Einkommensermittlung bei selbständigem Zahnarzt

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

11. 06. 1999


Aktenzeichen

11 UF 402/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Selbständiger (Zahnarzt) hat von sich aus seine Einkünfte im einzelnen so darzustellen (im Sinne von BGH, NJW 1980, 2083 = FamRZ 1980, 770), daß sich - unabhängig von den steuerlich relevanten Einkünften und Verlusten - ohneweiteres sein tatsächlich ihm zur Verfügung stehendes Gesamteinkommen ermitteln läßt; er kann sich insoweit nicht darauf zurückziehen, das Gericht habe ihm zu einzelnen unklaren Positionen Auflagen zu erteilen.

  2. Auch bei außerordentlich guten Einkommensverhältnissen kommt für den Kindesunterhalt lediglich eine maßvolle Erhöhung der (Höchst-)Sätze der Düsseldorfer Tabelle in Betracht.

  3. Bei der konkreten Bedarfsberechnung kann das Gerichtungeachtet der grundsätzlichen Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten in etwas weiterem Maße auf die Möglichkeit der Schätzung zurückgreifen.

  4. Läßt die Unterhaltsberechtigte wahrheitswidrig vortragen, sie lebe nicht mit einem anderen Manne zusammen, so greift der Verwirkungseinwand des § 1579 Nr. 2 und 4 BGB jedenfalls auch dann ein, wenn zum Zeitpunkt des Vortrags der Zeitraum zwar noch nicht abgelaufen ist, ab dem die Verfestigung einer ehegleichen Gemeinschaft angenommen wird (zwei bis drei Jahre), dieser aber im Laufe des Verfahrens erreicht wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Eheleute und leben seit Ende 1994 getrennt. Sie haben zwei Kinder: N (geb. 19. 7. 1988) und C (geb. am 23. 3. 1991), die bei der Kl., die eine Teilzeittätigkeit als Mathematikerin ausübt, leben. Der Bekl. ist Zahnarzt mit eigener Praxis. Die Kl. macht Trennungs- und Kindesunterhalt seit Juni 1995 geltend.

Das AG - FamG - hat den Bekl. verurteilt, an die Kl. Kindesunterhalt in Höhe von 125% der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle (höchste Gruppe) und Trennungsunterhalt in Höhe von 4100 DM (wovon 1800 DM anerkannt wurden). Die Berufung des Bekl. hatte nur teilweise bezüglich des Trennungsunterhalts Erfolg, soweit nämlich ab Dezember 1998 mehr als 1800 DM ausgeurteilt sind.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

2. a) Der Anspruch auf Kindesunterhalt ist zwischen den Parteien dem Grunde nach nicht streitig (§§ 1601 ff. BGB). Das AG hat zu Recht die Bedarfssätze der obersten Gruppe der Düsseldorfer Tabelle, die auch vom Senat in ständiger Rechtsprechung als Orientierungshilfe zur Unterhaltsbemessung angewandt wird, maßvoll erhöht. Eine weitergehende Erhöhung, die ohnehin in der Berufungsinstanz nicht mehr im Streit steht, kommt aus den vom AG dargelegten Gründen nicht in Betracht.

Das AG geht zutreffend davon aus, hier sei eine Einstufung des Bekl. deutlich oberhalb der Einkommensbeträge der Gruppe 8 geboten, was erst die Erhöhung der Tabellenbeträge rechtfertigt.

Der Bedarf der Kinder richtet sich nach dem Einkommen des allein barunterhaltspflichtigen Bekl. Dieses ist zwar im Grundsatz von der Kl. darzulegen. Allerdings hat der Bekl. als Freiberufler dabei mitzuwirken und behauptetes Einkommen durch substantiierten Vortrag konkreter Tatsachen zu bestreiten. Ein bloßes Bestreiten ohne die nach den Umständen erforderliche Substantiierung ist unwirksam und zieht die Geständnisfiktion des § 138 III ZPO nach sich (vgl. Haußleiter, in: Wendl/Staudigl, Das UnterhaltsR in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 1 Rdnr. 148). Der Bekl. kann sich nicht da-rauf beschränken, darauf zu warten, daß ihm Auflagen zu einzelnen Positionen erteilt werden. Er ist „- trotz bestehender Schwierigkeiten - unterhaltsrechtlich verpflichtet, sein Gewinneinkommen im einzelnen so darzustellen, daß die steuerrechtlich und betriebswirtschaftlichen Aufwendungen und Vermögensmehrungen von solchen abgegrenzt werden können, die unterhaltsrechtlich bedeutsam sind“ (so schon BGH, NJW 1980, 2083 = FamRZ 1980, 770). Außerdem ist bei verschiedenen Einkunftsarten jede im einzelnen darzulegen.

