Ausschluß vom BAföG wegen Alters

Gericht

VG Freiburg


Art der Entscheidung

Gerichtsbescheid


Datum

21. 04. 1997


Aktenzeichen

7 K 2212/96


Leitsatz des Gerichts

Ein Student, der bei Abschluss seiner Ausbildung voraussichtlich das 65. Lebensjahr erreicht haben wird, ist von BAföG-Leistungen ausgeschlossen, da in einem so hohen Alter keine guten Aussichten auf Erwerbstätigkeit gegeben sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. begehrt von dem Bekl. BAföG. Der am 10. 12. 1935 geborene Kl. besuchte bis März 1954 die Oberschule in B. Von 1954 bis 1990 war er als Bauarbeiter, Taxifahrer und Taxiunternehmer erwerbstätig. Von August 1991 bis Juni 1994 besuchte er das Abendgymnasium in B., wo er im Juni 1994 das Abitur ablegte. Im Oktober 1994 nahm er das Studium der Medizin an der Universität F. auf. Am 29. 9. 1994 beantragte er beim Bekl. erfolglos die Bewilligung von Ausbildungsförderung.

Das VG wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bekl. vom 12. 5. 1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. vom 28. 8. 1996 sind rechtmäßig und verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten, denn dieser hat keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung.

Der Bewilligung von Ausbildungsförderung steht die Bestimmung des § 10 III 1 BAföG entgegen, wonach Ausbildungsförderung nicht geleistet wird, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr vollendet hat. Einzuräumen ist dem Kl. freilich, daß er, wie auch der Bekl. nicht bezweifelt, alle Voraussetzungen der Bestimmung des § 10 III 2 Nr. 1 BAföG erfüllt und deshalb nach dem Wortlaut dieser Regelung an sich zum Kreis der trotz ihres Alters förderungsfähigen Auszubildenden zählt.

Gleichwohl hat der Bekl. die Bewilligung für Ausbildungsförderung zu Recht versagt. Zutreffend geht er davon aus, daß vorliegend die Altersgrenze nicht aufzuheben ist, weil der Kl. die Ausbildung in einem so hohen Alter beginnt, daß eine Erwerbstätigkeit nach dem Abschluß der Ausbildung praktisch ausgeschlossen ist. Der Kl. begann sein Medizinstudium im Wintersemester 1994/95 zwei Monate vor Vollendung seines 59. Lebensjahres. Unter Zugrundelegung einer Förderungshöchstdauer von 13 Semestern würde der Kl. die Ausbildung voraussichtlich im Alter von 65 Jahren beenden. Die - nach dem Wortlaut des § 10 III 2 Nr. 1 BAföG mögliche - Gewährung von Ausbildungsförderung ist unter diesen Umständen mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Die Sozialleistung Ausbildungsförderung hat die Funktion, den einzelnen jungen Menschen in den Stand zu setzen, sich frei, insbesondere ohne wirtschaftliche Zwänge, in einer qualifizierenden Ausbildung persönlich zu entfalten und auf ein Berufsleben vorzubereiten (Rothe/Blanke, BAföG, Einf. vor § 1 Rdnr. 2.1). Sinn der Förderung ist es nicht nur, dem einzelnen eine seinen Neigungen entsprechende (Aus)Bildung zu ermöglichen, sondern damit auch die Voraussetzungen für die Ausübung eines Berufs zur Gründung und Erhaltung einer wirtschaftlichen Existenz zu schaffen. Diese Erwartung kommt auch in §§ 17 , 18 BAföG zum Ausdruck, wenn der Gesetzgeber die Ausbildungsförderung zum Teil nur als Darlehen leistet und deren Rückzahlung insoweit anordnet. Zwar setzt die Anwendung der Ausnahmeregelungen des § 10 III 2 BAföG nach der Rechtsprechung des BVerwG (FamRZ 1992, 990; BVerwGE 72, 268 NVwZ 1986, 384 Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 8 S. 19 und Nr. 9 S. 27 FamRZ 1985, 970 (972) und BVerwG, FamRZ 1986, 108 (110)) nicht voraus, daß der Auszubildende noch die Möglichkeit hat, eine ausreichend lange Zeit erwerbstätig zu sein. Die Förderung hängt, so das BVerwG in der Entscheidung vom 7. 6. 1989 (BVerwGE 82, 125 NVwZ 1989, 1064 (1066)) nicht davon ab, ob der Auszubildende die Ausbildung für eine Berufsausübung nutzen will und kann. Gleichwohl hält das BVerwG es, allerdings ohne diese Frage bislang entschieden zu haben, nach wie vor für denkbar, daß Ausbildungsförderung nach der Überschreitung der Altersgrenze auch dann ausnahmsweise nicht mehr zu leisten ist, wenn der Betreffende die Ausbildung in einem so hohen Alter beginnt, daß eine Erwerbstätigkeit nach dem Abschluß der Ausbildung praktisch ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, FamRZ 1992, 990). Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzes, den jungen Menschen zu fördern, und der Erwartung des Gesetzgebers, daß der Betreffende zumindest eine nicht völlig bedeutungslose Zeit berufstätig sein kann, ist nach Auffassung der Kammer die Bestimmung des § 10 III BAföG teleologisch dahingehend zu reduzieren, daß Ausbildungsförderung jedenfalls dann zu versagen ist, wenn der Auszubildende bei Abschluß seiner Ausbildung voraussichtlich das 65. Lebensjahr vollendet und damit die allgemeine Altersruhegrenze erreicht hat. Ab diesem Alter kann im allgemeinen auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten eines Freiberuflers nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die eben erst abgeschlossene Ausbildung zur Ausübung einer Berufstätigkeit führt, die eine tragfähige Grundlage für eine wirtschaftliche Existenz bildet.

So liegt es hier. Der Kl. wird nach Abschluß seines Studiums das 65. Lebensjahr vollendet haben. Eine Beschäftigung in abhängiger Stellung scheidet damit praktisch aus, auch ist nicht anzunehmen, daß ein frei praktizierender Arzt in diesem Alter als Berufsanfänger sich einen solchen Patientenstamm erwerben kann, der die wirtschaftliche Führung einer Praxis ermöglicht.

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

BAföG § 10 III