35 DM für Umbaukosten werden von der Revision nicht bzw. nicht in zulässiger Weise angegriffen. Demgemäß beläuft sich der Betrag, mit dem die Revision in Bezug auf die Kl. durchdringt, lediglich auf 2899,35 DM (36899,35 DM abzüglich der von der Bekl. zu 3 gezahlten 34000 DM).

3. Keinen Bestand haben kann das Berufungsurteil auch insoweit, als das BerGer. den erst am Ende des Berufungsverfahrens gestellten Antrag auf Ersatz des dem Kl. durch den Unfall entstandenen Provisionsschadens als unzulässig abgewiesen hat. Dem BerGer. ist zwar darin beizutreten, dass es sich bei diesem Klagebegehren, das sich auf einen neuen Streitgegenstand bezieht, um eine Klageänderung handelt, die, nachdem die Bekl. widersprochen haben, nur zulässig ist, wenn das Gericht sie für sachdienlich erachtet (§ 263 ZPO). Die Revision rügt indessen zu Recht, dass das BerGer. die Sachdienlichkeit rechtsfehlerhaft verneint hat.

a) Das BerGer. hat die Zulassung der Klageerweiterung mangels Sachdienlichkeit deshalb abgelehnt, weil der kl. Vortrag dazu völlig unsubstantiiert und eine Entscheidung daher nur aufgrund zusätzlichen Vortrags der Kl. und einer umfangreichen Beweisaufnahme möglich sei, wodurch der im Wesentlichen entscheidungsreife Rechtsstreit erneut erheblich verzögert würde.

b) Diese Auffassung ist von Rechtsirrtum beeinflusst. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Streitrechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGHZ 1, 65 [71] = NJW 1951, 311 = LM § 265 ZPO Nr. 1; BGH, NJW-RR 1994, 1143 = WM 1994, 1545 [1546f.]; NJW-RR 1990, 505 = LM § 263 ZPO 1976 Nr. 15 = WM 1990, 657 [658]; NJW 1985, 1841 [1842]). Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit (BGH, NJW 1975, 1228 [1229] = LM § 33 ZPO Nr. 14; NJW 1985, 1841 [1842] = LM § 138 ZPO Nr. 21). Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung dieses Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Deshalb steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert würde. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, ob und inwieweit durch die Zulassung der Klageänderung der sachliche Streitstoff im Rahmen des anhängigen Verfahrens ausgeräumt und einer andernfalls zu gewärtigenden neuen Klage vorgebeugt werden könnte (BGHZ 1, 65 [72] = NJW 1951, 311 = LM § 265 ZPO Nr. 1; BGH, NJW 1985, 1841 [1842] = LM § 138 ZPO Nr. 21). Die Sachdienlichkeit kann unter diesem Blickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH, NJW 1985, 1841 [1842] = LM § 138 ZPO Nr. 21 m.w. Nachw.). Darum handelt es sich hier jedoch nicht, denn die neu geltend gemachten Ansprüche knüpfen an den bisherigen Prozessstoff sowie an die vom BerGer. selbst noch für notwendig gehaltene Beweisaufnahme zum Gesundheitszustand des Kl. und die damit verbundene Frage nach seiner Arbeitsfähigkeit an. Diese Grundsätze hat das BerGer. verkannt.

III. Das angefochtene Teilurteil ist somit in dem sich aus der Urteilsformel ergebenden Umfang aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Was den Anspruch auf Ersatz von Provisionsausfall angeht, weist der Senat für die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags und für die nach § 252 S. 2 BGB anzustellende Prognose über die hypothetische Geschäftsentwicklung auf die Senatsurteile vom 17. 2. 1998 (NJW 1998, 1633 = LM H. /1998 § 252 BGB Nr. 71 = VersR 1998, 770), sowie vom 3. 3. 1998 (NJW 1998, 1634 = LM H. 7/1998 § 252 BGB Nr. 72 = VersR 1998, 772) hin.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht

Normen

BGB §§ 249, 254; ZPO § 263