Schon daran fehlt es. So heißt es etwa im Schriftsatz vom 26. 4. 1999: „überreichen wir die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997, aus der einige (Hervorhebung durch den Senat) Abschreibungsmodelle hervorgehen.“ Erwähnt werden dann zwei Eigentumswohnungen in K. und in D. und ein „Objekt“ in B., für das offensichtlich ein Kredit aufgenommen wurde. Zuvor war von diesen Objekten nie erläuternd die Rede (allerdings waren sie in den Steuererklärungen aufgeführt), abgesehen davon, daß auch jetzt nicht annähernd nachvollziehbar dargelegt ist, wie sie unterhaltsrechtlich zu behandeln sein könnten. Allein die Tatsache, daß - steuerlich gewollt - eine „Unterdeckung“ vorhanden ist, besagt nichts darüber, was dem Bekl. tatsächlich zur Verfügung steht, was in reine Vermögensbildung fließt und was auch unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Im übrigen legt die zitierte Formulierung im Schriftsatz nahe, daß noch weitere - nicht genannte - Abschreibungsobjekte existieren. Aus der Anlage V zur Steuererklärung für 1995 ergibt sich jedenfalls noch eine Immobilie in L., die in den Folgejahren nicht mehr auftaucht, über deren Schicksal aber nichts bekannt ist. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nicht einmal ansatzweise dargelegt; 1995 waren es noch vier Beteiligungen, 1997 nur noch drei. In der Anlage GSE zur Steuererklärung 1997 heißt es in der Rubrik „Gewinn“: „Bitte von Amts wegen eintragen“.

Ein derartiger Vortrag genügt nicht den Anforderungen an eine geordnete, nachvollziehbare Darstellung der Einnahmen und Ausgaben; davon kann auch der Bekl. selbst nicht ausgehen. Es ist deshalb nach den oben dargelegten Grundsätzen ein Einkommen zu unterstellen, das die jeweiligen Höchstsätze der Düsseldorfer Tabelle deutlich übersteigt und die vom AG vorgenommene Erhöhung rechtfertigt.

Der Senat berechnet den Kindesunterhalt jeweils nach dem Höchstsatz zuzüglich 25%.

b) Der Anspruch der Kl. auf Trennungsunterhalt leitet sich aus § 1361 BGB her. Danach sind die ehelichen Lebensverhältnisse, die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse beider Eheleute, soweit sie den ehelichen Lebensstandard geprägt haben, für die Bemessung des Bedarfs maßgebend. Einkünfte, die der Vermögensbildung zugeführt wurden, bleiben bei der Bedarfsbestimmung außer Betracht.

Während herkömmlich der Bedarf nach Quoten des zur Verfügung stehenden Einkommens ermittelt wird, gilt dies bei überdurchschnittlich hohen Einkünften, wie hier, nicht, weildann regelmäßig davon ausgegangen werden kann, daß ein Teil zur Vermögensbildung verwandt wird, wie auch hier (wo ein Hausanwesen während der Ehe angeschafft und nach dem Vortrag des Bekl. überdurchschnittlich schnell auch bezahlt wurde und ebenso erhebliches Kapitalvermögen angelegt und zudem noch eine Reihe von Abschreibungsobjekten erworbenwurden). Das Maß des Unterhalts richtet sich nach den spezifischen, besonders günstigen Lebensverhältnissen. Da die Kl. beanspruchen kann, auch grundsätzlich weiterhin an dem in der Ehe geübten hohen Lebensstandard teilzuhaben, bestimmt sich die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs danach, in welchem Umfang das Familieneinkommen während des Zusammenlebens der Parteien für den allgemeinen Lebensunterhalt verwendet wurde (vgl. BGH, NJW 1994, 2618 = FamRZ 1994, 1169). Für seine Ermittlung „kann an Aufwendungen angeknüpft werden, mit denen die Parteien ihren allgemeinen Lebensstandard bestritten haben, wenn auch letztlich - objektiviert - der Lebenszuschnitt maßgebend ist, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen (BGH, NJW 1994, 2618 = FamRZ 1994, 1169). Dabei hat der BGH die Anerkennung einer sogenannten Sättigungsgrenze bisher stets abgelehnt.

Im einzelnen können etwa die Kosten der allgemeinen Lebensführung, für Wohnen sowie Pflege und Instandhaltung der Wohnung, Pkw-Kosten, einschließlich derjenigen der regelmäßigen Erneuerung, anteilige Aufwendungen für Personal, privater Bedarf wie Kleidung, Kosmetik, kulturelle Aufwendungen, Kosten sportlicher Betätigung und Urlaubskosten in Ansatz gebracht werden (vgl. Eschenbruch/Loy, FamRZ 1994, 665).

Auf dieser Grundlage ist sodann die Höhe des angemessenen Unterhalts, „gegebenenfalls durch Schätzung“ (BGH, NJW 1994, 2618 = FamRZ 1994, 1196) zu ermitteln. Dabei ist in gewissem Sinne eine Objektivierung vorzunehmen, als - allerdings aus der Sicht eines Beobachters in vergleichbarer wirtschaftlicher Situation - übertrieben luxuriöse Lebensstandards nicht fortzuschreiben sind (vgl. Gerhardt, in: Wendl/Staudigl, § Rdnr. 368; BGH, NJW 1985, 1343 = FamRZ 1985, 582; OLG Frankfurt a.M., FamRZ 1997, 353). Jedoch ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen. In der Entscheidung BGH, NJW 1994, 2618 = FamRZ 1994, 1169 hatte die Ehefrau - Lehrerin - für sich und drei bei ihr lebende Kinder einen Gesamtbedarf von 18700 DM errechnet und betont, von dem auf sie entfallenden Teil könne sie ihren Lebensstandard nicht aufrecht erhalten.

Zunächst sind die einzelnen Bedarfspositionen der Kl. zu ermitteln. Dabei liegt, wie regelmäßig, die Darlegungslast bei ihr, da sie die Voraussetzungen ihres Anspruchs dazutun hat, auch wenn der Senat im Bereich der konkreten Bedarfsberechnung in etwas weiterem Umfang von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch machen kann (§ 287 ZPO). Das entbindet die Kl. jedoch nicht davon, soweit möglich, die Ausgaben für einzelne Bedarfspositionen exakt vorzutragen und zu belegen. Das hat sie teilweise nicht in dem Maße getan, daß sämt-liche von ihr angesetzten Beträge zu rechtfertigen wären.Darauf wird unten im einzelnen eingegangen.

Anzurechnen sind die eigenen Einkünfte der Kl. aus ihrer Teilzeittätigkeit. Allerdings betreut sie neben ihrer Erwerbstätigkeit noch die beiden minderjährigen Kinder N (geb. 19. 7. 1998), jetzt fast elf Jahre alt, und C (geb. 23. 5. 1991), jetztacht Jahre alt. Weil C noch im Grundschulalter ist, ist die Erwerbstätigkeit für die Kl. nach der ständigen Rechtsprechung des Senats insgesamt unzumutbar. Richtig ist zwar, daß sie auch bereits während des Zusammenlebens berufstätig war; hier stand jedoch teilweise eine Kinderfrau zur Verfügung, die die Kl. jedenfalls mit dem freiwillig gezahlten Unterhalt und ihrem Einkommen nicht finanzieren konnte.

Ihr Einkommen ist deshalb auf ihren Bedarf nach den Grundsätzen des § 1577 II BGB nur zu einem Teil anzurechnen, hier, wie im Regelfall, von dem abzuweichen kein Anlaß besteht, zu 50%. Die Tatsache, daß der Zeuge D die Kinder inzwischen ebenfalls mit betreut (vgl. unten), kann auf Dauerallenfalls solange außer Betracht bleiben, als noch nicht von einer verfestigten Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann. Dann aber wäre das Einkommen der Kl. zu einem höheren Prozentsatz anzurechnen. Das Problem stellt sich jedochnicht, weil ab Dezember 1998 ohnehin nur noch der anerkannte Unterhalt geschuldet ist (vgl. unten).

Ausgehend von den Aufstellungen der Kl. in 1. Instanz und in 2. Instanz bestimmt sich der Bedarf nach den einzelnen Bedarfspositionen wie folgt:

Wohnbedarf: 1500 DM. Dieser Bedarf scheint dem Senat angemessen, ausgehend von Größe und Zuschnitt des von den Parteien bewohnten Hauses, wovon das zu den Akten gereichte Lichtbild, die Flächen- und Raumberechnungen und die Planskizzen einen deutlichen Eindruck vermittelt. Gleichgültig, ob das Foto nun bereits 12 Jahre alt ist, wird klar, daß es sich für eine vierköpfige Familie um ein überdurchschnittliches Anwesen handelt. Allerdings ist zu bedenken, daß die Kl. nicht alleine dort wohnte, sondern zusammen mit dem Bekl. und den beiden Kindern. Unter diesen Umständen ist ein allein auf sie entfallender Wohnbedarf von 1500 DM - inklusive Nebenkosten (erwähnt werden in 1. Instanz nur Kosten für die Stadtwerke von 70 DM) - angemessen, auch wenn man einen objektiven Mietwert von 3500 DM unterstellt.

Telefon: 100 DM. Der von der Kl. in Ansatz gebrachte Betrag ist nicht überzogen.

Zeitungen, Fernsehen, Rundfunk: 60 DM. Diese von der Kl. selbst angegebenen Beträge sind jedenfalls nicht übersetzt.

Versicherungen: 200 DM. Die behaupteten Ausgaben von monatlich 300 DM - ohne die gesondert berücksichtigten Kosten für Lebensversicherung und Kfz-Versicherung - sindnicht ausreichend substantiiert dargelegt. Eine dem Lebenszuschnitt angemessene Absicherung rechtfertigt den angenommenen Betrag von 200 DM.

Lebensversicherung: 300 DM. Dies ist angesichts des gehobenen Lebenszuschnitts zu akzeptieren; damit ist allerdings auch die entsprechende Altersvorsorge, auf die die Kl. ihren Anspruch ebenfalls stützt, jedenfalls teilweise mit abgegolten.

Kfz-Kosten: 1200 DM. Inkl. Versicherung, Steuer, Rücklagen, Reparaturen und Benzinkosten: höhere monatliche Kosten sind von der Kl. nicht substantiiert dargelegt.

Rücklage Haushaltsgeräte: 100 DM. Die Kl. hat nicht annähernd substantiiert, wie sie zu dem von ihr angesetzten Betragkommt. Unter Berücksichtigung dessen, daß erfahrungsgemäß größere Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Waschmaschine eine Lebensdauer von etwa zehn Jahren haben, ist nur der angesetzte Betrag angemessen. Die Kl. hätte, wenn sie mehr geltend machen will, im einzelnen dartun müssen, was nun konkret in ihrem Haushalt angefallen ist und anfällt. Es ist so nichtnachvollziehbar, inwiefern Jahr für Jahr 6000 DM für Haushaltsgeräte ausgegeben werden müssen.

Allgemeine Lebenshaltung: 1000 DM. Inkl. Theater, Kino, Sport, Freizeit, Friseur, Kosmetika: auch insoweit fehlt es an konkreten Einzelnachweisen, so daß der Senat lediglich den unter Berücksichtigung aller Umstände angemessenen Betrag schätzen kann.

Kleidung: 500 DM.

Haushaltshilfe: 900 DM. Dies inkl. des Aufwands für eventuelle gelegentliche Kinderbetreuung: denn es ist auch zu berücksichtigen, daß die Kl. (und auch der Zeuge D, vgl. unten) selbst die Kinder teilweise betreut (weshalb ihr Gehalt nur teilweise im Rahmen des § 1577 II BGB angerechnet wird.

Urlaub: 500 DM. Auch hier ist nicht dargelegt, daß auf die Kl. alleine im Jahr mehr als 6000 DM Urlaubskosten entfallen wären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß, soweit in den Urlauben Halbpension gebucht war, ein Teil der allgemeinenLebenshaltungskosten enthalten war, die oben schon angesetzt sind. Angemessen ist ein Betrag von 500 DM.

Zusammen ergibt sich ein Bedarf von 6360 DM.

Die von der Kl. ebenfalls in 1. Instanz geltend gemachten Aufwendungen für Kindergarten, Musikschule, Sportverein und Tennisstunden für die Kinder gehören nicht zu ihrem (der Kl.) Bedarf, sondern zu dem der Kinder und sind aus dem Kindesunterhalt zu decken.

Die Kl. ist grundsätzlich auch berechtigt, Altersvorsorge zu betreiben, und zwar angepaßt an ihren ungedeckten Bedarf. Wie bereits oben ausgeführt, stellen die schon berücksichtigten Lebensversicherungsbeiträge eine solche Altersvorsorge dar. Ob darüber hinaus noch ein weiterer Betrag angemessen wäre, kann dahinstehen, denn der sich ergebende Anspruchliegt ohnehin bis November 1998 nicht unter den vom AG ausgeurteilten 4100 DM.

Der Bedarf der Kl. ist teilweise durch ihr eigenes Einkommen gedeckt, das nach den oben dargelegten Grundsätzen anzurechnen ist. Aus der Lohnsteuerkarte für 1995 errechnet sich ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 2892 DM, abzüglich einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 5% bleiben 2747 DM (ein Berufsbonus wirdhier - außerhalb des Bereichs des Quotenunterhalts - nicht abgesetzt). Hiervon ist die Hälfte auf den Bedarf anzurechnen, also 1374 DM. Es bleiben 4986 DM.

Für 1996 liegen keine Verdienstbescheinigungen der Kl. vor; es kann zugunsten des Bekl. von einem gleich hohen Einkommen wie 1995 ausgegangen werden; für 1997 beträgt das monatliche Durchschnittseinkommen ausweislich der Lohnsteuerbescheinigung 2635 DM, nach Abzug einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen 2503 DM. Der offene Bedarf ist also höher als 1995.

Für 1998 liegen ebenfalls keine vollständigen Verdienstbescheinigungen vor. Geht man von der Verdienstbescheinigung für Oktober 1998 aus, errechnet sich unter Berücksichtigungeines 13 Monatsgehalts (wobei diese Art der Berechnung sehr wahrscheinlich zu Lasten der Kl. unrichtig ist, weil nicht feststeht, wie die Sonderzuwendung berechnet wird; insbesondere sind bereits in der Oktober Abrechnung „sonstige Bezüge“ enthalten) ein durchschnittliches Monatseinkommen von 3589 DM, nach Abzug einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen 3409 DM. Hiervon ist die Hälfte anzurechnen. Es bleiben (6360 DM - 1705 DM=) 4655 DM.

Ob das Einkommen der Bekl. 1999 deutlich höher ist, kann dahinstehen, denn ab Dezember 1998 steht ihr ohnehin lediglich der anerkannte Betrag von 1800 DM zu.

c) Der Bekl. ist in Höhe der ausgeurteilten Beträge leistungsfähig. Jedenfalls hat er, der insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist, das Gegenteil nicht nachgewiesen. Auf die Ausführungen zum Kindesunterhalt wird Bezug genommen.

d) Der Anspruch der Kl. ist ab Dezember 1998 teilweise ausgeschlossen, nämlich soweit sie mehr als monatlich 1800 DM geltend macht (§ 1579 Nrn. 2, 4, 7 BGB).

Es steht nach der Vernehmung des Zeugen D durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vom 30. 4. 1999 fest, daß dieser seit November 1996 mit der Kl. in einer ehegleichen Beziehung zusammenlebt. Der Zeuge hält sich ständig in der Wohnung der Kl. auf; er kocht und betreut die Kinder mit, bringt sie zum Sportverein und zur Schule und betreibt seine Maklertätigkeit auch zu einem wesentlichen Teil aus der Wohnung heraus. Die Hausarbeit wird geteilt.

Wenn sich eine solche Beziehung derart verfestigt hat, daß sie gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist und dies auch in der Öffentlichkeit deutlich wird, kann das zu einer Unzumutbarkeit der (uneingeschränkten) Unterhaltszahlung für den Verpflichteten führen (st. Rspr. des BGH und des Senats, vgl. etwa BGH, NJW 1997, 1851 = FamRZ 1997, 671), auch ohne daß eine Unterhaltsgemeinschaft besteht. Eine solche Verfestigung wird in der Regel erst nach längerer Zeit, nicht vor Ablauf von zwei bis drei Jahren eintreten, dies ist jeweils abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Wenn allerdings wie hier die Partner - einem Ehepaar gleich - ohne Einschränkung zusammenleben, tritt der maßgebende Zeitpunkt naturgemäß eher früher ein. Es kann jedoch dahinstehen, auf welchen Zeitpunkt hier konkret abzustellen ist, denn der Unterhaltsanspruch ist aus einem anderen Grunde ab Dezember 1998 (hier wäre frühestens eine Verwirkung nach § 1579 Nr. 7 BGB in Betracht gekommen) teilweise ausgeschlossen. Die Kl. hat nämlich einenversuchten Prozeßbetrug gegenüber dem Bekl. begangen, indem sie wahrheitswidrig - in Kenntnis dessen, daß es hierauf ankam - in der Berufungserwiderung vom 23. 11. 1998 hat vortragen lassen: „Die Kl. unterhält auch keine verfestigte Gemeinschaft mit einem anderen Mann im Sinne einer eheähnlichen Solidargemeinschaft. Sie lebt insbesondere auch nicht mit einem anderen Manne zusammen.“ Dieser Vortrag war zum einen wahrheitswidrig, zum anderen bewußt als Erwiderung auf den Vortrag des Bekl. in der Berufungsbegründung vom 9. 7. 1998 gehalten, in dem gerade auf den Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 7 BGB abgestellt wurde. Sinn war eine Täuschung des Senats und erstrebtes Ziel eine Verneinung des Verwirkungseinwands und damit die Ablehnung einer Reduzierung des Unterhalts. Hierin liegt ein versuchter Betrug i.S. der §§ 263 I u. II , 22 , 23 StGB, was wiederum einen Verwirkungsgrund i.S. des § 1579 Nr. 2 und Nr. 4 BGB darstellt (vgl. Gerhardt, in: Wendl/Staudigl, § 4 Rdnrn. 665 und 698; BGH, FamRZ 1990, 1095).

Eine Verwirkung nach § 1579 Nr. 6 BGB bereits zu einem früheren Zeitpunkt wegen des intimen Verhältnisses, das die Kl. unstreitig zu G aufgenommen hatte, kommt hingegen nicht in Betracht. Zwar kann das einseitige Ausbrechen aus intakter Ehe zu einem Ausschluß oder einer Reduzierung des Unterhaltsanspruchs führen. Die Kl. hat jedoch im Schriftsatz vom 21. 4. 1999 detailliert dargelegt, daß die Ehe der Parteien zum damaligen Zeitpunkt eben nicht mehr intakt war. Diesen Vortrag hat der Bekl. nur in bezug auf die Genese der psychischen Erkrankung der Kl. (Panikattacke versus Nervenzusammenbruch) bestritten, die behaupteten Tatsachen aber nicht in Abrede gestellt. War aber die Ehe bereits gravierend gestört, so stellt die Aufnahme einer Beziehung zu einem anderen Partner keinen Verwirkungsgrund dar.

Die Inanspruchnahme stellt sich also aus den dargelegten Gründen für den Bekl. als grob unbillig dar. Ob allerdings in einem solchen Falle der Unterhaltsanspruch herabzusetzen, zu befristen oder gänzlich auszuschließen ist, ist unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und insbesondere unterWahrung der Belange der gemeinsamen Kinder zu entscheiden. Gesichtspunkte sind dabei auch die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Schwere des Vorwurfs, der dem Berechtigten zu machen ist und der eventuell beim Verpflichteten eingetretene Schaden. Letztlich braucht diese Abwägung hier nicht im einzelnen zu erfolgen, denn der vom Bekl. anerkannte Anspruch in Höhe von 1800 DM ist außer Streit. Ein darüber hinausgehender Anspruch steht der Kl. neben ihrem eigenen Einkommen, das im Rahmen der Prüfung nach § 1579 BGB voll zu berücksichtigen ist, jedenfalls nicht zu.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht

Normen

BGB §§ 1361, 1579 Nrn. 2, 4, 1601 ff.